Sahra Wagenknecht verfüge über eine hohe Popularität, fülle die Marktplätze und erreiche viele Menschen über soziale Medien, sagte die Linken-Vorsitzende Janine Wissler am Sonntagabend im ZDF-Sommerinterview.
„Das ist gut, das müssen wir für die Partei natürlich nutzen“, fügte sie hinzu. Wagenknecht vertrete das Parteiprogramm der Linken und sage „viele, sehr viele Sachen, die total notwendig und richtig sind“.
Was Wagenknecht sagt und vertritt, zeigt ihr jüngstes Buch „Die Selbstgerechten“, das wir auf der WSWS ausführlich besprochen haben. Es ist eine völkisch-nationalistische Hetzschrift, die gegen Kosmopolitismus und Weltoffenheit zu Felde zieht, für Protektionismus und einen starken Staat eintritt und Migranten und Flüchtlinge als Lohndrücker, Streikbrecher und kulturfremde Elemente denunziert. Das Buch ist inzwischen dank der intensiven Gratiswerbung sämtlicher Medien zum Bestseller avanciert.
Dass Wissler Wagenknecht trotzdem in den höchsten Tönen lobt, zeigt den wahren Charakter der Linkspartei, an der außer dem Namen nichts links und schon gar nichts sozialistisch ist.
Wissler, die im Februar zusammen mit Susanne Hennig-Wellsow zur neuen Parteivorsitzenden gewählt wurde und gemeinsam mit Dietmar Bartsch als Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl antritt, wird in den Medien oft als Sozialistin oder gar als Trotzkistin bezeichnet. In Wirklichkeit ist sie nichts dergleichen.
Das zeigte schon ihr Auftritt am Sonntagabend. Von ZDF-Redakteurin Shakuntala Banerjee gefragt, ob sie „Kommunistin“ sei, wand sie sich wie ein Regenwurm. Sie sei „Sozialistin“, antwortete sie, und stellte sofort klar, dass sie darunter lediglich die mildesten Sozialreformen versteht, zu denen sich auch alle anderen Parteien in Worten bekennen: „Niemand sollte hungern.“
Auf die Frage, ob sie die Banken verstaatlichen wolle – das Interview fand auf einer Dachterrasse vor der Kulisse der Frankfurter Bankentürme statt –, antwortete Wissler mit einem indirekten, aber unmissverständlichen Nein. Notwendig sei „eine stärkere Regulierung“.
Mit einem Video aus dem Jahr 2011 konfrontiert, in dem sie sich als Unterstützerin der ägyptischen Revolution präsentiert, erwiderte sie, selbst der damalige deutsche Außenminister Guido Westerwelle (FDP) habe den Aufstand auf dem Tahrir-Platz begrüßt. Wisslers Schulterschluss mit dem Auswärtigen Amt sagt alles über die Rolle der Linkspartei. Tatsächlich hat sie in Ägypten konterrevolutionäre Kräfte unterstützt, die die Massenproteste hinter das Militär gelenkt haben und teilweise bis heute die brutale Repression des Regimes verteidigen.
Auch Wisslers routinemäßige Distanzierung von Auslandeinsätzen der Bundeswehr bedeutet keineswegs, dass sie solche Einsätze grundsätzlich ablehnt. „Natürlich reden wir über jeden einzelnen Einsatz“, sagte sie auf Nachfrage Banerjees.
Wissler gehörte über zwanzig Jahre lang der Gruppierung Marx 21 und deren Vorgängerin Linksruck an, die darauf spezialisiert waren, unter dem Deckmantel pseudolinker Phrasen die rechteste Politik zu verteidigen. Sie waren Teil der International Socialist Tendency, deren Begründer Tony Cliff bereits in den 1940er Jahren mit dem Trotzkismus gebrochen hatte. Cliff vertrat die Auffassung, dass die Sowjetunion kein stalinistisch degenerierter Arbeiterstaat, sondern ein „staatskapitalistisches“ Land sei, und weigerte sich, sie gegen imperialistische Angriffe zu verteidigen.
Seit Linksruck, das nur aus einigen Dutzend Mitgliedern bestand, sich 2007 als Netzwerk Marx 21 in der Linkspartei auflöste, spielen seine Mitglieder eine Schlüsselrolle dabei, deren rechte Politik voranzutreiben. Drei – Christine Buchholz, Nicole Gohlke und Hubertus Zdebel – sitzen im Bundestag. Buchholz ist seit zwölf Jahren Mitglied im Verteidigungsausschuss und besucht regelmäßig im Ausland stationierte Truppen.
Wissler selbst zog 2008 in den hessischen Landtag ein, wo sie mit SPD und Grünen ein Tolerierungsabkommen für eine rot-grüne Minderheitsregierung vereinbarte. Es scheiterte schließlich an der Sabotage einiger SPD-Abgeordneter. 2018 versuchte sie erneut, ein Regierungsbündnis mit SPD und Grünen zu schmieden. Das ist auch ihr erklärtes Ziel für die Bundestagswahl im September.
Marx 21 hat die imperialistische Intervention in Syrien unterstützt, den rechten Putsch in der Ukraine 2014 als „demokratische Revolution“ gefeiert und seitdem intensiv für einen pro-westlichen Regimewechsel in Russland geworben.
Die Linkspartei steckt in einer tiefen Krise. Hatte sie bei der Bundestagswahl 2017 mit 9,2 Prozent noch knapp vor den Grünen gelegen, erreicht sie jetzt in den Umfragen nur noch zwischen 7 und 8 Prozent. Selbst ihr Einzug in den Bundestag ist gefährdet, wenn der Niedergang anhält und sie unter die Fünf-Prozent-Hürde rutscht. Im Juni verlor sie bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt fast die Hälfte ihrer Wähler. Ihre rechte Politik als Regierungspartei in mehreren Bundesländern hat ihren Ruf als soziale Alternative ruiniert.
Unter diesen Umständen wurde Wissler an die Spitze der Partei berufen, um den abgeblätterten linken Lack noch einmal aufzufrischen, während die Partei weiter nach rechts driftet. Das ist ihr nicht gelungen. Die verheerenden Folgen der Corona-Politik, die weltweit über 4 Millionen und in Deutschland über 90.000 Tote gefordert hat, die Angriffe auf Löhne und Arbeitsplätze und der wachsende Widerstand der Arbeiterklasse dagegen machen es unmöglich, die rechte Politik der Linkspartei weiter zu verschleiern.
Wer gegen soziale Ungleichheit, Krieg und Rechtsextremismus kämpfen will, muss den Bundestagswahlkampf der Sozialistischen Gleichheitspartei unterstützen, die als einzige Partei für ein sozialistisches Programm zur Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse eintritt.