WISAG-Arbeiter im Hungerstreik: „Wir werden nicht aufgeben“

Am gestrigen Mittwoch, den 24. Februar, sind zwei Dutzend WISAG-Arbeiter in den Hungerstreik getreten. Sie kämpfen gegen willkürliche Entlassungen, Lohnraub und Corona-Unsicherheit. Der WISAG-Konzern hat im Dezember 230 Beschäftigten gekündigt, darunter 31 Busfahrern, die seit Oktober keinen Lohn bekommen haben.

Die Hessenschau, die Frankfurter Rundschau, die Frankfurter Neue Presse (FNP) und andere lokale und nationale Medien waren über den Hungerstreik informiert. Aber die meisten haben es vorgezogen, nicht zu kommen und auf eine Berichterstattung zu verzichten. Das kann nur als bewusster Kotau vor WISAG verstanden werden: Die bürgerliche Presse zieht es vor, dem mächtigen WISAG-Konzern nicht zu nahe zu treten.

Die WISAG-Besitzer Vater Claus und Sohn Michael Wisser, gehören zu den 300 reichsten Familien Deutschlands. Sie sind bestens vernetzt und pflegen Beziehungen zum Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD), dem hessischen Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir (Grüne), der Direktion von Fraport am Flughafen und der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Es gibt aber noch einen weiteren Grund für die Medien-Blockade. Der Hungerstreik der WISAG-Arbeiter ist ein Ausdruck der wachsenden Wut und Kampfbereitschaft, die sich unter immer mehr Arbeitern ausbreitet. In vielen Betrieben nutzen die Unternehmer die Corona-Pandemie, um Arbeitsplatzabbau und massive Angriffe auf Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Unter der gesellschaftlichen Oberfläche baut sich ein sozialer Sturm auf. Die herrschende Klasse fürchtet, dass der Hungerstreik und ähnliche Kampfmaßnahmen wie Funken wirken, die eine soziale Explosion auslösen, und versuchen sie totzuschweigen.

Die World Socialist Web Site tritt dieser Medien-Blockade entgegen. Sie gibt den kämpfenden Arbeitern eine Stimme und organisiert jede mögliche Unterstützung und Solidarität. Sie zeigt auf, dass sich der Widerstand der Arbeiter in vielen Ländern entwickelt und weshalb eine internationale Strategie und sozialistische Perspektive im Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung notwendig ist.

„Nur weil wir unsere Rechte verteidigen, bekommen wir seit 4 Monaten kein Gehalt!!!“, steht auf dem Pappschild des Vorfeld-Busfahrers Terzi. Er berichtet der WSWS, wie es dazu kam: „Mitte September hat man uns gesagt, dass unsre Abteilung bei WISAG schließen werde und alle Fahrer zu einer Firma namens Sky City Bus GmbH übergehen müssten. Diese Firma gibt es erst seit März 2020. Ich arbeite aber schon seit 21 Jahren auf dem Flughafenvorfeld.“

Wie die Arbeiter erklären, sei WISAG bekannt dafür, immer neue Tochterfirmen, Subunternehmen und Dienstleister aus dem Hut zu zaubern, um die Arbeiter um ihre erworbenen Rechte zu prellen. Der Konzern habe mittlerweile 341 verschiedene Betriebe.

Terzi ist 44 Jahre alt, hat Familie mit zwei Kindern und arbeitet über zwanzig Jahre bei WISAG und seinen Vorläufer-Betrieben. „Sky City Bus ist eine Falle. Wer dorthin geht, verliert alle Rechte und fängt wieder bei Null an.“ Dazu waren Terzi und die meisten Fahrer nicht bereit, und sie widersprachen der Ausgliederung, worauf WISAG-Geschäftsführer Michael Dietrich ihnen drohte, sie würden keine Löhne mehr erhalten.

„Am 1. Oktober waren wir wie gewohnt auf der Arbeit. Manager Burak Baran stellte uns vor die Wahl, bei Sky City Bus anzufangen und die Busse zu besteigen – oder sofort zu gehen. Er gab uns 15 Minuten Zeit, das Gelände zu verlassen, andernfalls wollte er die Polizei auf uns hetzen. Seither haben wir keinen Lohn mehr bekommen. Das sind seit Ende Oktober jetzt fast fünf Monate.“

Einige Arbeiter haben versucht, über das Jobcenter Überbrückungshilfe zu bekommen und gleichzeitig beim Arbeitsgericht zu klagen. Aber die Termine werden wochen- und monatelang hinausgeschoben und verzögert: „Die Behörden lassen uns am ausgestreckten Arm verhungern. WISAG hat 2020 einen Umsatz von 1,9 Milliarden Euro gemacht, aber wir können ja nicht so lange durchhalten.“

Terzi sagt: „Von was sollen wir leben? Wir sind alle im Minus, und Miete, Gebühren und alle Kosten laufen weiter.“ Die Arbeiter hätten untereinander schon solidarisch gesammelt und ein extra Konto aufgemacht. „Sonst hat uns niemand geholfen. Von der Seite von WISAG kommt Null. Kein Politiker hat uns geholfen, und auch nicht die Gewerkschaft Verdi.“

Als sie erfuhren, dass im WISAG-Vorstand und in allen Aufsichtsräten führende Verdi-Mitglieder sitzen, seien sie ausgetreten: „Was sie da alle miteinander organisieren, das ist moderne Sklaverei.“

Zwei andere Kollegen, Riza und Özkan, die in der Koordination gearbeitet haben, sind am 17. Dezember ebenfalls gekündigt worden. „Wer soll denn jetzt unsere Arbeit machen? Der Schichtleiter muss unsere ganze Arbeit jetzt selbst erledigen, aber er schweigt und ist froh, seinen Job zu behalten.“

Wie die Arbeiter berichten, geht die Arbeit auf dem Vorfeld weiter, obwohl WISAG schon seit einem Jahr, seit Pandemiebeginn, vom Arbeitsamt Kurzarbeitergeld für die Flughafen-Mitarbeiter bezieht. „Für das Jobcenter wäre es ein Leichtes, das zu kontrollieren und das Geld von WISAG zurückzufordern“, wie die Arbeiter sagen.

Das ganze letzte Jahr hindurch erlebten sie, wie Knochenarbeit und Ausbeutung auf dem Vorfeld zunahmen. „Wir sind alle krank geworden, weil sie zu wenige Leute einsetzen, um die Maschinen abzufertigen. Viele sind krank geworden, denn an den Maschinen, im Cargo-Bereich und an den Bändern – überall setzt WISAG nur noch 70 Prozent der vorgesehenen Arbeitskräfte ein.“

Vor allem die erfahrenen, qualifizierten Arbeiter, die die Arbeit seit Jahrzehnten leisten und kennen, seien entlassen worden. „Man hat sie kurzerhand durch ungelernte Leiharbeiter ersetzt.“

Die Arbeiter berichten, dass auch der Chef persönlich sich am Beladen der Maschinen beteiligt hätte, als der Personalmangel zu schlimm war. „Man muss die schweren Gepäckstücke dabei mehr als einen Meter hochheben, und das nacheinander bei drei- bis vierhundert Stück.“ Dies habe aber nicht lange gedauert: Rasch habe der Chef mit Rückenschmerzen aufgegeben.

„Was aber wichtiger ist: Wir alle mussten uns qualifizieren, richtig ausbilden, und wir müssen uns regelmäßig weiterbilden. Wir arbeiten mit Gefahrgut, das ist ein anspruchsvoller Job. Wenn man es nicht versteht, die Fracht richtig zu laden und die Türen korrekt zu verschließen, kann in der Luft alles Mögliche passieren. Was ist, wenn sich im Flug plötzlich eine Tür öffnet? Die Aushilfskräfte, die jetzt an unsere Arbeitsplätze gestellt werden, haben zwei Tage ‚Ausbildung‘ bekommen. Da muss sich ja jeder Passagier in Zukunft überlegen, ob er noch in einen Flieger einsteigen soll …“

Riza ist überzeugt, dass es eine bewusste Entscheidung von WISAG war, die Entlassungen so kurz vor Weihnachten auszusprechen: „Das war reine Berechnung: Wir konnten ja keine Kündigungsschutzklage einreichen, da alle Ämter und Behörden zu waren. Auch für Demonstrationen und Arbeitskampf war das eine ungünstige Zeit. Hinzu kommt, dass sie uns bewusst demoralisieren wollten.“

Das sei ihnen aber nicht gelungen. „Wir werden nicht aufgeben“, steht auf einem Schild. „Wir kämpfen um die Arbeitsplätze und geben nicht auf“, sagt uns auch Riza. „Dabei geht es uns nicht nur darum, unsere eigenen Jobs wieder zu bekommen, es geht nicht nur um die 230 gekündigten Arbeiter und ihre Familien: Auch in Berlin, Hamburg und anderswo sind Arbeiter betroffen.“

Mit ihrem Streik richten die Arbeiter sich auch gegen die fahrlässige Corona-Politik des Unternehmens. „Während wir gegen die Pandemie kämpfen, versucht der Arbeitgeber uns rauszuwerfen“, heißt es auf einem ihrer Transparente. Wie der langjährige Arbeiter Benli der WSWS berichtet hatte, gab es bei WISAG schon mehrere Corona-Fälle. „Normalerweise müssten die Kollegen informiert und geschützt werden. Aber hier wird alles vertuscht – wie bei der Mafia.“

Der Hungerstreik der WISAG-Arbeiter ist ein wichtiger Aufruf an ihre Kolleginnen und Kollegen an den anderen Flughäfen und an alle Arbeiter. Es ist Zeit aktiv zu werden und einen gemeinsamen Kampf aufzunehmen!

Die Spartengewerkschaft IGL, die den Hungerstreik unterstützt, beschränkt sich darauf, Appelle und Bittschriften an die Unternehmer-Familie Wisser und die hinter ihr stehenden Minister und Kapitalisten zu richten. Das ist zwecklos.

Notwendig ist es, Kontakt zu WISAG-Arbeitern in Berlin, Hamburg und an anderen Standorten aufzunehmen sowie zu Arbeitern in anderen Betrieben – bei Fraport, Lufthansa, etc. – und auf allen Flughäfen Europas. Überall schuften die Arbeiter unter dem Damoklesschwert drohender Entlassungen und Ausgliederungen, immer bedroht durch noch gefährlichere Corona-Mutationen.

Die Sozialistische Gleichheitspartei ruft dazu auf, Aktionskomitees aufzubauen, die unabhängig von allen Gewerkschaften arbeiten und Kontakt zu anderen Betrieben aufbauen, um einen europaweiten Generalstreik vorzubereiten.

Jeder Arbeitsplatz muss bedingungslos verteidigt werden! Solange die Pandemie wütet, muss jegliche Arbeit auf das Lebensnotwendigste reduziert werden, bei vollem Lohnausgleich für alle Kollegen, die aufgrund der Corona-Gefahr nicht arbeiten können. Die Lebensinteressen der Arbeiter stehen höher als die Profitinteressen der Konzerne.

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