Nato-Manöver Defender 2021 zielt auf Russland

Die Vereinigten Staaten und die ganze Nato setzen ihre Bemühungen zur Einkreisung und Unterwerfung Russlands fort. Seit der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Pakts im Jahr 1991 dehnt die Nato ihren Einfluss auf einen Großteil Osteuropas immer weiter aus. In diesem Kontext findet gegenwärtig die riesige Nato-Militärübung „Defender 2021 Europe“ statt.

Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth mit sieben Hubschraubern an Bord, Marinestützpunkt Portsmouth. 1. Mai 2021 (Foto: WSWS media)

Seit März hat die Nato über 28.000 Soldaten aus 26 verbündeten Nationen zusammengezogen, um für den Krieg zu üben.

Als „Gastland“ spielt Deutschland dabei eine zentrale Rolle. „Aufgrund der geostrategischen Lage Deutschlands im Herzen Europas ist die Bundesrepublik regelmäßig Transitland und Drehscheibe für militärische Transporte und Bewegungen unserer alliierter Partner“, so ein Sprecher des Streitkräftebasis-Kommandos (KdoSKB).

Strategische Militärdepots (Army Prepositions Stocks) in Deutschland, Italien und den Niederlanden schickten Vorräte an schweren Waffen per Binnenschiff, Bahn und in Konvois zu Stellungen im gesamten europäischen Raum. Das Ziel, so General Christopher Cavoli vom Kommando der US-Armee für Europa und Afrika sei es, „unsere Fähigkeiten an der Seite der Partner unserer Verbündeten in der strategisch wichtigen Balkan- und Schwarzmeerregion zu verbessern“, also vor der Haustür Russlands. Diese Übungen werden bis in den Juni hinein fortgesetzt.

Im letzten Jahr diente das Manöver Defender 2020 der Mobilisierung der US-Nato-Kriegsmaschinerie entlang der nördlichen Korridore Richtung Russland durch Deutschland, Polen und das Baltikum. Defender 2021 nähert sich Russland nun vom Süden und dem Schwarzen Meer her. Es testet die „Interoperabilität“ zwischen den Nato-Streitkräften und bestätigt die Fähigkeit der Transportinfrastruktur, Armeen und schwere Waffen zu bewegen.

Laut einem Faktenblatt des US-Militärs zu Defender-Europe 2021 demonstriert die Übung „unsere Fähigkeit, als strategischer Sicherheitspartner auf dem westlichen Balkan und in der Schwarzmeerregion und gleichzeitig unsere Fähigkeiten in Nordeuropa, im Kaukasus, in der Ukraine und in Afrika zu erhalten“. Unter den „teilnehmenden Ländern“ sind auch die Nicht-Nato-Mitgliedsstaaten Ukraine und Georgien aufgelistet.

Übungsplan für Steadfast Defender 2021 (Credit: NatoNews Screen capture)

Dies ist äußerst provokativ. Das größte Manöver in Europa seit dem Ende des Kalten Krieges schließt zwei Länder ein, die kürzlich Russland in Grenzstreitigkeiten angegriffen haben, bei denen sie von der Nato unterstützt wurden: Georgien in einem kurzen Krieg 2008, und die Ukraine nach dem Putsch 2014.

In diesen Tagen testet die Nato mehrere Raketensysteme live in der Übungsanlage in Tapa, Estland, kaum 200 km von Russlands Ostseehafen und seiner zweitgrößten Stadt St. Petersburg entfernt. Im griechischen Alexandroupoli kommen Marineoperationen Russlands Zugangsroute zum Mittelmeer in die Quere. Und in Rumänien und Bulgarien werden am Schwarzen Meer, gegenüber dem russischen Marinestützpunkt Sewastopol auf der Krim, Nacht- und Luftlandeoperationen durchgeführt.

Die US-Nato-Manöver waren bereits lange vor Beginn von Defender 2021 in vollem Gange. Im März begleiteten deutsche und italienische Kampfjets die Einsätze von atomwaffenfähigen strategischen Bombern vom Typ B-1B vom norwegischen Luftwaffenstützpunkt Ørland aus über das Baltikum und der russischen Grenze entlang. Gleichzeitig simulierten französische und spanische Kampfjets, die vom rumänischen Küstenflugplatz Konstanza starteten, Angriffe auf Kriegsschiffe im Schwarzen Meer.

„Die Ostseeregion und das Schwarze Meer sind für die Allianz von strategischer Bedeutung“, sagte Nato-Sprecherin Oana Lungescu. Sie stellte Russland in den Kriegsanstrengungen der USA und der Nato als den Aggressor hin. Lungescu behauptet, die Manöver dienten der „Abschreckung gegen Aggression, sowie der Verhinderung von Konflikten und der Bewahrung des Friedens“.

Logo für Steadfast Defender 2021 (Credit: NatoNews Screen capture)

Eine ehrlichere Darstellung der Nato-Pläne liefert ein Strategiepapier von General a.D. Ben Hodges vom Mai 2020. In dem Papier mit dem Titel „One Flank, One Threat, One Presence“ (Eine Flanke, eine Bedrohung, eine Präsenz) legt der ehemalige Befehlshaber der US-Armee in Europa Pläne dar, um in der Ostsee und im Schwarzen Meer „die Initiative zu gewinnen“. Er erklärt, wie die Nato die strategische Vorherrschaft im Schwarzen Meer erlangen könnte, indem sie Russland eine „Seeverweigerung“ auferlegen und die „Kontrolle über das Meer“ beanspruchen würde.

Diesem Plan folgt offenbar die Regierung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, die vor kurzem Pläne zur „Rückgewinnung“ der Krim, einschließlich des strategisch wichtigen Schwarzmeer-Marinehafens in Sewastopol von Russland, veröffentlicht hat.

Dieser Hafen bietet Russland nicht nur Zugang zum Mittelmeer, sondern ist auch das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte. Es überrascht nicht, dass im Jahr 2014, als Deutschland und die USA einen Putsch in der Ukraine unterstützten, Russland diesen Hafen schützte und die Krim übernahm, deren Bevölkerung zuvor für den Wiederanschluss an Russland gestimmt hatte. Jeder Versuch, die Krim gewaltsam „zurückzuerobern“, würde zwangsläufig einen Angriff auf die russischen Streitkräfte bedeuten – also einen Krieg mit Russland.

Im März forderte Washington die Türkei offiziell auf, zwei US-Kriegsschiffen die Durchfahrt durch den Bosporus zum Schwarzen Meer zu gewähren. Dies provozierte massive Drohungen aus Russland. Dessen stellvertretender Außenminister Rjabkow erklärte: „Wir warnen die Vereinigten Staaten, dass es für sie besser wäre, sich weit von der Krim und unserer Schwarzmeerküste fernzuhalten. Es wird zu ihrem eigenen Besten sein.“

Washington blies daraufhin den Einsatz ab. Am 16. April berichtete die russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, dass koordinierte russische Marine- und Luftwaffenübungen die Schwarzmeergewässer um die Krim bis Oktober sperren würden. Nichtsdestotrotz hat der Nato-Mitgliedsstaat Großbritannien angekündigt, Kriegsschiffe in das Gebiet zu entsenden.

Während Defender Europe den Kampf an Russlands Westfront trainiert, hält Washington parallel Manöver an Russlands Ostgrenzen ab. An den Defender-Pacific-Übungen, die sich sowohl gegen Russland als auch gegen China richten, sind neben der US Air Force, der Navy und den Marines auch die japanische Air Self-Defence Force und die australische Luftwaffe beteiligt. Im Januar kündigte die US-Armee die Bildung einer „Arctic Multi-domain Task Force“ an, die die Einkreisung Russlands im Norden vorantreiben soll.

In diesem Jahr wurde die „Quad“ ins Leben gerufen, ein halbmilitärisches Bündnis aus Japan, Australien, Indien und den USA, das sich speziell gegen China, aber auch gegen Russland richtet.

Man stelle sich einmal die entrüstete Reaktion Washingtons vor, wenn ein „strategischer Konkurrent“ Manöver in Reichweite zu den US-Küsten abhalten würde. Dagegen lassen die westlichen Medien die größte Mobilisierung der Nato seit Ende des Kalten Krieges weitgehend unbemerkt passieren. Stattdessen sind ihre Seiten voll mit reißerischer, irreführender und meist unbegründeter antirussischer Propaganda. Jeder militärische oder diplomatische Schritt der USA und ihrer Nato-Verbündeten gegen Russland wird ausnahmslos von einer Medienkampagne begleitet, die Russland als den Aggressor darstellt.

Die militärischen Spannungen steigen im Einklang mit einer ständigen Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen. Russland rief seinen Botschafter in den USA zurück, was normalerweise der letzte Schritt vor dem Ausbruch eines Krieges ist. Präsident Biden hatte zuvor den russischen Präsidenten Putin öffentlich einen „Killer“ genannt.

Die Biden-Administration folgt dem Muster der erbitterten Konfrontation mit Russland und China, das zuvor schon die Trump- und die Obama-Administration verfolgten. Diese Linie unterstützen Politiker beider Parteien des amerikanischen Großkapitals, ungeachtet ihrer oft bitteren taktischen Differenzen. Auch hinter den wachsenden Spannungen zwischen den USA und China stehen strategische Erwägungen, da Washington auf Chinas schnelles Wirtschaftswachstum reagiert. Die aggressive US-Politik in diesem Bereich, die Obama mit seinem „Pivot to Asia“ von 2011 offen ausgesprochen hatte, setzt sich heute in dem wachsenden Konflikt mit China um Taiwan fort.

Zwar verdient die kapitalistische Oligarchie in Moskau, die 1991 aus der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion durch das stalinistische Regime hervorging, keinerlei aktive Unterstützung. Aber die Bezeichnung Russlands als Aggressor in dieser geostrategischen Rivalität stellt die Realität auf den Kopf.

Die treibende Kraft hinter der wachsenden Kriegsgefahr sind die imperialistischen Nato-Mächte. Washingtons Versuch, seine schwankende Welthegemonie zu verteidigen, hat die Bühne für einen historisch beispiellosen Konflikt bereitet. Ein Weltkrieg, der auf moderner Militärtechnologie basiert, würde das Überleben der Menschheit bedrohen. Er kann nur durch die unabhängige Mobilisierung der Arbeiterklasse in einer internationalen Antikriegsbewegung auf der Grundlage eines sozialistischen Programms gestoppt werden.

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