Corona-Todeszahlen steigen und Kliniken droht Kollaps

Die Corona-Todeszahlen steigen unablässig. Weltweit sind fast 1,8 Millionen Menschen gestorben und mehr als 81,5 Millionen haben sich bisher infiziert. In Deutschland hat die Zahl am Montag die Marke von 30.000 Corona-Toten überschritten. Seit dem 10. Dezember sind hier mehr als 10.000 Covid-Patienten gestorben, was bedeutet, dass im Schnitt täglich über 500 Menschen sterben – alle drei Minuten mindestens ein neuer Corona-Todesfall.

Mehr als 1,66 Millionen Menschen haben sich bisher in Deutschland mit Sars-CoV-2 infiziert, wobei die Dunkelziffer hoch ist. Besonders über die Feiertage wurden deutlich weniger Fälle registriert und an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldet. Am Dienstag waren es knapp 13.000 Neuinfektionen und 852 neue Todesfälle. Am Mittwochvormittag meldete das RKI 22.459 Neuinfektionen und mit 1129 erstmals mehr als 1000 Tote binnen 24 Stunden.

Dass sich die Situation tatsächlich täglich zuspitzt, erkennt man vor allem an der Situation in den Krankenhäusern. Seit Monaten kämpfen die Pflegekräfte in den Kliniken um das Leben jedes einzelnen, aber unter den ständig wachsenden Infektionszahlen sind ihre Bedingungen zunehmend katastrophal. Um darüber zu berichten, traten in Hamburg kurz vor Weihnachten Pflegekräfte an die Öffentlichkeit. Die Direktion der privaten Asklepios-Kliniken (AK) hat jetzt einer Pflegerin deshalb mit der Kündigung gedroht.

Romana Knezevic hatte im Hamburg Journal des NDR offen über die Zustände an der AK St. Georg gesprochen. „Die Lage ist sehr ernst“, sagte Knezevic am 17. Dezember „Die Intensivkapazitäten sind komplett ausgeschöpft.“ Schon zuvor seien deutlich zu wenige Pflegekräfte, gerade auch in der Intensivpflege, vorhanden gewesen. Dazu sei nun die Corona-Pandemie gekommen, „ein Zustrom von Corona-Patienten, um die wir uns zusätzlich kümmern müssen, das sprengt jeglichen Rahmen“, so Knezevic.

„Die Intensivkollegen arbeiten jetzt mit einem Schlüssel von eins zu fünf; normal wäre ein Schlüssel von eins zu zwei oder eins zu eins.“ Hinzu käme, „dass wir zusätzlich Aufgaben des Reinigungspersonals und des Servicebereichs übernehmen müssen. Auch sie sind – genauso wie wir – kaputt gespart worden.“ Die Situation belaste die Pflegekräfte enorm, zumal oft nicht einmal mehr eine menschenwürdige Sterbebegleitung möglich sei: „Die Patienten sterben allein auf ihren Zimmern.“

Die Reaktion der Klinikleitung kam prompt. Anstatt den Missständen seriös nachzugehen und sie schnellstmöglich abzustellen, drohte sie der mutigen Krankenschwester mit der Kündigung. Ein Sprecher der Asklepios-Kliniken sagte der Hamburger Morgenpost, es sei „nicht hinnehmbar, dass Mitarbeiter aus ideologisch-politisch motivierten Gründen gegenüber Medien wissentlich Falschinformationen verbreiten oder Ausnahmesituationen als Regelfälle darstellen“; dies würde das Vertrauen der Hamburger Bevölkerung erschüttern.

Dagegen mehren sich seither die Solidaritätsbekundungen für Ramona. Die Hamburger Krankenhausbewegung, eine Organisation von Pflegekräften, nannte die angedrohte Kündigung einen „durchsichtigen Einschüchterungsversuch“ und bestätigte, dass er unter den Pflegekräften für „Entrüstung und Wut“ gesorgt habe. Auf Twitter schrieb eine Nutzerin: „Ist das euer verdammter Ernst? (Jetzt) Menschen entlassen wegen Kritik? Solidarität mit Romana Knezevic!“

Für den Wahrheitsgehalt von Knezevics Schilderung spricht allein schon die Tatsache, dass sich immer mehr Krankenhäuser melden, deren Intensivstationen an ihre Belastungsgrenze geraten. In Thüringen haben über Weihnachten mehrere Krankenhäuser Notrufe abgesetzt und das Klinikum Eisenach hat öffentlich erklärt, es könne keine Corona-Patienten mehr aufnehmen.

Auch das Klinikum im Eichsfeld erklärte, es arbeite bereits am Limit: Seit langem habe es dauerhaft immer um die 30 Patienten mit schwerer Corona-Infektion zu behandeln. „Dazu kommt, dass von ihnen immer sechs bis acht auf der Intensivstation liegen“, erklärte der Ärztliche Direktor des Klinikums der Thüringer Allgemeinen. „Wenn es jetzt noch mehr werden, können wird die Routinefälle nicht mehr versorgen.“ Notfälle seien schon an andere Krankenhäuser, z.B. an die Uniklinik Göttingen, abgegeben worden. „Entspannung erreichen wir nur, wenn die Corona-Fallzahlen und damit auch die schweren Verläufe zurückgehen.“

Was notwendig wäre, um die Corona-Fallzahlen drastisch zu reduzieren und die Pandemie in Schach zu halten, ist längst bekannt. Daran erinnerte vor kurzem die Virologin Prof. Melanie Brinkmann im Gespräch mit den Tagesthemen. Sie betonte, dass auch die offiziell angestrebte Sieben-Tages-Inzidenz von 50 Infizierten pro 100.000 Einwohner deutlich zu hoch sei: „Das ist keine Inzidenz, bei der wir die Kontrolle haben“, so Brinkmann. Erst wenn diese Zahl unter 20 liege, seien die Gesundheitsämter wieder in der Lage, effektiv zu arbeiten, durch Tests die Infizierten zu ermitteln und alle Kontakte zu isolieren. Zurzeit liegt die Inzidenz bundesweit bei 150 und beträgt in einzelnen Regionen, zum Beispiel im sächsischen Meißen und Vogtlandkreis, weit über 500.

In einem ausführlicher Bericht im Spiegel wurden am Weihnachtstag die Stellungnahmen führender Virologen zu der neusten und besonders ansteckenden Corona-Variante erläutert, die in England aufgetaucht ist und sich rasend schnell über die ganze Welt ausbreitet. Die Wissenschaftler sind sich einig, dass die erste und entscheidende Gegenmaßnahme darin bestehen muss, die Fallzahlen drastisch zu reduzieren.

Die Virologin Isabella Eckerle von der Universitätsklinik Genf weist darauf hin, dass fast alle Länder jetzt schon „die Grenze des Gesundheitssystems, der Intensivstation, der Labortests, der Rückverfolgung von Infektionen erreicht“ haben. Eine übertragbarere Variante werde „im Januar und Februar zu einer Tragödie führen“, warnte die Virologin: „Es wäre ein Fehler, zunächst auf eine detaillierte Bestätigung des Vorhandenseins der neuen Viruslinie aus den verschiedenen Ländern zu warten.“ In einem Tweet vom 24. Januar riet Eckerle: „Anhand dieser Daten sollte sich die geografische Region Europa (nicht nur die EU) auf einen koordinierten, vollständigen Lockdown vorbereiten.“

Dies wird aber nur geschehen, wenn die Arbeiterklasse unabhängig ins Geschehen eingreift und den Lockdown durch einen europaweiten Generalstreik erzwingt. Die Regierungen jeglicher Couleur haben hingegen deutlich gemacht, dass sie selbst den begrenzten Lockdown so schnell wie möglich wieder aufheben wollen, um die Profite der Banken und Konzerne nicht zu gefährden.

Ein drastisches Beispiel für die Dominanz der kapitalistischen Profitwirtschaft ist die Schließung von Kliniken und Krankenhäusern mitten in der Pandemie und aus dem einzigen Grund, weil sie „unwirtschaftlich“ arbeiten. Kurz vor Weihnachten wurde die Ingelheimer Klinik mit 190 Beschäftigten geschlossen. „Es war ein intaktes Haus, mit Pflegekräften und Beatmungsgeräten, alles, was wir in der Pandemie dringend brauchen“, so die Betriebsrätin Stefanie Klemann gegenüber Radio FFH. Die Entscheidung, das Haus gerade jetzt zu schließen, bestätigt die katastrophalen Auswirkungen der Kürzungs- und Privatisierungspolitik seit dreißig Jahren. Tatsächlich sollen, einer Bertelsmann-Studie aus dem letzten Jahr zufolge, von rund 1.400 Krankenhäusern weniger als 600 erhalten bleiben.

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