„Jünger, kränker, schneller”: Angesichts steigender Zahlen von jungen Patienten in US-Krankenhäusern plädieren Ärzte für Impfungen

Die weltweite Ausbreitung der Delta-Variante des Coronavirus sorgt dafür, dass immer mehr junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren intubiert werden und dem Virus erliegen. Dies betrifft vor allem die ärmsten Bundesstaaten im Süden der USA, wo die Zahl der Impfungen am niedrigsten ist. Ärzte beschreiben dieses neue Stadium der Pandemie mit den Worten „jünger, kränker, schneller.“

In vielen Bundesstaaten werden täglich Infektionsrekorde gebrochen, doch Florida ist das Epizentrum der Krise im Süden. Florida vermeldete am Samstag 23.903 neue Fälle von Covid-19 innerhalb von 24 Stunden, womit die Gesamtzahl auf 2.725.450 stieg. Die Florida Hospital Association vermeldete am Samstag mit 13.348 Patienten einen Höchststand der Rate an Krankenhauseinweisungen in diesem Bundesstaat.

Laut Zahlen der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) sind mehr als 80 Prozent der Menschen zwischen 65 und 74 vollständig geimpft, in der Altersgruppe 18 bis 39 jedoch weniger als die Hälfte. Überall im Süden schießen die Fallzahlen in die Höhe. Der Trend geht in Richtung der Jüngeren, vor allem der 18- bis 49-Jährigen. Diese machen mittlerweile 50 Prozent aller Fälle aus.

Eine Medizinstudentin übt die endotracheale Intubierung an einer Puppe (AP Photo/Aaron Favila)

Ärzte und Gesundheitspersonal in der Region fordern die Bevölkerung nachdrücklich zum Impfen auf. Im Vergleich zu einem früheren Zeitpunkt in der Pandemie, wo die Mehrheit der Todesfälle ältere Menschen waren, erlebt das Gesundheitspersonal jetzt, dass viele junge Menschen in der Blüte ihres Lebens, oftmals Eltern mit jungen Kindern, an dem Virus sterben.

Dr. Brytney Cobia vom Grandview Medical Center in Birmingham (Alabama) schrieb in einem Appell auf Facebook: „Eines der letzten Dinge, die sie vor ihrer Intubation tun, ist, mich um den Impfstoff anzubetteln. ... Ich halte ihnen die Hand und sage ihnen: ,Es tut mir leid, aber dafür ist es zu spät.‘ Ein paar Tage später, wenn ich den Todeszeitpunkt nenne, umarme ich ihre Familienmitglieder und sage ihnen, sie würden das Andenken an ihre Angehörigen am besten in Ehren halten, wenn sie sich impfen lassen und alle ihre Bekannten dazu drängen, es ebenfalls zu tun.“

Cobia erklärt, Patienten und ihre Angehörigen würden ihnen – fassungslos angesichts ihres Verlustes – verschiedene Gründe nennen, warum sie den Impfstoff verweigern: „Sie sagen mir, sie hätten es nicht gewusst. Sie hätten es für einen Schwindel gehalten. Sie haben es für eine politische Sache gehalten. Sie haben gedacht, dass sie nicht krank werden, weil sie eine bestimmte Blutgruppe oder Hautfarbe haben. Sie dachten, es wäre ,nur eine Grippe‘. Aber sie haben sich geirrt und wünschen, sie könnten es rückgängig machen. Aber das können sie nicht.“

Alabama und Mississippi haben landesweit die niedrigsten Impfquoten. Laut Daten der Johns-Hopkins-Universität sind nur 35 Prozent der Einwohner vollständig gegen Covid-19 geimpft.

Eine weitere eindrucksvolle Erklärung hat Dr. Michael Bolding vom Washington Regional Medical Center in Arkansas vor kurzem in einem Facebook-Video veröffentlicht. Er rief die Einwohner von Arkansas eindringlich dazu auf, sich impfen zu lassen, und beschrieb die Zustände in den Krankenhäusern: „Vor kurzem habe ich einen dramatischen Anstieg von ungeimpften 20- bis 30-jährigen Patienten erlebt. Sie kommen nicht in die Notaufnahme, um mit ein bisschen Sauerstoff behandelt zu werden und für einen oder zwei Tage im Krankenhaus zu bleiben. Es sind jüngere gesunde Patienten ohne Vorerkrankungen, die an Beatmungsgeräte, BIPAP-Beatmung, hochkonzentrierten Sauerstoff angeschlossen werden und sehr krank sind.

Ich musste mehrere 20- und 30-jährige Mütter und Väter von Vorschulkindern anrufen und ihnen sagen, dass ihr Ehepartner vielleicht nicht mehr lebend aus dem Krankenhaus kommt. Ich kann nicht in Worte fassen, wie erschöpft Ihre lokalen Krankenhausbetreiber jetzt sind.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass Sie einem jungen Vater oder Mann in die Augen sehen können, der weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat, weil er sich nicht hat impfen lassen, und die Reue und das Bedauern auf seinem Gesicht – und die Angst. Ich kann es Ihnen nicht zeigen, ich kann es nicht beschreiben, es wird mich sicherlich nie mehr loslassen, aber dieser Ausdruck im Gesicht eines Patienten wäre motivierender als alles andere, um sich sofort impfen zu lassen, wenn Sie es nicht bereits getan haben.“

Der Leiter der Gesundheitsbehörde von Alabama, Scott Harris, erklärte gegenüber der Washington Post: „Wir treffen auf sehr viel Misstrauen gegenüber Mitteilungen der Bundesstaatsregierung und der Gesundheitsbehörden, vor allem vonseiten der Medien. ... Es ist ein vielschichtiges Problem. Es gibt viele unterschiedliche Menschen, die viele unterschiedliche Gründe haben, sich nicht impfen zu lassen. Und es ist schwer, im großen Stil dagegen vorzugehen.“

Der Leiter der Notfallmedizin des Saint Francis Health System in Tulsa (Oklahoma), Dr. Ryan Parker, erklärte gegenüber der Tulsa World: „Ich habe oft gehört, ,Ich wollte abwarten, was es für Auswirkungen auf andere hat‘, ,abwarten, ob andere Nebenwirkungen haben‘ und ,es gibt zu viele Unwägbarkeiten‘.“

Dr. Kamran Abbasi erklärte: „Mein jüngster Patient ist 20. Also 20 bis 50 ist momentan eine sehr häufige Altersgruppe, was sehr beängstigend ist. ... Es bricht mir das Herz. Es kommen Leute in die Notaufnahme, und ich nehme sie ins Krankenhaus auf. Sie merken, dass es schlimmer ist, als sie gedacht haben – was auch immer sie über Covid dachten, war falsch. Jetzt sind sie hier und fühlen sich schrecklich und haben Angst.“

Der Vorsitzende des ärztlichen Dienstes und Leiter der internistischen Abteilung des Saint Francis, Dr. Mike Angelidis, betonte: „Es gibt so viel ,erst mal abwarten‘“ und Verwirrung wegen der Nebenwirkungen der Impfstoffe. „Ich versuche, Patienten zu sagen, dass das in vieler Hinsicht anders ist als jeder andere bisherige Impfstoff, und ein Aspekt ist, dass er weiträumig eingesetzt wird. Es gibt so viel Forschung und Daten über diese Impfstoffe. Aber sie haben bereits diese Vorstellungen davon ... Wo bekommen sie ihre Informationen her, und warum haben sie so viel Angst? Es ist sehr frustrierend.“

Abgesehen von den leidenschaftlichen Appellen der Ärzte und Pflegekräfte an der Front äußern sich auch immer mehr Eltern, die ihre Kinder verloren haben.

Christy Carpenter aus Alabama hat ihren 28-jährigen Sohn Curt verloren, der ebenfalls nicht geimpft war. Sie erklärte gegenüber der Washington Post, ihre Familie habe keine Impfung erhalten, weil sie besorgt sei, dass der Impfstoff so schnell verteilt werde. Sie erklärte weiter, ihr Sohn sei vor seiner Infektion gesund gewesen und habe die Pandemie anfangs für einen Schwindel gehalten. Seine letzten Worte waren: „Das ist kein Schwindel, das ist echt.“

Kimberle Jones aus St. Louis (Missouri) verlor ihre 37-jährige Tochter, Erica Thompson, deren drei Jungen im Alter von 8, 11 und 17 Jahren jetzt Waisen sind. Gegenüber KCRG News erklärte sie: „Ich habe miterlebt, wie mein Baby jeden Tag mehr von mir gegangen ist.“ Thompson war insgesamt 50 Tage im Krankenhaus, bevor sie am 4. Juli starb. Jones erklärte: „Der Arzt hat mir im Grunde mitgeteilt, dass sie ans Beatmungsgerät muss, weil sie sonst sterben wird.

Meine Tochter war nicht geimpft, und ich glaube wirklich, wirklich, dass sie noch bei mir wäre, wenn sie geimpft gewesen wäre.“

Der fünffache Vater Michael Freedy (39) hatte sich nach einem gemeinsamen Urlaub mit seiner Verlobten Jessica DuPreez mit dem Virus angesteckt. Er starb letzten Donnerstag im Krankenhaus, nachdem er an ein Beatmungsgerät angeschlossen wurde. Vor seinem Tod schickte er Jessica DuPreez eine herzzerreißende Nachricht aus dem Krankenhaus, in der er erklärte: „Ich hätte die verdammte Impfung machen lassen sollen.“ Freedy hinterlässt fünf Kinder, das jüngste von ihnen ist erst 17 Monate alt.

In Los Angeles starb letzte Woche der 34-jährige Stephen Harmon an Covid-19; nur wenige Wochen zuvor hatte er eine Impfung abgelehnt. Dr. Oren Friedman, der Corona-Patienten im Cedars-Sinai Medical Center behandelt, erklärte gegenüber KCBS-TV, die Zahl der Patienten mit Covid-19 habe sich verzehnfacht, „nahezu alle, die krank genug sind, um aufgenommen zu werden, sind nicht geimpft“.

Friedman fügte hinzu: „Ich kann Ihnen sagen, dass es für die Atemtherapeuten, Pflegekräfte und Ärzte, die in Zimmer gehen und sich um Patienten in diesem Stadium kümmern müssen – und die wissen, dass es vermeidbar gewesen wäre, wenn sich die Leute hätten impfen lassen – ein schreckliches Gefühl von PTBS und Frustration ist.“

Zu den jungen Menschen, die reihenweise in Krankenhäuser eingeliefert werden, gehören nicht nur Erwachsene, sondern auch zahlreiche Kinder, die für eine Impfung noch zu jung sind. In der Woche bis zum 29. Juli meldete die American Academy of Pediatrics einen 84-prozentigen Anstieg der Covid-19-Fälle unter Kindern. Zahlreiche Krankenhäuser verzeichneten eine große Anzahl an Aufnahmen von Kindern und Jugendlichen. Dutzende davon befinden sich in Intensivstationen und an Beatmungsgeräten.

Die britische medizinische Fachzeitschrift The Lancet veröffentlichte vor kurzem einen Bericht, laut dem während der Pandemie 1,5 Millionen Kinder zu Waisen geworden sind. Die derzeitige Sterbewelle ist noch tragischer, da das Virus junge Menschen und Eltern von jungen Kindern in der Blüte ihres Lebens dahinrafft.

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