Die Socialist Equality Party und das London Bus Rank-and-File Committee rufen Arbeiter weltweit auf, die wachsende Kampagne für die Wiedereinstellung des Londoner Busfahrers David O'Sullivan zu unterstützen. Dieser war entlassen worden, weil er das grundlegende Recht seiner Kollegen auf einen sicheren Arbeitsplatz während der Corona-Pandemie verteidigte.
Am 24. November wird vor dem Arbeitsgericht eine Vorverhandlung wegen O'Sullivans ungerechtfertigter Entlassung stattfinden, eine volle Anhörung wird im Laufe des nächsten Jahres erwartet. O'Sullivan wird aufdecken, dass sein Arbeitgeber Metroline, die Dachgesellschaft Transport for London (TfL), der Labour-Bürgermeister Sadiq Khan, die Gewerkschaft Unite und die Tory-Regierung systematisch gegen die Gesundheits- und Sicherheitsvorgaben am Arbeitsplatz verstoßen haben.
O'Sullivans Kampf ist ein Präzedenzfall für die Rechte systemrelevanter Arbeiter.
Er wurde am 3. Februar entlassen, weil er seine Kollegen vor der Ausbreitung von Covid-19 gewarnt und dringend notwendige Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz von Menschenleben eingefordert hatte. Vor seiner Entlassung hatte er sich noch auf sein Recht auf einen sicheren Arbeitsplatz nach Abschnitt 44 des Employment Rights Act berufen und seine Kollegen auf ihre Rechte durch dieses Gesetz hingewiesen.
Nur wenige Monate zuvor hatte das London Bus Rank-and-File Committee, dem O'Sullivan angehört, in einem offenen Brief an Metroline auf ernsthafte Verstöße gegen die Gesundheits- und Sicherheitsstandards hingewiesen und Maßnahmen zur Unterdrückung des Virus gefordert. Der Brief des Komitees war an den geschäftsführenden Direktor von Metroline, Stephen Harris, den Vorstandschef der ComfortDelGro Group, Yang Ban Seng, die stellvertretende Londoner Bürgermeisterin für Verkehr und ehemalige Labour-Abgeordnete, Heidi Alexander, und John Murphy und Peter Kavanagh von der Gewerkschaft Unite adressiert. Alle Adressaten ignorierten den Brief.
Für Millionen von systemrelevanten Arbeitern ist das keine Überraschung. Obwohl die Arbeiter der Verkehrs- und Logistikbetriebe, der Lebensmittelindustrie, des Onlinehandels, des National Health Service und des Sozialwesens als „Helden der Front“ gefeiert wurden, galt ihr Leben immer als entbehrlich. Das Experiment der Regierung mit der Herdenimmunität ermöglichte es dem Virus, sich auszubreiten, wobei das Leben von Arbeitern, Senioren und Behinderten als Kollateralschaden betrachtet wurde. Als Premierminister Boris Johnson im letzten November damit herausplatzte: „Keine verdammten Lockdowns mehr, und wenn sich die Leichen zu Tausenden auftürmen“, drückte er die Gedanken einer Finanzoligarchie aus, die entschlossen ist, ihren eigenen perversen Wohlstand zu verteidigen und die Wirtschaft trotz Massensterbens am Laufen zu halten. Die Folge waren mehr als 160.000 Tote in Großbritannien und weltweit mehr als 4,7 Millionen.
Laut Zahlen, die am 15. September veröffentlicht wurden, sind bei TfL mindestens 95 Angestellte an Covid-19 gestorben, 69 davon waren Bus-Arbeiter, 54 davon Fahrer. Das bedeutet umgerechnet, dass seit März 2020 jeden Monat vier Beschäftigte gestorben sind. Hierbei handelt es sich jedoch nicht einfach um Zahlen, sondern um die Schicksale von Eltern, Geschwistern und Ehepartnern von erschütterten Hinterbliebenen. Und niemand wurde bisher für dieses Verbrechen zur Rechenschaft gezogen.
Stattdessen werden Fahrer wie Verbrecher behandelt, benachteiligt, eingeschüchtert, mit Disziplinarverfahren verfolgt und ihrer Lebensgrundlage beraubt. O'Sullivan (58) war seit mehr als drei Jahrzehnten als Fahrer im öffentlichen Verkehrssystem Londons tätig, doch seine makellose Karriere und sein jahrelanger Dienst galten nichts.
O'Sullivans Disziplinaranhörung war ein Pseudoprozess, der weitgehend ohne seine Anwesenheit stattfand. Metroline warf ihm vor, er würde „falsche und schädigende Informationen“ verbreiten und seine Kollegen zu „rechtswidrigen Arbeitskampfmaßnahmen aufstacheln“. Tatsächlich haben sich O'Sullivans Warnungen vor der Ausbreitung von Covid-19 im Busdepot Cricklewood bestätigt. Laut Daten, die unter Anwendung des Freedom of Information Act veröffentlicht wurden, sind zwischen Dezember 2020 und dem 2. Januar in Cricklewood 46 Beschäftigte positiv auf das Virus getestet worden.
Die Lage in Cricklewood war nur die Spitze des Eisbergs. Neue Zahlen von TfL zeigen, dass in Londoner Busdepots zwischen Oktober 2020 und dem 2. August dieses Jahres 2.665 Personen positiv auf Covid-19 getestet wurden. Die Zahlen sind erschütternd. Im Go Ahead-Depot in River Road wurden 115 Infektionen registriert, 92 im Abellio-Depot in Battersea, 82 im Northumberland Park, 80 in New Cross und weitere 80 in Bow. Solche Cluster belegen eindeutig, dass Covid-19 am Arbeitsplatz übertragen wird, was die Busunternehmen und TfL jedoch wiederholt geleugnet und nicht untersucht haben. Bürgermeister Khan erklärte, TfL habe während der Pandemie keine Sicherheitsinspektionen in den Londoner Busdepots durchgeführt, weil es nicht sicher war!
Die Corona-Pandemie ist noch nicht vorbei. Obwohl 66,6 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind, liegen die Fallzahlen höher als im letzten Sommer. Letzte Woche lag die Zahl der Toten bei über 140 pro Tag, seit dem 1. Juli sind 7.629 Menschen gestorben. Die Öffnung der Schulen in England und Wales wird zu einem Anstieg der Infektionen und Hospitalisierungen unter jungen Menschen führen, wie es bereits in Schottland und Nordirland geschehen ist. Die älteren Bevölkerungsgruppen werden sich danach infizieren.
Wenn es nach der Johnson-Regierung, Sir Keir Starmers Labour Party und den Gewerkschaften geht, müssen Arbeiter lernen, „mit dem Virus zu leben“. Soziale Distanzierung, sichere Fahrgastbegrenzungen, Maskenpflicht, Lüftung und andere Sicherheitsmaßnahmen werden aufgehoben oder existieren nur auf dem Papier. Die gleiche rücksichtslose und sozial kaltschnäuzige Politik vertreten die Kapitalistenklassen in allen anderen Ländern, allen voran den USA, wo die Zahl der Toten mittlerweile offiziell über 700.000 liegt.
Das London Bus Rank-and-File Committee ist Teil der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC). Die IWA-RFC unterstützt den Aufruf führender Wissenschaftler und Mediziner nach der Ausrottung von Covid-19. Ein Programm zur Beendigung der Pandemie erfordert den Einsatz von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Technologie, um die Interessen der Gesellschaft gegen die Ausplünderung durch das Großkapital und die Superreichen zu verteidigen. Es muss von den Arbeitern selbst umgesetzt und international organisiert werden – unter Einsatz aller Methoden und Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen.
In Großbritannien, Europa, Amerika und Asien mehren sich die Anzeichen für Widerstand der Arbeiterklasse gegen die Herdenimmunitätspolitik der herrschenden Klasse und die Unterordnung aller Aspekte des sozialen Lebens unter das Profitstreben. In den letzten Wochen organisierten Bus- und Verkehrsbeschäftigte folgende Kämpfe:
- In Sydney (Australien) legten Anfang September 180 Busbeschäftigte aus Protest gegen fehlende Sicherheitsmaßnahmen und die Abschaffung regelmäßiger Tests die Arbeit nieder. Der spontane Streik war eine Reaktion auf die Nachricht, dass ein Fahrer im Depot Smithfield positiv auf Covid-19 getestet wurde. Das Virus verbreitet sich derzeit in Australien exponentiell, nachdem es durch die mittlerweile aufgehobenen Lockdown-Maßnahmen zuvor eliminiert worden war.
- Im US-Bundesstaat Georgia begannen am 3. September 54 Schulbusfahrer einen Krankheitsstreik, um wegen Löhnen und fehlenden Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 zu protestieren.
- Bei Dublin Bus in Irland stimmten etwa 1.500 Busbeschäftigte gegen einen von der Gewerkschaft unterstützten Vorschlag des Unternehmens, die Arbeitsbedingungen für Fahrer zu verschlechtern. Dieser hätte die Fahrer dazu gezwungen, mehrere Routen zu fahren, am Sonntag mehr zu arbeiten und weniger Sommerurlaub zu erhalten.
- In Frankreich kam es in den letzten zwei Wochen in Lyon, Paris, Le Havre, Dijon und Reims zu Streiks der Bus-, Reisebus- und Straßenbahnbeschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Sicherheit.
- In Deutschland hatten im August und September die Lokführer gegen eine geplante Nullrunde und Angriffe der Deutschen Bahn auf ihre Renten gestreikt. Trotz der steigenden Militanz hat die Eisenbahnergewerkschaft die Streiks mit einem Ausverkauf abgebrochen, der keines der Probleme der Fahrer, des Zugpersonals und anderer Beschäftigter löst.
Der globale Angriff auf die sozialen Rechte und Bedingungen der Arbeiterklasse erkennt Landesgrenzen genauso wenig an wie das Virus. Auf allen Kontinenten sind Arbeiter mit Regierungen, Arbeitgebern und Gewerkschaften konfrontiert, die die Arbeiterklasse für die Billionen zur Kasse bitten wollen, die während der Pandemie als Rettungsgelder an die Konzerne und Finanzmärkte verteilt wurden.
Wir appellieren an die Arbeiter auf der ganzen Welt, den Kampf für O'Sullivans Wiedereinstellung zu unterstützen. Seine Kampagne muss zur Speerspitze des Kampfs für die Ausrottung von Covid-19 und den Widerstand gegen die verschärften Angriffe auf die Arbeitsbedingungen, Löhne und Grundrechte der weltweiten Arbeiterklasse werden, welche die herrschende Klasse und die unternehmensfreundlichen Gewerkschaften fordern.
O’Sullivans Kampagne wird bereits von Hunderten Beschäftigten der Londoner Busunternehmen unterstützt. Er hat Solidaritätsbekundungen und Spenden von Arbeitern aus ganz Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Norwegen, der Türkei, den USA, Kanada, Australien, Brasilien, Indien und Sri Lanka erhalten. Diese Kampagne muss jetzt durch die Organisation von Treffen am Arbeitsplatz, Resolutionen und der Erfüllung des Crowdfunding-Projekts für 20.000 Pfund Gerichtskosten verschärft werden. Beteiligt euch noch heute an diesem Kampf!