Corona-Ausbrüche in Betrieben und auf Baustellen häufen sich

Seit Wochen fordern Ärzte und Wissenschaftler ein massives Runterfahren des öffentlichen Lebens, um eine dritte Pandemiewelle mit täglich über 100.000 Infektionen zu verhindern. Doch die Bundes- und Länderregierungen tun nichts dergleichen. Insbesondere das Schließen von Betrieben wird nie ernsthaft in Betracht gezogen, obwohl sich die Infektionen in Unternehmen und Betrieben sowie auf Baustellen häufen.

Die Verbreitung der Pandemie am Arbeitsplatz findet kaum öffentliche Beachtung. Unternehmensleitungen, Gewerkschaften und Betriebsräte tun in der Regel alles, um sie möglichst geheim und unter dem Deckel zu halten. Auf regionaler Ebene berichten lokale Medien aber immer wieder über Ausbrüche, die das Leben und die Gesundheit von zahlreichen Arbeiterinnen und Arbeitern sowie ihrer Familien gefährden.

Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) meldete am 28. März einen starken Anstieg von Corona-Infektionen bei der Deutschen Bahn (DB). „Die Infektionszahlen bei den Beschäftigten von DB Regio gehen zur Zeit durch die Decke”, zitiert es Ralf Damde, den Geschäftsführer des Gesamtbetriebsrats bei DB Regio.

Der Betriebsrat fordert, dass alle Bahnmitarbeiter mit Kundenkontakt möglichst schnell geimpft werden. Das Unternehmen solle ihnen eine Bescheinigung ausstellen, dass sie als Beschäftigte zur kritischen Infrastruktur gehören und so in Prioritätsgruppe 3 für das Impfen eingestuft werden. Da vielerorts gerade erst mit der Impfung der Prioritätsgruppe 2 begonnen wird und es nach wie vor an Impfstoff mangelt, kann es aber selbst dann noch Wochen dauern, bis Impfungen möglich sind.

Laut RND gab es bei DB Regio vor einer Woche 87 bestätigte Infektionen im Schienenverkehr und 44 im Busverkehr. Da die Zahlen aber zurzeit rapide ansteigen, werden es noch viel mehr sein. Bei den zur DB gehörenden Regionalbussen in Brandenburg (Oder-Spree) sind so viele Busfahrer infiziert, dass Kollegen aus anderen Betrieben aushelfen müssen. So oder so zeigen die genannten Zahlen nur die Spitze des Eisbergs.

Baustelle der Tesla-Fabrik in Grünheide (Bild: Ralf Roletschek / CC BY-SA 1.0)

Auf der Tesla-Großbaustelle in Grünheide bei Berlin ist es zu einem größeren Ausbruch von Covid-19 gekommen, wie der Tagesspiegel am 26. März berichtete. Nach Informationen der Zeitung ist die Zahl der mit Covid-19 Infizierten auf 80 bis 100 angestiegen. Ungefähr 1000 Menschen arbeiten auf der Baustelle. Anfang der Woche (22. März) war von 20 Infizierten und 40 Mitarbeitern, die sich unter Quarantäne befinden, die Rede.

Da Behörden und Tesla keine Zahlen über das Ausmaß des Ausbruchs auf der Baustelle nennen, gibt dies Anlass zu Spekulationen. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Betroffenen noch größer sein könnte.

Das Gesundheitsministerium von Brandenburg, das von Ursula Nonnenmacher von den Grünen geleitet wird, antwortete auf Nachfrage, dass für “lokale Ausbruchsgeschehen” der Kreis Oder-Spree zuständig sei. Dieser gab bekannt, dass es sich beim Ausbruch auf der Tesla-Baustelle um eine “zweistellige Größenordnung” handle. Das Gesundheitsamt sei in engem Kontakt mit dem Unternehmen und sehe bisher keinen Grund einzugreifen.

Die Unterwürfigkeit gegenüber Tesla-Chef Elon Musk, einem der reichsten und rücksichtslosesten Unternehmer der Welt, kam auch zum Ausdruck, als der Landkreis auf Nachfragen der Presse antwortete: “Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir bei einem privaten Unternehmen nicht auf die Details des Infektionsgeschehens, des Hygienekonzepts und dessen Umsetzung eingehen können.”

Trotz des großen Corona-Ausbruchs auf der Baustelle und vieler anderer Probleme hat Tesla vor, in Grünheide ab Juli 2021 die ersten Fahrzeuge vom Band laufen zu lassen, koste es, was es wolle. Auf der Baustelle arbeiten zurzeit auch viele Ingenieure und Monteure einer Firma aus Polen, die wichtige Elektroarbeiten in den Hallen ausführt.

Vor gut zehn Monaten hatte Musk die Wiedereröffnung des Tesla-Werks in Freemont, Kalifornien erzwungen, obwohl die Richtlinien des Bundesstaats die Schließung von Fabriken bis Ende Mai vorsahen. Arbeiter waren gezwungen, auf der Arbeit ihre Gesundheit zu riskieren oder den Job zu verlieren.

Monatelang behaupteten Tesla und die örtlichen und kalifornischen Behörden, es habe im Werk Freemont wegen der Öffnung keine Corona-Infektionen gegeben. Inzwischen ist klar, dass sich im Zeitraum von Mai bis Dezember 2020 annähernd 440 Arbeiter mit Covid-19 infizierten. Zahlen über schwere Krankheitsverläufe oder mögliche Sterbefälle wurden nicht veröffentlicht.

Auf der Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg haben sich 214 Arbeiter mit Corona infiziert. 49 gehören zur Stammbelegschaft, die anderen werden von sechs Subunternehmen beschäftigt. Sie arbeiten, wie fast immer in diesem Bereich, unter schweren Arbeitsbedingungen und niedrigem Lohn und sind dicht gedrängt in Sammelunterkünften untergebracht. Alles Bedingungen, die die Verbreitung von Covid-19 begünstigen.

Die Werft, die Kreuzfahrtschiffe baut, sollte deshalb eigentlich ab Montag, dem 29. März, in eine zweiwöchige Betriebspause gehen, die Belegschaft sollte Kurzarbeitergeld beziehen. Pro Tag sollten 2600 Tests auf der Werft durchgeführt werden. Die zweiwöchige Betriebspause sollte genutzt werden, um den Infektionsschutz auf der Werft zu verbessern, und dazu beitragen, die hohe Inzidenz von über 500 in Papenburg zu senken. Dort gilt seit dem 20. März wegen den hohen Infektionszahlen eine nächtliche Ausgangssperre.

Doch kurz nach ihrer Bekanntgabe wurde die geplante Betriebspause wieder abgesagt. Stattdessen solle die Arbeit mit voraussichtlich der Hälfte der Beschäftigten auf der Werft fortgesetzt werden. Arbeiter sollen sich zwei bis drei Mal in der Woche in einem Testzentrum auf dem Werftgelände testen lassen können. Darauf hat sich die Meyer-Werft mit dem Landkreis Emsland und dem örtlichen Gesundheitsamt geeinigt.

Auch auf der Lürssen-Werft in Bremen haben sich mehr als 100 Arbeiter von verschiedenen Subunternehmen mit dem Corona-Virus infiziert. Das Gesundheitsamt in Bremen hat mehr als 1000 Arbeiter testen lassen. Bei fast allen nachgewiesenen Fällen handelt es sich um die ansteckendere britische Virus-Variante. Trotzdem wird auch hier der Betrieb weitergeführt.

Im dm-Logistikzentrum in Weilerswist im Kreis Euskirchen in Nordrhein-Westfallen sind weitere Mitarbeiter positiv getestet worden. Mitte letzter Woche wurden insgesamt 94 positive Coronafälle bestätigt. Bei allen Fällen handelt es sich um die britische Virus-Mutante. 800 Mitarbeiter wurden in Quarantäne geschickt.

Es handelt sich um den zweiten größeren Ausbruch bei dm in Weilerswirst in kurzer Zeit. Dennoch behaupten die Behörden, sie hätten das Ausbruchsgeschehen untersucht und das Unternehmen habe „alle Hygienestandards vorbildlich” eingehalten.

Die aufgeführten Fälle geben nur einen kleinen Teil der Pandemieentwicklung in den Betrieben wieder. Sie zeigen, dass von Seiten der Regierung, der Gewerkschaften und der lokalen Behörden nichts zum Schutz der Arbeiter unternommen wird.

Loading