Todeszahlen steigen in Deutschland bereits vor drohender Omikron-Welle

Die täglichen Infektionszahlen liegen mit durchschnittlich 50.000 weiterhin etwa doppelt so hoch, wie zum Höhepunkt der zweiten Welle. Gleichzeitig steigen die Todeszahlen. Mit etwa 2000 Coronatoten pro Woche sterben aktuell mehr Menschen als auf dem Höhepunkt der dritten Welle im Frühjahr 2021. Insgesamt erlagen bereits 107.639 Menschen dem Virus. 4.805 Corona-Patienten müssen aktuell intensiv behandelt werden, was die Kliniken bereits jetzt an die Grenze der Reaktionsfähigkeit bringt.

Sarg mit einem Corona-Toten in einem Krematorium in Meissen (AP Photo/Markus Schreiber)

Und die Situation droht sich mit der Ausbreitung der noch infektiöseren Omikron-Variante weiter zu verschlimmern. Für die vorletzte Woche gibt das Robert-Koch-Institut (RKI) an, dass die Omikron-Variante 1,6 Prozent aller Neuinfektionen in Deutschland ausmacht. Auf Grund von erheblichem Meldeverzug bei der Bestimmung von Corona-Varianten und der explosiven Ausbreitung von Omikron dürften die tatsächlichen aktuellen Zahlen um ein Vielfaches höher liegen.

Gerade auf Grund der besonders hohen Infektiosität ist mit einer sehr großen Dunkelziffer zu rechnen, die sich unbemerkt rasant erhöht. Ein Artikel auf Zeit Online beispielsweise spricht von einer „unsichtbaren Wand“ der Infektionen und zeigt gestützt auf Daten von RKI, Kreis- und Landesbehörden, dass bei der aktuellen Verbreitung bis zum Ende des Jahres eine Inzidenz von fast 1000 erreicht werden wird.

Das Ausmaß dieses exponentiellen Anstiegs zeigen aktuell bereits Dänemark, Norwegen und Großbritannien, wo die gemeldeten Zahlen regelrecht explodieren. In Dänemark könnte Omikron schon diese Woche zur dominierenden Variante werden. Aktuell verdoppelt sich die Zahl der täglichen Omikron-Infektionen alle zwei bis drei Tage. Zu Silvester wird in Dänemark mit 500 Krankenhauseinweisungen pro Tag gerechnet. Auf Deutschland hochgerechnet wären das mehr als 7.000 (!).

In Norwegen – ein Land mit knapp fünf Millionen Einwohnern – rechnen die Gesundheitsbehörden zu Jahresende mit bis zu 300.000 Infektionen und 200 Krankenhauseinweisungen pro Tag. In Großbritannien liegen die täglichen Infektionszahlen schon jetzt mit fast 90.000 auf einem Allzeithoch. Alle zwei Tage verdoppeln sich die Fallzahlen und selbst im günstigsten Fall würden bis Weihnachten doppelt bis dreimal so viele Menschen täglich hospitalisiert werden müssen. Bis April könnte die Hälfte der Bevölkerung infiziert sein.

Die gleiche Entwicklung droht allen anderen europäischen Ländern. Wissenschaftlern zu Folge wird Omikron schon bald das Infektionsgeschehen in Deutschland dominieren. „Omikron hat dermaßen Speed, dass die Variante in zweieinhalb Wochen die Hälfte der Fälle in Deutschland ausmachen könnte“, erklärte der Modellierer und Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Michael Meyer-Hermann, gegenüber dem Spiegel.

Die Omikron-Welle kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die Situation bereits auf Grund der Ausbreitung von Delta katastrophal ist. Die Todeszahlen steigen, die Krankenhäuser stehen an der Belastungsgrenze, regional werden die Behandlungskapazitäten überschritten und das RKI rechnete auch schon ohne Omikron mit einer weiteren Zunahme der schweren Erkrankungen und Todesfälle.

Obwohl sie um die enorme Gefahr weiß, weigert sich die Regierung die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung und Eliminierung des Virus zu ergreifen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte am Freitag, man „müsse davon ausgehen, dass die Omikron-Welle, vor der wir stehen, die wir aus meiner Sicht nicht verhindern können, eine massive Herausforderung wird für unsere Krankenhäuser, für unsere Intensivstationen, aber auch für die Gesellschaft in der Gänze.“

„Auch ein etwas milderer Verlauf“ bei Omikron-Infektionen würde da „keinen Unterschied machen“, fügte er hinzu. Das enorme Wachstum der Infektionen würde auch bei einem abgemilderten Verlauf für mehr Sterbefälle sorgen. Man müsse sich „hier auf eine Herausforderung einstellen, die wir in dieser Form noch nicht gehabt haben“.

Trotzdem kündigte Lauterbach keinerlei zusätzliche Maßnahmen an. Das ist nicht überraschend. Als die Ampelparteien SPD, Grüne und FDP im November die epidemische Notlage beendeten, stimmte auch Lauterbach im Bundestag dafür. Seitdem sprach er sich mehrmals für das Offenhalten der Schulen und Betriebe aus und verteidigt das neue Infektionsschutzgesetz, das harte Lockdowns rechtlich ausschließt.

Die vorrangige gesundheitspolitische Maßnahme Lauterbachs besteht in Appellen, sich impfen zu lassen. Dabei ist selbst die Ankündigung der Regierung, die Impfkampagne zu beschleunigen, eine einzige Farce. Tatsächlich sind in Deutschland weniger als 70 Prozent zweimal geimpft und damit fast 25 Millionen Menschen ohne jeden Schutz. Erst 27,5 Prozent oder 22.923.853 Menschen erhielten die dringend notwendige Auffrischungsimpfung. Millionen Menschen, die sich verzweifelt um einen Impftermin bemühen, werden auf Grund der unzureichenden Kapazitäten auf Januar oder Februar vertröstet.

Lauterbach und alle bürgerlichen Parteien verfolgen de facto eine Strategie der Herdenimmunität. Die extrem beschränkten Mitigationsmaßnahmen dienen maximal dazu, den Infektionsanstieg kurzfristig etwas abzuflachen, bevor er sich dann – potentiell auf der Grundlage neuer, gefährlicher Virus-Varianten – umso aggressiver Bahn bricht. Genau das passiert aktuell mit Omikron.

Dass ein anderer Weg möglich ist, zeigt besonders eindrücklich das Beispiel von China, das als einziges Land weiterhin an der Zero-Covid-Strategie festhält. Das Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern konnte die Gesamtzahl der Todesfälle unter 5.000 halten. Seit April 2020 kamen nur drei weitere hinzu.

Durch gezielte Lockdowns, die Isolierung infizierter Personen, Massentests und die Rückverfolgung von Kontaktpersonen war es möglich, Ausbrüche in Metropolen wie Chongquing (20 Millionen Einwohner) innerhalb von 15 Tagen einzudämmen und danach weitgehend alle Einschränkungen wieder aufzuheben.

Die Politik der Bundesregierung hingegen stellt die kapitalistische Profitmaximierung über Menschenleben und hält deshalb die notwendige Schließung der Schulen und nicht lebensnotwendigen Produktion für inakzeptabel. Dieser Kurs wird von allen Parteien – von Linkspartei bis AfD – unterstützt. Die Ampel-Koalition, die sich selbst als „Fortschrittsregierung“ feiert, hat die mörderische Durchseuchungspolitik der Großen Koalition übernommen und verschärft.

Gerade die nominell linken Parteien spielen eine Schlüsselrolle bei der Durchsetzung dieser Politik. Das von der Linkspartei geführte Thüringen ist mit einer 7-Tage-Inzidenz von aktuell 870 das Bundesland mit dem massivsten Infektionsgeschehen. Führende Vertreter der Linkspartei, wie Sahra Wagenknecht, haben die ganze Pandemie über das Virus verharmlost und im Stil rechtsextremer Coronaleugner gegen Schutzmaßnahmen agitiert.

Um die mörderische Profite-vor-Leben-Politik zu stoppen, müssen sich Arbeiter und Jugendliche unabhängig von allen bürgerlichen Parteien und den Gewerkschaften organisieren. Am nächsten Mittwoch um 20 Uhr veranstaltet das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung sein nächstes Online-Treffen, um die notwendigen politischen und organisatorischen Aufgaben im Kampf gegen die Pandemie zu diskutieren. Registriert euch hier und ladet auch interessierte Kollegen, Freunde und Bekannte zu dieser wichtigen Veranstaltung ein.

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