Treffen zwischen Biden und Putin: USA wollen Spannungen lockern und Kampagne gegen China verschärfen

Am Mittwoch endete das Gipfeltreffen zwischen US-Präsident Joseph Biden und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Beide Staatsoberhäupter erklärten, der Dialog sei „gut“, „positiv“ und „sehr konstruktiv“ verlaufen. Es scheint, als versuche Washington angesichts des verschärften Kriegskurses gegen China, die Spannungen mit dem Kreml zu lockern.

US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin trafen sich am 16. Juni 2021 in der 'Villa la Grange' in Genf. (AP Photo/Patrick Semansky)

Das letztliche Ziel dieses Vorhabens – dessen Erfolg sehr fraglich ist – wäre es, Moskau vom Ausbau seiner wirtschaftlichen, politischen und militärischen Beziehungen zu Peking abzubringen, um China in Vorbereitung eines Krieges zu isolieren. Die Diskussionen fanden direkt nach den Gipfeltreffen der G7 und der Nato statt, auf denen China als Hauptziel des Weltimperialismus identifiziert wurde.

Biden und Putin erklärten am Mittwoch auf separaten Pressekonferenzen, sie hätten innerhalb des mehr als zweistündigen Treffens über zahlreiche Themen gesprochen, darunter Atomabkommen, den Konflikt in der Ukraine, Konkurrenz in der Arktis, Cybersicherheit, Menschenrechte und wirtschaftliche Beziehungen. Sie nannten zwar nur wenige Details, stellten aber weitere Diskussionen auf höchster Ebene in Aussicht, um die „strategische Stabilität“ wieder herzustellen. Auch die Beziehungen auf Botschafterebene sollen wieder hergestellt werden, die im März abgebrochen wurden, nachdem Biden Putin als „Killer“ bezeichnet hatte. Der New START-Vertrag soll bis 2024 verlängert werden. Es wird bilaterale Arbeitsgruppen geben, die sich mit Fragen wie Rüstungskontrolle und Angriffen mit Ransomware(Erpressungstrojanern) befassen sollen.

Was die Ukraine betrifft, so wurde die Krim mit keinem Wort erwähnt, obwohl die USA und Europa Russland vorgeworfen haben, die Halbinsel im Schwarzen Meer rechtswidrig besetzt zu haben. Zudem verpflichteten sich beide Seiten, die Minsker Protokolle von 2014 und 2015 umzusetzen, die die Grundlage für eine Verhandlungslösung bezüglich des Status des Donbass schaffen sollten. Die Region im Osten der Ukraine wird seit dem rechtsextremen, von den USA unterstützten Putsch in Kiew 2014 von pro-russischen Separatisten kontrolliert.

Die ukrainische Regierung, die seit kurzem Truppen und Kriegsgerät in das umstrittene Gebiet verlegt und ihre Absicht erklärt hat, die Krim gewaltsam zurückzuerobern, hat die Umsetzung des Minsker Abkommens mehrfach abgelehnt. Bereits bevor sich Biden am Mittwoch hinter das Minsker Abkommen stellte, hatte er vor dem Gipfeltreffen erklärt, Kiew sei „noch nicht bereit“ für die Nato-Mitgliedschaft, um die sich das Land hysterisch beworben hatte. Nach Washingtons jahrelanger schriller Rhetorik über Moskaus „Verletzungen“ der ukrainischen Souveränität scheinen das Land und seine extrem nationalistische Regierung im Interesse größerer geopolitischer Ziele an den Rand gedrängt worden zu sein – zumindest vorübergehend.

Biden wurde von Reportern mehrfach dazu gedrängt, sich feindselig über seinen russischen Amtskollegen zu äußern und zu erklären, dass die USA „militärische Konsequenzen“ im Falle neuer angeblicher Cyberangriffe angedroht hätten. Allerdings erklärte er nur, es seien „keine Drohungen“ ausgesprochen worden und der Kreml habe „Hilfe“ im Zusammenhang mit Afghanistan, dem Iran und Syrien angeboten. Auch über den vielgerühmten „pro-demokratischen“ Oppositionellen Alexei Nawalny wurde vergleichsweise wenig gesprochen, obwohl Biden durchblicken ließ, dass es schlecht wäre, wenn dieser sterben würde.

Die US-Reporter bei Bidens Pressekonferenz schienen ernsthaft enttäuscht, dass Biden nicht nach Blut lechzte. Viele Vertreter der US-Medien und des herrschenden Establishments hatten von Trumps Nachfolger einen härteren Kurs gegenüber Moskau erwartet.

Ein taktischer Kurswechsel in Washingtons Beziehung mit Russland wird sowohl im In- als auch im Ausland Konflikte provozieren. Einen ersten Eindruck davon konnte man am Mittwoch erhalten. Direkt nach Putins Pressekonferenz erklärte der EU-Außenpolitikbeauftragte Josep Borrell: „Wir glauben, dass eine erneuerte Partnerschaft, die es uns erlaubt, das volle Potenzial einer engen Kooperation mit Russland auszuschöpfen, noch ein weit entferntes Ziel ist.“ Weiter erklärte er, die EU rechne mit einer „weiteren Verschlechterung unserer Beziehungen [zu Moskau].“

Unabhängig davon, welches taktische Manöver Washington durchführen will, hat es auch seine Bereitschaft zu einem Angriff auf Moskau deutlich gemacht. Biden warnte Putin, seine „weltweite Glaubwürdigkeit“ würde sich verringern, falls er sich nicht an „internationale Normen“ halte, und drohte mit „Konsequenzen“. Weiter erklärte er, die USA hätten immense Kapazitäten zur Cyberkriegsführung und verwies vor allem auf die Anfälligkeit von Russlands Ölindustrie.

Putin verwies auf die US-amerikanische Unterstützung für Organisationen, die in Russland angeblich „Demokratie“ fördern, und stellte fest, dass sie in Wirklichkeit kaum mehr als Marionetten der US-Außenpolitik seien. Während er die Tatsache herunterspielte, dass Biden ihn noch vor kurzem einen Mörder und Feind der Menschenrechte genannt hatte, führte Putin die Polizeimorde in den USA, den Tod unschuldiger Zivilisten bei Drohnenangriffen, die Existenz von CIA-Geheimgefängnissen und den Fortbestand von Guantanamo Bay als Beispiele für amerikanische Heuchelei in der Frage der Menschenrechte auf.

Hinter der Fassade der Herzlichkeit, die beide Staatschefs am Mittwoch auszustrahlen versuchten, verbergen sich scharfe Spannungen. Während des Treffens führte die Nato die bisher größten Militärübungen durch, die sich ausdrücklich gegen Russland richteten. Die USA haben ihre Militärpräsenz in der Ukraine, dem Schwarzen Meer und der Arktis ausgebaut, die Biden-Regierung veröffentlichte im Mai einen Haushaltsplan, der Militärausgaben in Rekordhöhe vorsieht. Russland gab vor kurzem die Schaffung von zwanzig neuen Anti-Nato-Divisionen bekannt, die an der Westgrenze stationiert werden sollen. Diesen Sommer hat es außerdem die Einsatz- und Kampfbereitschaft seiner Boden-, Luft- und Seestreitkräfte überprüft.

Am Mittwoch erklärte der US-Präsident, einige hätten damit gerechnet „dass Biden die Invasion Russlands verkündet“ – womit er unbeabsichtigt enthüllte, welch reale Gefahr eines Krieges den Gipfel umgab. Russland befindet sich weiterhin im Fadenkreuz des US-Imperialismus, ganz gleich, ob in der Form eines direkten militärischen Konflikts, dem Einsatz von ethnischen und nationalen Differenzen zur Zersplitterung des Landes, dem Schüren von internen Konflikten – oder allen drei Optionen. Die USA betrachten die Vorherrschaft Russlands über einen großen Teil der eurasischen Landmasse als unzumutbare Begrenzung der Gier des US-Imperialismus.

Doch wie sich auf dem G7-Gipfel gezeigt hat, breitet sich zunehmend die Ansicht aus, dass China das erste Ziel von Amerikas Kriegskurs sein muss. Die Wuhan-Lab-Theorie, die in den letzten zwei Monaten in den Mittelpunkt der Außenpolitik der USA und der europäischen Staaten gerückt ist, soll die Grundlage für das Argument schaffen, dass Peking für Millionen Todesopfer verantwortlich ist. Zuvor war China bereits jahrelang vorgeworfen worden, seine Währung zu manipulieren, gegen internationale Handelskonventionen zu verstoßen, die Kontrolle über die Seewege Ostasiens anzustreben, Menschenrechtskonventionen zu verletzen, und vieles mehr.

In Washington existieren beträchtliche Bedenken, dass die USA keinen Zweifrontenkrieg führen können. Die Stärkung der Beziehungen zwischen Moskau und Peking, die die USA mit ihrer antirussischen Kampagne ausgelöst haben, gibt Anlass zur Befürchtung, dass der US-Imperialismus sich zu viel zugemutet haben könnte.

Die herrschende Klasse Russlands wiederum ist tief gespalten über die Frage, wie sie auf den innerimperialistischen Konflikt reagieren soll, in dem sie sich verfangen sieht. Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Kremls gibt es Streitigkeiten über die Beziehungen des Landes mit China und den USA. Russland wird von seinem viel größeren Nachbarn in allen Aspekten in den Schatten gestellt. Putin hat jahrelang eine freundschaftlichere Beziehung mit den USA angestrebt und trotz der immer schärferen Spannungen mit Washington stets von seinen „Freunden“ auf der anderen Seite des Atlantiks gesprochen.

Biden selbst identifizierte die Krise, in der sich Moskau befindet. Auf die Frage, ob sich ein neuer „kalter Krieg“ zwischen den USA und Russland anbahne, antwortete er, Russland habe „eine mehrere tausend Meilen lange Grenze zu China. China macht Fortschritte – dabei, die stärkste Volkswirtschaft der Welt zu werden“, doch Russlands „Wirtschaft ist in Schwierigkeiten“. „Ich glaube nicht, dass Putin einen kalten Krieg gegen die USA anstrebt.“

Unabhängig davon, was irgendjemand „anstrebt“, hat der Krieg seine eigene Logik. Trotz aller taktischen Wendungen ist es klar, dass die Versuche der amerikanischen herrschenden Klasse, ihre schwindende globale Vormachtstellung zu verteidigen, die Welt mit der Gefahr eines gigantischen Flächenbrands bedrohen.

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