Zweiter Bahnstreik der Lokführer

Lokführer und Bahnbeschäftigte haben diese Woche ein zweites Mal bundesweit für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen gestreikt. Im Personenverkehr legte der zweitägige Bahnstreik 70 Prozent des Fernverkehrs und 60 Prozent der regionalen Züge lahm; im Güterverkehr begann der Streik schon am Samstagabend. Am heutigen Mittwoch hat die GDL alle Streiks wieder ausgesetzt.

SGP-Kandidat Thomas Schrödl: "Solidarität mit den Lokführern!"

Diesmal fiel der Streik mit einer Welle von Arbeitskämpfen zusammen. In Berlin traten die Pflegekräfte der Charité und von Vivantes in einen dreitägigen Warnstreik, und hunderte Metallarbeiter von Siemens demonstrierten gegen Arbeitsplatzabbau.

„Wir verstehen sie absolut“, sagte ein Lokführer in Frankfurt zum Charité-Streik. „Sie haben ähnliche Probleme wie wir: Wir sind mit ihnen solidarisch.“ In Berlin sagte ein Lokführer: „Jetzt sieht man, was hier in Deutschland in den Betrieben so abgeht: nur noch Lohndrückerei und Arbeitsverdichtung. Da kriegt man es mit der Angst zu tun. Der Unterschied“, setzte er hinzu: „Wir wehren uns jetzt.“

Im Gegensatz zu den bürgerlichen Medien, die sich in übler Hetze überbieten, fällt deshalb die Reaktion der arbeitenden Bevölkerung auf den Bahnstreik – trotz seiner beschwerlichen Auswirkungen – positiv aus. Die Lokführer bestätigen, dass viele Passanten sagen: „Endlich macht mal jemand was.“

Der Bundestagskandidat der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP), Thomas Schrödl, wies am Münchner Hauptbahnhof darauf hin, dass objektiv die Bedingungen heranreifen, um den Streik auszuweiten und zum Erfolg zu führen. Auch unter Straßenbahn- und Busfahrern, so der erfahrene Trambahnfahrer, stoße der Kampf der Lokführer auf große Unterstützung. „Der Streik muss als Ausgangspunkt genommen werden, um die größtmögliche Mobilisierung gegen die Regierung und die Unternehmen zu erreichen.“

Er machte darauf aufmerksam, dass die GDL eine entgegengesetzte Perspektive vertritt und mit ihrer Forderung von 1,3 Prozent von vorneherein einen Reallohnverlust in Kauf nimmt. „Die GDL sucht einen Deal mit der Regierung“, warnte Schrödl. „Deshalb müssen Arbeiter sich in unabhängigen Aktionskomitees organisieren, den Streik in die eigene Hand nehmen und mit anderen Arbeitern auf der ganzen Welt Kontakt aufnehmen.“

Streikversammlung in München vor der DB-Zentrale. Das Plakat („Hände weg vom Streikrecht!“) richtet sich gegen das Tarifeinheitsgesetz, das Bahn und Regierung jetzt anwenden

Darüber diskutierten Teams der WSWS in mehreren Städten mit den Streikenden.

Zentrale Kundgebungen gab es am Dienstag in Köln und München am jeweiligen Hauptbahnhof. Gleichzeitig versammelten sich auch an den Bahnhöfen Berlin, Frankfurt und anderswo Dutzende streikende Bahnbeschäftigte. Überall sind Lokführer, Zugführer und Zugbegleiter entschlossen, nicht hinzunehmen, dass die Bahn an ihnen ein Exempel statuieren will.

Die Bahn versucht, den Beschäftigten mit einer glatten Nullrunde angesichts der Inflation eine faktische Reallohnsenkung aufzuzwingen. „Wir machen da nicht mit“, sagten Lokführer in Berlin der World Socialist Web Site, „und wenn wir bis Weihnachten streiken müssen.“ „Wir müssten mal für sieben oder acht Prozent streiken“, ergänzte einer. Die Stimmung gehe immer stärker in Richtung unbefristeter Streik.

Lokführer Kai in München

Vor der DB Zentrale in München, wo sich etwa 200 Bahnbeschäftigte versammelt hatten, erklärt Lokführer Kai der WSWS, dass es nicht allein um Lohnerhöhung gehe, sondern auch um bessere Arbeitsbedingungen: „Wir brauchen Planungssicherheit, auch dass die Schichtübergänge moderater gestaltet werden. Das ist der eine Punkt. Der zweite Punkt betrifft die uns zugesagte Betriebsrente. Es ist ein absolutes No-Go, dass man sie einfach streichen will. Unsre Renten fallen sowieso schon nicht gerade üppig aus.“

Alle Lokführer bestätigen, dass ihre unregelmäßigen Schichten sich auf Dauer gesundheitsschädigend auswirken. „Es ist nicht schön, um 01:27 seine Schicht anzufangen – um ein Beispiel zu nennen“, erklärt ein Lokführer in Berlin. „Die Regel ist ja, dass du deinen Zug schon eine Stunde vor der Abfahrt kontrollierst, bevor der Reisende ihn überhaupt zu sehen bekommt.“

Lokfahrer Tom in München erklärt, dass man üblicherweise eine Sechs-Tage-Woche arbeitet. „Wir müssen ständig die Schicht wechseln, also bist du ständig dabei, dich auf die geänderte Zeit einzustellen, das ist zermürbend“, sagt Tom. Hinzu komme, dass natürlich das soziale und Familienleben darunter leide. „Irgendwann erhältst du einfach keine Einladungen mehr.“

Zu den Betriebsrenten ergänzt Eric, ein GDL-Streikleiter in München: „Das ist dieses Jahr ein großes Thema: Die haben uns zum 31.Dezember 2020 die Betriebsrenten gekündigt, was bedeutet: Jemand, der jetzt mit 67 Jahren aufhört, hat weniger Rente als geplant. Das ist umso unfairer, weil sich der Bahnvorstand im Gegenzug dazu 20.000 Euro pro Monat bis zum Lebensende gönnt.“

Zu Corona berichtet der Eisenbahner: „Wir hatten den Auftrag, in der gesamten Corona-Zeit durchzufahren, und wir haben bewiesen, dass auf die Lokführer Verlass ist. Aber wenn der Bahnvorstand sich überhaupt nicht bewegt, dann müssen die Leute auf die Straße.“ Auch Eric bestätigt den „großen Rückhalt“, den der Streik in der Bevölkerung genießt.

Kai erklärt: „Wir durften während der gesamten Lockdowns, als noch keiner wusste, was war, durcharbeiten. Dafür soll es jetzt Null Entschädigung geben. Das ist nicht haltbar.“

„Wir haben leere Züge sinnlos von A nach B geschoben“, bestätigt auch ein Lokführer in Frankfurt. „Einige von uns hat es auch selbst erwischt. Einen Kollegen hat das Virus regelrecht zerrissen. Er kann heute nicht mehr fahren.“

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