Coronakrise in Griechenland: Regierung ernennt Rechtsradikalen Athanasios Plevris zum Gesundheitsminister

Nach den verheerenden Waldbränden im Juli und August geht Griechenland jetzt mit stark steigenden Corona-Zahlen und einer niedrigen Impfrate in die nächste Welle der Pandemie. Am 24. August registrierten die Behörden mit 4.608 Covid-Fällen einen Rekordwert. Am 2. September starben 106 Menschen an dem Virus – der dritthöchste Wert seit Beginn der Pandemie. In dem kleinen Land mit rund elf Millionen Einwohnern sind insgesamt schon 14.000 Menschen an Corona verstorben.

In der Bevölkerung wachsen die Sorgen und Wut über die mangelnde Ausstattung des Gesundheitssystems und den gefährlichen Durchseuchungskurs ohne ausreichende Schutzmaßnahmen. Besonders die Öffnung der Schulen in der kommenden Woche wird die Verbreitung der Delta-Variante befeuern und Tausende Kinder, Jugendliche und ihre Familien gefährden. Hinzu kommt, dass aktuell nur rund 56 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind.

Die griechische Regierung unter der rechten Nea Dimokratia (ND) reagiert auf die sozialen Spannungen in der Pandemie mit einem weiteren Rechtsruck und wappnet sich für eine Konfrontation mit der Arbeiterklasse. Premierminister Kyriakos Mitsotakis hat deshalb vergangene Woche sein Kabinett umgebildet und rechtsradikale Kräfte in Stellung gebracht.

Nach der Kabinettsumbildung in Griechenland werden die neu ernannten Minister im Athener Präsidentenpalast vereidigt, 31. August 2021 (AP Photo/Yorgos Karahalis)

Neuer Gesundheitsminister ist Athanasios (Thanos) Plevris, der Sohn und Anwalt des einflussreichsten griechischen Nationalsozialisten und Faschisten Konstantinos Plevris. Bis zu seinem Übertritt zur ND 2012 war Thanos Plevris Abgeordneter der rechtsextremen Partei LAOS (Orthodoxer Volksalarm). Damit sind jetzt drei Ministerien in den Händen von ehemaligen LAOS-Politikern: Gesundheit unter Plevris, Inneres unter Makis Voridis und Entwicklung unter Adonis Georgiadis. Alle drei sind berüchtigte Rechtsextreme, die für ihre ausländerfeindlichen Hetztiraden bekannt sind.

Der LAOS-Gründer Giorgos Karatzaferis, selbst ein Rassist und Antisemit, kommentierte die Kabinettsumbildung am Wochenende in seinem eigenen Fernsehsender Art TV mit sichtlicher Genugtuung. „Die Hälfte meiner Fraktion regiert derzeit das Land“, so Karatzaferis, der darin ein Zugeständnis an die rechten Impfgegner sieht. „Thanos Plevris war mein Schützling.“ Als der Vater Plevris wegen seiner nationalsozialistischen Propaganda zu sehr im Licht der Öffentlichkeit stand, wurde stattdessen der Sohn aufgebaut und zog 2007 erstmals ins Parlament ein.

Auch wenn Thanos Plevris aus Karrieregründen schon länger versucht, sich in Worten von seinem Vater zu distanzieren, beweist ein Blick auf seinen politischen Werdegang, wessen Geistes Kind er ist.

Der Vater Konstantinos Plevris gilt als ideologischer Wegbereiter der Neonazipartei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte). Während der Militärdiktatur 1967 bis 1974 arbeitete Plevris eng mit der Junta zusammen und soll auch auf der Gehaltsliste mehrerer Geheimdienste, einschließlich der CIA, gestanden haben. Schon 1965 gründete er die „Partei des Vierten August“, deren Name auf die Diktatur von General Ioannis Metaxas 1936–1941 zurückgeht, der in der Zwischenkriegszeit die Arbeiterbewegung blutig unterdrückt hatte. In dieser Tradition sieht sich nicht nur der alte Plevris. Auch sein Sohn hat sich Berichten zufolge mehrfach positiv auf Metaxas bezogen und ihn als „Genossen“ und „Führer“ bezeichnet.

Konstantinos Plevris im Oktober 2020 als Anwalt des Rechtsextremisten und Europaabgeordneten Ioannis Lagos, der als Ex-Mitglied von Chrysi Avgi verurteilt wurde (AP Photo/Petros Giannakouris)

2006 veröffentlichte Plevris Senior das antisemitische Buch „Die Juden, die ganze Wahrheit“, in dem er den Holocaust begrüßte und ohne Umschweife erklärte, er „verachte die Juden und sehe sie als Untermenschen an“, wie das Online-Magazin Telepolis zitierte. Dieses Buch wurde unter anderem vom heutigen Entwicklungsminister Georgiadis im Fernsehen beworben. Als K. Plevris im Dezember 2007 wegen „Volksverhetzung und Rassenhass“ zu 14 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt wurde, legte er Berufung ein und wurde in dem folgenden Prozess von seinem Sohn Thanos vor Gericht verteidigt – und zwar erfolgreich. 2009 wurde der alte Plevris freigesprochen, was sein Sohn als Beweis der „in Griechenland geltenden Meinungsfreiheit“ pries.

In einem Statement vom 1. September brachte der Zentralrat der jüdischen Gemeinden Griechenlands seine Besorgnis über die Ernennung von Thanos Plevris zum Ausdruck und erinnerte daran, wie dieser 2009 als Verteidiger dem Gericht erklärte, warum es völlig rechtens sei, wenn sein Vater andere Menschen ausrotten will. Wörtlich sagte er: „Gehen wir davon aus, dass der Angeklagte meint: ‚Haltet das Lager Auschwitz in gutem Zustand, weil ich will, dass irgendwann ein nationalsozialistisches Regime zurückkommt, dass Hitler zurückkommt, die Juden holt und sie nach Auschwitz bringt.‘ Warum soll das eine Form von Anstiftung sein? Was für eine Aufstachelung? Darf man also nicht glauben und glauben wollen: ‚Ich will jemanden ausrotten‘?“

Plevris reagierte auf die Vorwürfe des Zentralrats, indem er sich bei der jüdischen Bevölkerung entschuldigte und sich „gegen jede Form von Antisemitismus“ aussprach. Solche wertlosen Floskeln sollen aber nur notdürftig seine rechtsradikale Gesinnung verdecken.

Schon in den 1990er Jahren marschierte Plevris bei den Neonazis mit. Mit dem früheren Sprecher von Chrysi Avgi, Ilias Kasidiaris, hat er freundschaftlichen Kontakt, wie dieses Foto beweist.

Thanos Plevris (links) mit dem Neonazi Ilias Kasidiaris (Twitter / @AntilianKotzai)

Letztes Jahr 2020 begann der Prozess wegen des Mords an einem LGBT-Aktivisten, der vor zwei Jahren in Athen zu Tode geprügelt wurde. Rechtsbeisteher der Angeklagten ist laut einem Bericht der Deutschen Welle Thanos Plevris.

2010 trat Plevris gemeinsam mit Georgiadis vor der rechtsradikalen „Patriotischen Vereinigung Thermopylen“ auf, wo sie über die „Reinheit“ der griechischen Rasse und die Bedeutung der „Blutbande“ schwadronierten.

Zudem ist der neue Gesundheitsminister ein Impfskeptiker. Als sich 2009/10 die Influenza-H1N1-Pandemie ausbreitete, redete er rechten Impfgegnern das Wort und wetterte im Parlament dagegen, dass Ärzte die Bürger zum Impfen aufrufen und „Panik“ verbreiten würden. Noch im Juli hatte er sich dagegen ausgesprochen, dass die Regierung die Menschen überzeugen solle, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen.

Besonders schockierend sind seine menschenverachtenden Aussagen von 2011, als er auf einer rechtsradikalen Veranstaltung der Zeitschrift Patria die Ermordung von Flüchtlingen forderte. „Es gibt keinen Grenzschutz ohne Tote“, erklärte Thanos Plevris unter dem Beifall seiner faschistischen Anhänger.

Er drohte Einwanderern: „Wenn Du hier bist, gibt es nicht nur keine Sozialleistungen, du wirst auch nichts zu essen und zu trinken kriegen, du kannst nicht ins Krankenhaus gehen und du wirst den anderen in Pakistan sagen: Hier geht es uns schlimmer.“ Man müsse Migranten in Griechenland abschrecken. „Die Hölle soll ihnen wie das Paradies erschienen, nach dem was sie hier erlebt haben!“

Nicht nur Plevris’ europäische Gleichgesinnte wie der ungarische Regierungschef Orban oder Politiker der AfD haben ähnliche Hetzreden gehalten. In den letzten Jahren hat die gesamte herrschende Klasse in Griechenland und der EU genau diesen Weg eingeschlagen und Flüchtlinge durch Schüsse an der Grenze, „Pushbacks“ im Mittelmeer und höllische Lebensbedingungen in den Lagern terrorisiert.

Die Stärkung faschistischer Elemente in der griechischen Regierung muss als offene Kampfansage an die Arbeiterklasse verstanden werden. Der neue rechtsradikale Gesundheitsminister soll die Öffnungspolitik und die Aushöhlung des Gesundheitswesens unter den Bedingungen der neuen Delta-Welle schonungslos durchsetzen.

Mitsotakis hat noch weitere Änderungen in seinem Kabinett vorgenommen. Der Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis, der wegen seiner fatalen Untätigkeit während der Brände diskreditiert ist, wurde durch Panagiotis Theodorikakos ersetzt, der damit auch für die Polizei und Feuerwehr zuständig ist.

Theodorikakos hat einen langen Marsch nach rechts hinter sich – von der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Griechenlands über die sozialdemokratische PASOK bis hin zur ND. Offenbar wird er deshalb als geeigneter Mann für die Unterdrückung von sozialen Protesten gesehen. Wenige Tage nach seinem Amtsantritt wandte er zum ersten Mal das neue Gesetz zur Einschränkung von Demonstrationen an, das letztes Jahr verabschiedet wurde. Ein Demonstrationszug von etwa 200 Studierenden im Athener Zentrum wurde am vergangenen Freitag von der Polizei auf eine Straßenseite abgedrängt, so dass der Autoverkehr normal weiterlaufen konnte.

Die Regierung gründete außerdem ein neues Ministerium für die Klimakrise und den Katastrophenschutz, um die große Wut über die dramatischen Folgen der Waldbrände zu kanalisieren. Erst berief Mitsotakis den ehemaligen Marinegeneral und Verteidigungsminister in der Syriza-Regierung, Evangelos Apostolakis, auf den Posten, mit dem Ziel, auch die Oppositionspartei einzubinden. Doch dieser lehnte ab, sodass jetzt der zypriotische rechtskonservative Politiker Christos Stylianidis das Amt übernimmt. Er war bereits 2014 bis 2019 EU-Kommissar für humanitäre Hilfe und Krisenschutz.

Die gegenwärtige Rechtsentwicklung in Griechenland ist Bestandteil einer internationalen Entwicklung. Überall wendet sich die herrschende Klasse diktatorischen Herrschaftsformen zu und setzt auf rechtsextreme Kräfte, um den wachsenden Widerstand unter Arbeitern und Jugendlichen zu unterdrücken.

Das Jahr begann mit dem Sturm eines faschistischen Mobs auf den US-Kongress, der von Ex-Präsident Donald Trump angestiftet wurde. In Deutschland wetteifern die Bundestagskandidaten der bürgerlichen Parteien darum, wer am schnellsten den Militarismus vorantreibt und am rücksichtslosesten die Schulöffnungen umsetzt. In allen EU-Ländern droht das öffentliche Gesundheitswesen in der Delta-Welle zu kollabieren, weil die Regierungen dem Virus freien Lauf lassen und außer den Impfungen sämtliche Schutzmaßnahmen aufheben. Nach 18 Monaten Pandemie und mehr als eine Million Toten in Europa gilt weiterhin der Kurs: „Profite vor Leben“.

Deshalb gab es in den internationalen Medien auch keinen Aufschrei darüber, dass ein Politiker vom Schlag eines Bjorn Höcke jetzt das griechische Gesundheitsministerium leitet. Große Zeitungen wie Spiegel Online, New York Times oder Guardian haben geschwiegen, ebenso die meisten EU-Politiker und internationalen pseudolinken Parteien.

Die größte Oppositionspartei Syriza (Koalition der radikalen Linken) heuchelte verbale Kritik an der Kabinettsumbildung. Parteichef Alexis Tsipras sprach von einer extrem rechten „Regierung der LAOS-Minister“ und der Syriza-Abgeordnete Euklid Tsakalotos zitierte im Parlament Plevris’ Antiflüchtlingshetze. „Ein Mann, der diese Aussage gemacht hat und so etwas denkt, kann in keinem europäischen Land Gesundheitsminister sein“, so Tsakalotos.

Er machte ihm aber sogleich das Angebot, dass sie ihn akzeptieren würden, wenn er sich von den Aussagen distanziert: „Unserer Ansicht nach gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder nimmt er seine Aussagen jetzt zurück, noch vor der Amtseinweihung, oder Herr Mitsotakis revidiert seine Entscheidung.“

Tatsächlich ist Syriza selbst Bestandteil der Rechtsentwicklung und direkt für den Aufstieg rechtsextremer Kräfte in höchste Regierungsämter mitverantwortlich. Während ihrer Regierungszeit 2015 bis 2019 bildete sie eine Koalition mit den ultrarechten Unabhängigen Griechen (Anel), um das Spardiktat der Troika aus Europäischer Zentralbank, Internationalem Währungsfond und Europäischer Kommission gegen den enormen Widerstand in der Bevölkerung durchzusetzen. Dabei rüstete sie auch den Polizeistaatsapparat und das Militär auf und betrieb eine brutale Flüchtlingspolitik im Geiste von Plevris.

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