Mitten in der Pandemie: Deutschland und Frankreich geben Milliarden für neue Kampfjets aus

Deutschland, Frankreich und Spanien verhandeln über ein milliardenschweres Projekt zur Entwicklung eines gemeinsamen europäischen Kampfflugzeugs, das Future Combat Air System (FCAS). Obwohl in Europa mehr als eine Million Menschen wegen der Politik der „Herdenimmunität“ gestorben sind und angeblich kein Geld für eine wissenschaftlich fundierte Politik der sozialen Distanzierung vorhanden ist, geben sie dennoch Hunderte Milliarden Euro für ihre Kriegspläne aus.

Am Montag kündigte der französische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Joël Barre, an, dass noch diese Woche ein endgültiges Abkommen über das FCAS zustande kommen könnte. Am 6. April wurde bereits ein Finanzierungsdeal zwischen Airbus und Dassault über das FCAS angekündigt. Airbus, die französischen Rüstungskonzerne Dassault und Thales und mehrere Subunternehmen in ganz Europa sind die wichtigsten am FCAS teilnehmenden Firmen, das vermutlich bis 2040 das Kampfflugzeug Rafale von Dassault und den Eurofighter von Airbus ablösen wird.

Eine Dassault Rafale der französischen Luftwaffe (Wikimedia Commons)

Letzten Monat diskutierte die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer bei einem Treffen mit ihrer französischen Amtskollegin Florence Parly über das FCAS-Programm. Gleichzeitig gibt es Berichte, dass die Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel die Finanzierung des FCAS-Programms möglichst vor der Bundestagswahl im Herbst abschließen will.

Kramp-Karrenbauer erklärte, das Programm befinde sich in „einer sehr entscheidenden Phase“. Sie deutete an, dass einige abschließende Punkte, wie die Entwicklung der Motoren, noch geklärt werden müssten. Die Politiker würden erwarten, dass die Industrie gemeinsam eine fähige Grundlage für die nächsten Schritte des Projekts finden wird, die für sie akzeptabel ist, so Kramp-Karrenbauer.

Allerdings bestehen immer noch Spannungen, da die deutschen und französischen Gewerkschaften darum kämpfen, welche Modelle und welche Fabriken den größten Anteil am Bau des Kampfflugzeugs haben sollen.

Parly bezeichnete das FCAS als ein „vor allem politisches Projekt“ und erklärte: „Vor allem Frankreich und Deutschland haben den Willen, unserem Militär das Beste zu geben und ein europäisches Verteidigungsprogramm aufzubauen, das beide Länder anstreben. Wir beide denken das Gleiche: Wir brauchen eine Einigung bis Ende des Monats.“

Das FCAS, das vermutlich bis 2040 einsatzbereit sein wird, ist ein massives Investitionsprogramm für den Bau von Kampfflugzeugen, Drohnen, Kampftechnologie unter Einsatz von Cloud-Computing und sicheren Kommunikationssystemen. Es wurde im Jahr 2017 bei einem Treffen zwischen den französischen und deutschen Verteidigungsministerien beschlossen. Die Kosten sollen zu gleichen Teilen zwischen Paris und Berlin aufgeteilt werden. Die Schätzung der Gesamtkosten liegt zwischen 100 Milliarden Euro und – laut einem aktuellen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – bis zu 500 Milliarden Euro.

Das Programm basierte von Anfang an auf einer massiven Erhöhung der Militärausgaben, die von der EU durch eine Verschärfung des Austeritätskurses zu Lasten der Arbeiterklasse und umfassende Kürzungen der Sozialausgaben finanziert werden soll. Nach dem Regimewechsel in der Ukraine 2014, der von der Nato unterstützt wurde, forderte das Militärbündnis seine Mitgliedsstaaten auf, ihre Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen.

Mitten in der Pandemie basiert diese Aufrüstung jetzt auf der „Herdenimmunitäts“-Politik der EU. Berlin und Paris behaupten, für soziale Distanzierungsmaßnahmen gebe es kein Geld, stattdessen sollten die Steuergelder für massive Militärprogramme und die Banken- und Konzernrettungspakete der EU in Höhe von zwei Billionen Euro aufgewendet werden. Trotz des Wirtschaftszusammenbruchs in Folge ihrer Reaktion auf die Pandemie weigert sich die EU mit diesen Argumenten nicht nur, die Militärausgaben zu kürzen, sie erhöht sie sogar rapide.

Berlin und Paris sind für eine EU-Gesundheitspolitik verantwortlich, die in Europa zu mehr als einer Million Toten und zur Überlastung der Krankenhäuser geführt hat. Laut offiziellen Statistiken hat Frankreich mit 5,7 Millionen die meisten Covid-19-Fälle in Europa, gefolgt von Deutschland mit 3,4 Millionen. In Frankreich und Deutschland sind mehr als 105.000 bzw. 84.000 Menschen an Covid-19 verstorben.

Gleichzeitig verzeichnete Deutschland mit 53 Milliarden Euro seine bisher höchsten Militärausgaben. Trotz des massiven Rückgangs des BIP aufgrund der Pandemie stellt Frankreich 2,1 Prozent bzw. 49,7 Milliarden Euro für den Verteidigungshaushalt zur Verfügung. Das Militäretatgesetz für die Jahre 2019–25 veranschlagte für die Streitkräfte im Jahr 2019 18 Milliarden Euro mehr als im Jahr 2017. Letztes Jahr erklärte Parly, das Investitionsbudget fürs Militär für die Jahre 2019 bis 2023 werde eine Gesamtsumme von 110 Milliarden Euro erreichen.

Diese Ausgaben wurden von einer verstärkten Kampagne begleitet, die EU zu einem aggressiven Militärbündnis auszubauen. Im Jahr 2018 betonte der französische Präsident Emmanuel Macron angesichts der Massenproteste der „Gelbwesten“ gegen soziale Ungleichheit, Europa müsse auf einen Krieg gegen Russland, China und die USA vorbereitet sein. Die französischen und deutschen Medien waren voll mit Artikeln, die diese Argumente verbreiteten.

Im Jahr 2019 warnte die Deutsche Welle (DW), wenn die EU nicht gemeinsam handele, sei sie den Launen anderer Weltmächte ausgeliefert. Weiter hieß es, der EU drohe die technologische Abhängigkeit in militärischen und industriellen Bereichen. Damit sei die Zusammenarbeit nicht nur eine Option, sondern eine Notwendigkeit.

Letztes Frühjahr, in den ersten Wochen der Pandemie, stellte Le Monde eine Verbindung zwischen einer aggressiven Außenpolitik und der Durchseuchungspolitik der EU her. Sie verurteilte die „China-zentrierte Globalisierung“ und äußerte sich zustimmend über Trumps Ablehnung von Masken und sozialen Distanzierungsmaßnahmen. Sie erklärte begeistert, die Trump-Regierung habe mit ihrer Politik „die Wirtschaft priorisiert“ und einen Teil der Bevölkerung geopfert, um China das Feld nicht zu überlassen.

Jetzt nehmen die EU-Mächte Millionen von Covid-Toten in Kauf und erklären, dass alle Corona-Maßnahmen beendet werden müssen, während sie gleichzeitig ihre Pläne für einen offenen Krieg zwischen Atommächten intensivieren. Tatsächlich erklärte der französische Generalstabschef Thierry Burkhard vor Kurzem gegenüber dem britischen Economist, Frankreich müsse seine Landstreitkräfte „abhärten“, die momentan in einem blutigen Krieg in Mali kämpfen: „Wir müssen uns unbedingt auf eine gefährlichere Welt vorbereiten.“

Beispielhaft für die Art von Konflikten, die in Erwägung gezogen werden, ist die Operation Orion, eine für 2023 geplante Übung des französischen Militärs, das die Streitkräfte auf hochintensive Kriegsführung gegen andere Großmächte vorbereiten soll. Momentan deuten Berichte darauf hin, dass französische Streitkräfte in Divisionsstärke (etwa 25.000 Soldaten) sowie britische, belgische und US-Truppen an der Übung beteiligt sein könnten.

Le Nouvel Economiste veröffentlichte vor Kurzem einen Artikel über Operation Orion und erklärte, sie sei Teil einer „allgemeinen Umgestaltung“ des französischen und europäischen Militärs.

Weiter hieß es: „Das Gespenst hochintensiver Kriegsführung ist heute im Denken des französischen Militärs so weit verbreitet, dass dieses Szenario ein eigenes Akronym hat: HSK oder Hypothetischer Schwerer Kriegsfall [HEM, hypothèse d’engagement majeur]. Mögliche Gegner werden dabei nicht genannt, allerdings richtet er sich nicht nur gegen Russland, sondern auch gegen die Türkei oder ein nordafrikanisches Land. Französische Generäle glauben, sie hätten zehn Jahre Zeit, um sich vorzubereiten. Arbeitsgruppen befassen sich laut einem Teilnehmer mit allen potenziellen Problemen, von Waffenknappheit über sozialen Widerstand bis hin zu der Frage, ob die Bürger ,bereit sind, Verluste zu akzeptieren, wie wir sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen haben‘.“

Diese Berichte verdeutlichen die dringende Notwendigkeit einer internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse in ganz Europa und weltweit gegen die Politik der „Herdenimmunität“ der kapitalistischen Regierungen und den aggressiven Kurs der imperialistischen Mächte auf einen Dritten Weltkrieg.

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