Flutopfer warten auf dringend notwendige Unterstützung

Fünf Wochen ist es jetzt her, seit Unwetter und Starkregen zu einer der schwersten Flutkatastrophen in Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Belgien führten. Über 220 Tote und dramatische Zerstörungen an Häusern, Betrieben, Natur und Infrastruktur sind zu beklagen.

Die WSWS hat in früheren Artikeln und Statements aufgezeigt, dass die Katastrophe kein unvermeidliches Naturereignis war. Der Tod derart vieler Menschen und die verheerenden Schäden sind eine direkte Folge der kriminellen Untätigkeit der Regierungen auf Bundes- und Landesebene.

Flutkatastrophe: „Die hätten ab 5 Uhr durchfahren können. Dann hätten wir hier keine Toten!“


Als die Bevölkerung von den tödlichen Wassermassen überrascht wurde, waren Regierungen und Behörden längst gewarnt. Doch sie blieben untätig, leiteten keine rechtzeitigen Evakuierungen und Schutzmaßnahmen ein und informierten nicht einmal über die heraufziehende Gefahr.

Auch während und nach der Flut war kaum etwas von staatlichen Hilfsmaßnahmen zu sehen. Dagegen kamen unzählige freiwillige Helfer und Unterstützer, teilweise von weit her, um den betroffenen Opfern der Flutkatastrophe bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Die WSWS berichtete darüber in einer Videoreportage, die über 250.000 Mal aufgerufen wurde.

Bis heute hat sich wenig geändert. Das Bundeskabinett hat zwar gestern einen 30 Milliarden schweren Staatsfonds für die Opfer der Hochwasserkatastrophe auf den Weg gebracht, aber wann und wohin diese Gelder fließen werden, steht in den Sternen. Ob jemals etwas bei den geschädigten Menschen ankommt, ist nach den Erfahrungen mit den Coronahilfen mehr als fraglich.

Der größte Teil soll in den Wiederaufbau der Infrastruktur fließen, der sich aber über Jahre hinziehen kann. Im Ahrtal, das mit 133 Todesopfern und 766 Verletzten am stärksten von der Flutkatastrophe betroffen war, gibt es auch fünf Wochen danach in vielen Haushalten kein Trinkwasser und keinen Strom. Die Reparatur der zerstörten Gasleitungen kann Monate dauern.

Menschen, die mit Gas heizen, werden im Winter keine Heizmöglichkeiten haben, berichtet Bettina, die im Ahrtal einen Gasthof betreibt, der WSWS am Telefon. „Die Bürgersteige wurden sauber gemacht. Die Schlammschicht mit Baggern entfernt. Aber sonst ist fast nichts passiert.” Ein Baumstamm, der vor ihrem Haus angeschwemmt wurde, liege nach wie vor da.

„Großenteils ist man noch mit der Müllbeseitigung beschäftigt. Hier sind Leute vom Landwirtschaftsverband noch vor Ort. Die koordinieren sich selbst. Von der Stadt kümmert sich keiner. Das THW fährt inzwischen herum und kümmert sich um Anschlüsse und Hauselektrik für die Stromversorgung. Wenn diese unter Wasser stand, muss sie erst erneuert werden, bevor der Strom wieder angeschlossen werden kann.“

Bettina berichtet auch, dass in der Gemeinde Rech im Landkreis Ahrweiler ein Privatmann eine Wasseraufbereitungsanlage im Wert von 50.000 Euro aufgestellt habe. Dadurch gebe es sauberes Wasser für die über fünfhundert Einwohner von Rech und für die umliegenden Dörfer. „Alles hängt von Privatinitiativen ab. Das könnte die Regierung ja doch auch machen, überall, wo es nötig ist, Wasseraufbereitungsanlagen und Stromaggregate hinzustellen. In Ahrweiler haben viele noch keinen Strom. Wenn das so weitergeht, sind wir im nächsten Jahr noch dabei, den Müll zu beseitigen.“

Wegen der Zerstörung der Schulen durch das Hochwasser überlegten einige Familien schon wegzuziehen, damit ihre Kinder in die Schule gehen könnten.

Auch die unmittelbare Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und Essen hänge von Hilfsorganisationen und Spenden ab. „Man dachte, in Deutschland sei alles so gut organisiert. Aber das, was wir hier jetzt erleben, gleicht eher einem Entwicklungsland.“

Bettina schildert auch die massiven Zerstörungen in der Stadt Ahrweiler, deren Stadtkern aus vielen Fachwerkhäusern besteht, die unter Denkmalschutz stehen. „Alle alten Häuser und Geschäfte sind zerstört und müssen wahrscheinlich abgerissen werden, obwohl sie unter Denkmalschutz stehen. Es wird wohl niemals wieder so werden, wie es war.“

In Dernau, berichtet Bettina weiter, seien aufgrund des aufgehäuften Mülls schon Ratten gesichtet worden, was die Gefahr der Verbreitung von Krankheiten erhöhe. Auch über die angekündigten Hilfen der Bundes- und Landesregierung ist sie skeptisch: „Keine Ahnung, wie man da drankommt.“

Bettinas Erfahrungen machen deutlich, was von den vollmundigen Versprechen sofortiger Hilfe zu halten ist, die führende Politiker – die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Manuela Dreyer (SPD), NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) – bei Wahlkampfauftritten in den von der Flutkatastrophe betroffenen Gebieten geben. In Wirklichkeit gibt es kaum unmittelbare Unterstützung. Die Betroffenen sind auf sich allein und auf freiwillige Helfer gestellt.

Gegen den Landrat des Kreises Ahrweiler Jürgen Pföhler (CDU) und einen Mitarbeiter seines Krisenstabs hat die Staatsanwaltschaft Koblenz mittlerweile ein „Ermittlungsverfahren wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung und der fahrlässigen Körperverletzung” eingeleitet. Der Landrat hatte – trotz zahlreicher Vorwarnungen und ständig steigender Pegelstände entlang der Ahr – erst um 23 Uhr den Krisenfall ausgerufen. Da war es für Evakuierungen schon zu spät.

Am Dienstag wurde bekannt, dass sich Pföhler „krankheitsbedingt” von seinen Aufgaben als Landrat zurückgezogen habe.

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