Mit der Corona-Pandemie haben sich die Klassengegensätze extrem verschärft. Während zehntausende Menschen ihr Leben verloren, hunderttausende schwere Schäden erlitten und Millionen Teile ihres Einkommens einbüßten, haben sich die oberen zehn Prozent der Gesellschaft pervers bereichert. Mit ihrer Öffnungspolitik geht die herrschende Elite über Leichen, um ihre Profite zu sichern.
Unter diesen Bedingungen tritt der Klassencharakter politischer Tendenzen scharf ans Licht. Die Linkspartei-Politikerin Sahra Wagenknecht übernimmt in ihrem neuen Buch „Die Selbstgerechten“ nun ganz offen den fremdenfeindlichen und nationalistischen Kurs der AfD und schwingt sich zur aggressivsten Vertreterin der Durchseuchungspolitik auf. Dass sie am Samstag mit 61 Prozent der Delegiertenstimmen zur Spitzenkandidatin der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen gewählt wurde, bestätigt, dass sie mit ihren reaktionären Positionen für die Mehrheit der Linkspartei spricht.
Im Vorfeld der Wahl hatte der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Niema Movassat Ausschnitte aus Wagenknechts neuem Buch auf Twitter veröffentlicht. Das Buch, das erst am gestrigen Mittwoch offiziell erschienen ist, sei „eine Kriegserklärung an Hunderttausende junge Menschen, die uns wählen und sich für Klimaschutz und Antirassismus einsetzen“, erklärte Movassat. Auch Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler bemühte sich um Distanz zu dem Buch.
Doch Wagenknechts andauernde rechte Hetze und ihr neustes Traktat stehen nicht im Gegensatz zum Programm der Linkspartei. Wenn sie gegen Flüchtlinge hetzt, die AfD umgarnt und sich mit rechtsextremen Corona-Leugnern gemein macht, tut sie das vom Standpunkt, den rechten Bodensatz für die Durchsetzung eben dieses Programms zu mobilisieren.
Als langjährige Fraktionsvorsitzende gehört Wagenknecht zu den Architekten der arbeiterfeindlichen Politik der Linkspartei. Wie ihre Fraktion hat sie den Eilverfahren zu den Bankenrettungspaketen zugestimmt, mit denen den Superreichen hunderte Milliarden an Steuergeldern in den Rachen geworfen wurden. Auch ist sie eine glühende Verfechterin der zahlreichen Landesregierungen mit Linksparteibeteiligung, die Löhne gekürzt, Krankenhäuser und Wohnungen privatisiert sowie die Polizei aufgerüstet haben.
Diese Politik liegt Wagenknechts Hetze zugrunde. In der Tradition der extremen Rechten spielt sie sich als Anwältin des kleinen Mannes auf und schimpft auf selbstgerechte Eliten, während sie in Wirklichkeit das Programm der herrschenden Elite durchsetzt, indem sie Nationalismus schürt, Migranten für die Angriffe auf Löhne verantwortlich macht und das deutsche Kapital gegen seine ausländische Konkurrenz verteidigt.
Wagenknechts Kritik an der Identitätspolitik der Grünen und der Linkspartei, die sie in der öffentlichen Diskussion über ihr Buch gern ins Zentrum stellt, geht von diesem rechten Standpunkt aus. Sie kritisiert nicht, dass die Arbeiter durch die Identitätspolitik gespalten und von einem gemeinsamen Kampf gegen die kapitalistische Klassengesellschaft abgehalten werden. Sondern sie unterstützt diese Spaltung, indem sie sich für die Aussonderung von Zuwanderern und ihre Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt ausspricht. So will sie von der Verantwortung der Linkspartei ablenken.
In Berlin etwa kürzte die Linkspartei in Zusammenarbeit mit der SPD die Löhne der öffentlich Beschäftigten um bis zu zwölf Prozent, um die Bürgschaften für die Berliner Bankgesellschaft zu finanzieren. In rechtsextremer Manier erklärt Wagenknecht nun die Ausländer zu den Schuldigen und behauptet, dass die Lohnsenkungen in vielen Bereichen „allein wegen der hohen Migration nach Deutschland möglich“ gewesen seien. „Die linksliberale Erzählung von Weltoffenheit und Diversität führt auch dazu, dass sie [die Gewerkschaften] sich nicht mehr trauen, die Beschäftigung von Zuwanderern auch nur zu thematisieren.“
Wagenknecht übernimmt damit nicht nur den faschistischen Slogan „Arbeit zuerst für Deutsche“, sondern verteidigt auch ganz offen die Politiker der rechtsextremen AfD. Die „Vorwürfe und Unterstellungen, mit denen rechte Politiker in der öffentlichen Debatte attackiert werden“, seien oft „überzogen“, erklärt sie. So sei die Warnung, der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen wolle „einen neuen Faschismus in Deutschland einführen“, völlig unberechtigt.
Im ganzen Buch präsentiert sie im Wesentlichen das rechtsradikale Programm der AfD, schwadroniert von einer deutschen Leitkultur und plädiert für einen starken Nationalstaat, der sich gegen China und die Vereinigten Staaten behaupten müsse.
In den letzten Monaten hatte Wagenknecht in ihrer Youtube-Sendung „Wochenschau“ bereits an die rechtsradikalen Querdenker-Demonstranten, Corona-Leugner und Impf-Gegner appelliert, um die Rücknahme auch der letzten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie durchzusetzen.
„Junge, gesunde Menschen zu ermutigen, eine Impfung zu machen, deren Langzeitfolgen völlig unklar sind, halte ich für fahrlässig“, erklärte sie etwa am 10. Dezember. Die Schließung des Einzelhandels habe nichts gebracht, aber „unsere wirtschaftliche Basis zerstört“, verkündete sie am 7. Januar. Am 4. Februar leugnete sie schließlich, dass überhaupt ein Zusammenhang zwischen Schul- und Betriebsschließungen und sinkenden Inzidenzwerten nachgewiesen sei, und im März erklärte sie die Inzidenzwerte selbst für überhöht, weil die PCR-Tests auch asymptomatische Verläufe als Positiv-Ergebnis werteten.
All diese haltlosen Behauptungen sind von Corona-Leugnern hinlänglich bekannt und von Wissenschaftlern längst widerlegt. Würde man die von Wagenknecht propagierte Durchseuchung der Bevölkerung unter 65 Jahren zulassen, stünden in den unteren Altersklassen bis zu 180.000 Menschenleben auf dem Spiel, errechnete etwa die Virologin Melanie Brinkmann. Für Wagenknecht ist es dieses Opfer offenbar wert, „damit wir unsere Wirtschaft nicht ruinieren“, wie sie im Februar bei Anne Will erklärte.
Es verwundert nicht, dass Wagenknecht für ihren Rassismus, ihren Nationalismus und ihre Durchseuchungsstrategie Applaus von der AfD erntet. Der AfD-Landtagsabgeordnete in Sachsen-Anhalt, Daniel Roi, postete Zitate aus Wagenknechts Buch zusammen mit ihrem Konterfei und dem AfD-Logo auf seiner Facebook-Seite. Der NRW-Landesverband der Rechtsextremisten twitterte: „Sahra Wagenknecht trifft es auf den Punkt.“
Doch ihre klare Wahl zur Spitzenkandidatin zeigt, dass diese rechten Positionen auch von der Linkspartei unterstützt werden. Seit Beginn der Corona-Pandemie setzen sämtliche Bundestagsparteien die menschenverachtende Durchseuchungspolitik in die Tat um, die Profite vor Menschenleben stellt. Die soziale Ungleichheit hat dadurch beispiellose Höhen erreicht, während fast 80.000 Menschen an Corona gestorben sind. Auch die Massendeportation von Flüchtlingen und die Aufrüstung des Staatsapparats werden von allen Parteien verschärft.
Die Linkspartei spielt in all diesen Bereichen eine zentrale Rolle. Der einzige Ministerpräsident der Partei, Bodo Ramelow, setzt die Öffnungspolitik besonders aggressiv um. Sein Bundesland Thüringen weist deshalb mit 235 Infektionen pro 100.000 Einwohnern den höchsten Sieben-Tage-Inzidenzwert in Deutschland auf. Auch die Koalitionen aus SPD, Grünen und Linkspartei in Berlin und Bremen tragen die Durchseuchungspolitik voll mit.
Auch bei der Deportation von geflüchteten Menschen zeichnet sich Thüringen seit Jahren durch eine der höchsten Abschiebequoten aus und schiebt sogar in Kriegsgebiete wie Afghanistan ab. In allen von der Linkspartei regierten Bundesländern werden Flüchtlinge trotz Corona-Pandemie in unmenschlichen Lagern gehalten und so täglicher Todesgefahr ausgesetzt. In Berlin verabschiedete der rot-rot-grüne Senat ein neues Polizeigesetz, das die Grundlagen eines Polizeistaats legt.
Auf der Grundlage dieser rechten Politik kommt es auch längst zur direkten Zusammenarbeit mit der AfD. Nachdem die Bildung einer Regierungsmehrheit aus CDU, AfD und FDP in Thüringen in ganz Deutschland und international einen Aufschrei ausgelöst hatte, verhalf Ramelow der rechtsextremen Partei mit seiner Stimme zum Posten eines Vizepräsidenten des Landtags. Auf regionaler Ebene war es schon häufiger zu Bündnissen der beiden Parteien gekommen.
Wenn es in der Linkspartei Widerspruch zu Wagenknechts Standpunkten gibt, dann nur, weil sie allzu offen ausspricht, was die Partei jeden Tag in die Tat umsetzt. Die Linkspartei ist integraler Bestandteil der Allparteienkoalition, die Sozialabbau, Durchseuchung und Militarismus gegen die Bevölkerung durchsetzt. Zu diesem Zweck mobilisiert Wagenknecht mit ihrer Hetze den rechten Bodensatz.
Das unterstreicht die Notwendigkeit des Aufbaus der Sozialistischen Gleichheitspartei, die dem Parteienkartell entgegentritt und Arbeiter über alle Grenzen hinweg im Kampf gegen soziale Ungleichheit, Krieg und Faschismus vereint. Die SGP tritt zu den Bundestagswahlen an, um für diese sozialistische Perspektive zu kämpfen.