Als der Vorstandsvorsitzende der Commerzbank, Manfred Knof, am Donnerstag den Abbau von 10.000 Vollzeitstellen und die Schließung von 340 der 790 Filialen ankündigte, stieg der Aktienkurs sprunghaft um 6 Prozent. Die Vernichtung der Arbeitsplätze ist der Preis, den die Commerzbank-Belegschaft zahlen soll, um bis Ende 2023 eine Eigenkapitalrendite von etwa 7 Prozent durch Kosteneinsparung von 1,4 Mrd. Euro zu erreichen.
Wer gedacht hat, dies würde einen Aufschrei der zuständigen Gewerkschaft Verdi hervorrufen, wurde eines Besseren belehrt. „Inhaltlich können wir diese Strategie weitgehend mittragen, weil sie vom Zielbild richtig ist“, gab Verdi-Vertreter Stefan Wittmann der Deutschen Presse-Agentur zu verstehen. Sein einziger Einwand war, dass „die in der neuen Strategie vorgesehene Zeitschiene für den Personalabbau bis Ende 2023 viel zu kurz“ sei.
Am kommenden Mittwoch soll der Aufsichtsrat über die neuen Pläne abstimmen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der Stellenabbau dort – vielleicht in einem etwas längeren Zeitrahmen – abgesegnet wird. Die Gewerkschaft und ihre Vertreter im Aufsichtsrat haben sich zur Freude der Aktionäre schon in der Vergangenheit als zuverlässige Co-Manager des Finanzinstituts hervorgetan.
Schon Mitte des vergangenen Jahres hatte Wittmann dem Finanzmagazin Der Aktionär gesagt, der damalige Commerzbank-Chef Martin Zielke und der Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Schmittmann seien „überforderte Konflikt-Vermeider“, die vor der Krise Reißaus nähmen. Die Gewerkschaft Verdi habe immer eng mit der Unternehmensleitung zusammengearbeitet und frühzeitig Rationalisierungs- und Strukturmaßnahmen vorgeschlagen. „Die Zahl 10.000 bis Ende 2023 ist zu hoch gegriffen. Aber eine hohe vierstellige Zahl an Arbeitsplätzen zu streichen – das können wir unter den richtigen Rahmenbedingungen hinnehmen“, fuhr er fort.
Auch der Vorsitzende des Gesamt- und Konzernbetriebsrats Uwe Tschäge, der gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats ist, erklärte damals dem Handelsblatt, dass er dem Stellenabbau nicht im Wege stehe, solange er „sozial verträglich“ ablaufe.
„Betriebsbedingte Kündigungen darf es nicht geben, dafür werden wir kämpfen“, sagte Tschäge. Die Commerzbank müsse einen „angemessenen Zeitraum“ wählen und genügend Geld für Altersteilzeitmodelle und ähnliche Instrumente zur Verfügung stellen. Er wolle nachvollziehen können, warum und wo das Management Arbeitsplätze abbaue. Er erwarte vom Bund als Großaktionär Unterstützung dafür, dass mit den Mitarbeitern „anständig umgegangen“ werde. Wichtig sei für ihn, so Tschäge, „dass die Bank auch nach dem Umbau stabil aufgestellt ist und sich weiterentwickeln kann“ – mit anderen Worten: dass sie wieder mehr Profit abwirft!
Kein Wunder, dass das Wirtschaftsmagazin Capital daraufhin Tschäge als Interims-Chef des Aufsichtsrats vorschlug und die Aktionäre beruhigte: „Dass ein Betriebsrat – in diesem Fall übrigens ein gelernter Banker – den Aufsichtsrat führt, mag Erzkapitalisten erschrecken, es gibt aber Beispiele dafür, dass dies reibungslos funktioniert.“
Nach dem Rücktritt der Commerzbank-Manager Zielke und Schmittmann ging die Suche nach einem neuen Vorstand los, der genügend Härte für die Durchsetzung der Kosteneinsparungen besitzt, die die Aktionäre – allen voran der Finanzhai Cerberus – schon damals forderten. Der Anfang Januar 2021 eingesetzte Commerzbank-Chef Knof hatte schon in seinen vergangenen Positionen bewiesen, dass er über diese Eigenschaft verfügt.
Als Chef der Privat- und Firmenkunden-Sparte der Deutschen Bank hatte Knof im vergangenen Jahr 50 Prozent der Verwaltungsstellen gestrichen. Davor war er Chef der Allianz AG Deutschland.
Der seit August amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Jörg Vetter hat ebenfalls Erfahrungen mit der Sanierung von Banken gesammelt. Nach dem Bankenskandal, der zum Zusammenbruch der Bankgesellschaft Berlin im Jahr 2001 führte, verwirklichte er unter dem neugewählten Berliner Wowereit-Senat einen „Sanierungsplan“, dem bis zu 10.000 Stellen zum Opfer fielen, während die Vermögen der Anleger und Aktionäre mit Milliarden an Steuergeldern gerettet wurden.
Das sind die Qualitäten, die heute an Bankmanager gestellt werden, um die Institute im harten Verdrängungskampf auf den internationalen Finanzmärkten zu sichern und die riesigen Vermögen der Reichen zu erhalten. Dieser Konkurrenzkampf bestimmt auch die Politik der Bundesregierung, die alles tut, um ihre „nationalen Champions“ in der Finanzbranche zu verteidigen, die für die Finanzierung des Außenhandels und der Investitionen im Ausland wichtig sind. Die Bundesregierung – mit 15,6 Prozent größter Anteilseigner – unterstützt den Strategieplan der Commerzbank voll und ganz.
Die Koalition von Regierung, Unternehmen und Gewerkschaften richtet sich gegen die Arbeiterklasse. Es soll unter allen Umständen verhindert werden, dass sie sich gegen die fortwährende Arbeitsplatzvernichtung und Senkung des Lebensstandards auflehnt.
Die Gewerkschaften ordnen die Interessen der Beschäftigten vollständig den Profitzielen der Unternehmen unter, bei den Banken wie auch in der Industrie. Wittmann ist kein Einzelfall, er repräsentiert eine Funktionärsclique, die in allen Gewerkschaften das Sagen hat. Sie führt die Arbeiter bewusst hinters Licht und verrät sie nach allen Regeln der Kunst.
So hat die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Christine Behle im Spiegel-Interview den Stellenabbau bei der Lufthansa unterstützt: „Dass Kapazitäten abgebaut werden müssen, sind wirtschaftliche Entscheidungen, die nicht von vorneherein falsch sind“, erklärte sie.
Ein Hamburger Airbus-Betriebsrat bemerkte, dass man „nur mal an den flugzeugleeren Himmel schauen“ müsse, um zu verstehen, dass eine „Personalüberkapazität“ existiere und die IG Metall den Menschen „ein freiwilliges Verlassen [des Unternehmens] ermöglichen“ müsse. Es ließen sich zahllose ähnliche Aussagen zitieren.
Die Linke spielt ein ebenso übles Spiel. In einer Stellungnahme zum massiven Stellenabbau bei der Commerzbank erklärt ihr Vorsitzender Riexinger, ein ehemaliger Verdi-Funktionär, die Bundesregierung müsse aus Erfahrungen wie dieser endlich Konsequenzen ziehen: „Nicht die Besitzer der Unternehmen müssen gerettet werden, sondern die Arbeitsplätze und der Nutzen des Unternehmens für die Allgemeinheit.“
Riexinger versucht, der Belegschaft vorzugaukeln, die Bundesregierung könne auf ihre Seite gezogen werden. Das ist absurd. Die Große Koalition steht uneingeschränkt auf Seiten der Banken und Konzerne. Sie hat jahrelang die Sozialausgaben zusammengestrichen und ganze Länder (wie Griechenland) durch Spardiktate in bittere Armut getrieben. In der Corona-Krise hat sie die Wirtschaft mit gigantischen Summen (nach Berechnungen der Deutschen Bank mit insgesamt 1,9 Billionen) unterstützt, während es in Schulen und Krankenhäusern am Nötigsten fehlt. Nun entwirft sie bereits Pläne, diese Gelder auf Kosten der Bevölkerung wieder einzusparen.
Als größter Anteileigener gehört die Bundesregierung zu den treibenden Kräften des Stellenabbaus. Sie war in der Finanzkrise 2008 bei der Commerzbank eingestiegen. Bereits im vergangenen Sommer hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier angekündigt, er beabsichtige den Bundesanteil 2021 gewinnbringend zu veräußern.
Die Arbeitsplätze bei der Commerzbank können – ebenso wie in der Autoindustrie, im Handel und in vielen anderen Bereichen, wo Massenentlassungen anstehen – nur gegen die Regierung, die Konzerne und ihre Handlanger in den Gewerkschaften verteidigt werden.
Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) ruft die Beschäftigten der Commerzbank auf, unabhängige Aktionskomitees zu gründen, die die Verteidigung der Arbeitsplätze in die Hand nehmen und sich mit den Belegschaften anderer Banken und Industriezweige zusammenschließen. Vor allem ist es nötig, eine neue Partei aufzubauen, die die Interessen der Arbeiterklasse vertritt und für ein internationales sozialistisches Programm kämpft – die SGP und ihre Schwesterorganisationen im Internationalen Komitee der Vierten Internationale.