Am Dienstag bekräftigte US-Präsident Joe Biden in einer Rede seine Drohungen mit einem „blutigen, zerstörerischen Krieg“ gegen Russland, obwohl keine russische Invasion stattgefunden hat. Zuvor hatten die Vereinigten Staaten behauptet, Russland würde am 16. Februar einen groß angelegten Einmarsch in die Ukraine starten.
Die russische Regierung betont nachdrücklich, dass sie keine Pläne für einen Angriff auf die Ukraine habe. Sie gab außerdem bekannt, dass sie ihre Truppen an der ukrainischen Grenze nach dem Abschluss der gemeinsamen Militärübungen mit Belarus zurückziehen werde.
Am Montag verurteilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyi die Entscheidung der Vereinigten Staaten, ihr Botschaftspersonal zu verlegen. Eine Quelle, die seiner Partei „Diener des Volkes“ nahesteht, sagte gegenüber der Nachrichtenwebsite strana.ua, dass „sich drei befreundete Staaten eine Geschichte über einen Krieg ausdenken“ und „man mit uns spielt“. David Arakhamia, der Vorsitzende von Selenskyis Parlamentsfraktion, erklärte: „Unser Geheimdienst sieht keine Anzeichen dafür, dass die Russen sich direkt vorbereiten.“
Die Behauptung einer „unmittelbar bevorstehenden“ Invasion in die Ukraine wurde von der US-Regierung endlos wiederholt und von den Medien nachgeplappert. In seiner Rede am Dienstag sah sich Biden gezwungen, die Tatsache anzuerkennen, dass es keinen russischen Angriff gegeben hat. Gleichzeitig verstärkte er die Drohungen gegen Russland.
Bidens Rede bestand von Anfang bis Ende aus Heuchelei, Lügen und Kriegshetze. Um nur ein paar Passagen zitieren:
Biden begann seine Ausführungen mit folgenden Worten: „Von Beginn der Krise an habe ich mich klar und deutlich ausgedrückt: Die Vereinigten Staaten sind vorbereitet, egal was passiert.“
Schließt „egal was passiert“ einen Atomkrieg ein? Wie genau sind die USA auf diese mögliche Katastrophe „vorbereitet“? Die Formulierung „egal was passiert“ kann nur bedeuten, dass Biden und seine Berater die möglichen katastrophalen Folgen ihrer Provokationen und Drohungen nicht durchdacht haben.
Nachdem er den Rückzug russischer Militäreinheiten von Stellungen in der Nähe der ukrainischen Grenze zur Kenntnis genommen hatte, reagierte Biden nicht mit einem Versuch der Deeskalation, sondern mit einer Verschärfung der Kriegsrhetorik. Er sagte:
Wir werden keine Grundprinzipien opfern. Die Nationen haben ein Recht auf Souveränität und territoriale Integrität. Sie haben die Freiheit, ihren eigenen Kurs zu bestimmen und zu wählen, mit wem sie sich zusammenschließen wollen.
Seit wann ist die Souveränität anderer Nationen ein „Grundprinzip“ der Vereinigten Staaten? Wenn man alle Verstöße der USA gegen die „Souveränität und territoriale Integrität“ anderer Länder aufzählen müsste, würde man etliche Seiten brauchen. Es reicht, die ungeheuerlichsten Beispiele der letzten 25 Jahre anzuführen:
- 1992, unmittelbar nach der Auflösung der Sowjetunion, erkannten die Vereinigten Staaten und Deutschland Kroatien als unabhängiges Land an, was den Zerfall Jugoslawiens einleitete und einen blutigen Bürgerkrieg auslöste, der Tausenden das Leben kostete.
- 1999 bombardierten die Vereinigten Staaten 78 Tage lang Serbien, um die Abspaltung des Kosovo durchzusetzen. Der ehemalige Teil Serbiens verwandelt sich in den Ministaat Kosovo unter einer Regierung, die von kriminellen Drogenbaronen geleitet wird.
- 2003 marschierten die Vereinigten Staaten in den Irak ein. Als Vorwand diente die falsche Behauptung, der Irak entwickle „Massenvernichtungswaffen“. Mehr als eine Million Iraker wurden getötet und der irakische Präsident Saddam Hussein von US-gestützten Milizen gehängt. Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten folterten und ermordeten Tausende Gefangene, unter anderem im berüchtigten Abu-Ghraib-Gefängnis, wo US-Soldaten für Fotos posierten, während sie Gefangene sexuell erniedrigten.
- 2011 bewaffneten die Vereinigten Staaten islamistische Terrorkräfte, die die libysche Regierung stürzten und den Präsidenten folterten, misshandelten und ermordeten.
- Von 2014 bis heute bewaffnen und finanzieren die Vereinigten Staaten IS-nahe Terroristen in Syrien, die für den Sturz der syrischen Regierung kämpfen. Sie haben sogar US-Truppen auf syrischem Boden stationiert, was eine Verletzung der syrischen Souveränität darstellt. Die Bewaffnung der terroristischen Kräfte durch die USA wurde von den Demokraten mit der Behauptung gerechtfertigt, die syrische Regierung habe chemische Waffen gegen die Bevölkerung eingesetzt. Trump hingegen erklärte unumwunden, ihre Mission bestehe darin, „das Öl zu holen“.
- 2019 ermordeten die Vereinigten Staaten den iranischen General Qasem Soleimani auf dem internationalen Flughafen von Bagdad, als er im Auftrag der iranischen Regierung dem Irak einen offiziellen diplomatischen Besuch abstattete.
Ganz zu schweigen vom Vietnamkrieg, dem Koreakrieg und der Unterstützung zahlloser lateinamerikanischer Diktaturen durch die USA, die zusammengenommen Hunderttausende Arbeiter und Jugendliche töteten.
Biden erklärte in seiner Rede weiter: „Die Tatsache bleibt: Im Moment hat Russland mehr als 150.000 Soldaten in Belarus und entlang der ukrainischen Grenze stationiert, die die Ukraine einkesseln.“
Vor vier Tagen erklärte der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, dass Russland „mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze“ zur Ukraine zusammengezogen habe. Woher kommen die zusätzlichen 50.000 Soldaten in nur vier Tagen? Wer sind sie? Wo befinden sie sich? Wie hat Russland es geschafft, seine Truppenpräsenz um die Ukraine um 50 Prozent zu erhöhen, während es der Welt mitteilte, dass es seine Streitkräfte reduziere?
Keine einzige Stimme in den amerikanischen Medien stellt diese grundlegenden Fragen, die die Behauptungen sofort als reinen Unsinn entlarven würden.
Biden fuhr fort:
Die Vereinigten Staaten und die Nato stellen keine Bedrohung für Russland dar. Die Ukraine ist keine Bedrohung für Russland. Weder die USA noch die Nato haben Raketen in der Ukraine. Wir haben auch keine Pläne, dort welche zu stationieren. Unser Ziel ist nicht die russische Bevölkerung. Wir versuchen nicht, Russland zu destabilisieren. An die Bürger Russlands: Ihr seid nicht unsere Feinde.
Wie die Vereinigten Staaten Russland sehen, ist jedoch nicht eine Frage der Meinung, sondern der öffentlichen Statements und Dokumente.
2018 verabschiedeten die Vereinigten Staaten eine nationale Verteidigungsstrategie, in der sie erklärten, dass „nicht Terrorismus, sondern der zwischenstaatliche strategische Wettbewerb jetzt das Hauptanliegen der nationalen Sicherheit der USA ist“. Russland und China werden darin ausdrücklich als Rivalen der Vereinigten Staaten genannt.
In einem Interview mit der CBS-Sendung „60 Minutes“ im Oktober 2020 erklärte Biden: „Nun, ich denke, die größte Bedrohung für Amerika ist im Moment... Russland.“ Bei einer CNN-Veranstaltung im Jahr 2020 wurde er gefragt: „Glauben Sie, dass Russland ein Feind ist?“ Biden antwortete: „Ich glaube, Russland ist ein Gegner. Das glaube ich wirklich.“
Deshalb haben die Vereinigten Staaten versucht, Russland militärisch einzukreisen und die Nato bis an die russischen Grenzen zu erweitern.
Die irreführende Behauptung, die USA hätten keine „Raketen“ in der Ukraine, ist ein Ablenkungsmanöver. Tatsächlich hat Washington die Ukraine mit Javelin-Panzerabwehrraketen und – über Litauen – mit Stinger-Flugabwehrraketen ausgerüstet.
Vermutlich bezieht sich Biden auf ballistische Mittelstreckenraketen, die gemäß dem Vertrag über nukleare Mittelstreckenwaffen (INF) verboten sind. Die Vereinigten Staaten waren aber 2019 aus dem INF-Vertrag ausgestiegen. Bidens Dementi soll nur davon ablenken, dass die USA weiter versuchen, Russland mit Angriffsraketen zu umzingeln. Zu diesem Zweck haben sie in Rumänien und Polen Raketenabwehranlagen vom Typ Aegis Ashore aufgebaut, die in der Lage sind, atomar bewaffnete Tomahawk-Marschflugkörper abzuschießen, die früher im Rahmen des INF-Vertrags verboten waren.
Nachdem er behauptet hatte, die USA seien „keine Bedrohung für Russland“, zählte Biden mehrere aggressive Maßnahmen der USA und ihrer Nato-Verbündeten in der Ukraine und in Osteuropa auf. Danach drohte er:
Machen Sie keinen Fehler, die Vereinigten Staaten werden jeden Zentimeter des Nato-Gebiets mit der vollen Kraft der amerikanischen Macht verteidigen. Der Angriff auf ein Nato-Land ist ein Angriff auf uns alle. Die Verpflichtung der Vereinigten Staaten zu Artikel 5 ist unantastbar.
Mit anderen Worten: Biden erklärt, er werde das gesamte militärische Arsenal der Vereinigten Staaten einsetzen, wenn es zu einem Konflikt zwischen Russland und einem der instabilen Kleinstaaten kommt, die aus der Auflösung der UdSSR hervorgegangen sind.
Seit dem ersten Golfkrieg 1990–1991 führen die Vereinigten Staaten ununterbrochen Krieg. Gestützt auf ein marxistisches Verständnis der Widersprüche des US- und des Weltimperialismus analysiert David North die Militärinterventionen und geopolitischen Krisen der letzten 30 Jahre.
Dem letzten Kabinett Estlands gehörte die faschistische Estnische Konservative Volkspartei an, deren Innenminister sich wiederholt mit rassistischen Symbolen fotografieren ließ. Im aktuellen lettischen Kabinett stammen der Wirtschaftsminister, die Kulturministerin und der Landwirtschaftsminister aus der rechtsextremen, fanatisch antirussischen Nationalen Allianz.
Wenn man Biden wörtlich nimmt, dann versprechen die Vereinigten Staaten, im Fall eines Kriegs zwischen Russland und einem dieser politisch instabilen Kleinststaaten Atomwaffen, d.h. die „volle Kraft der amerikanischen Macht“, gegen Russland einzusetzen, das selbst über ein großes Atomwaffenarsenal verfügt. Das hieße der Beginn eines dritten Weltkriegs, der die Zukunft der menschlichen Zivilisation bedrohen würde.
Zur Situation in den Vereinigten Staaten erklärte Biden, dass ein Konflikt mit Russland für die amerikanische Bevölkerung „nicht schmerzlos“ sein werde. Er betonte jedoch:
Das ist eine Sache, die Republikaner und Demokraten eint. Und ich möchte den Führern und Kongressmitgliedern beider Parteien danken, die sich nachdrücklich für die Verteidigung unserer grundlegenden und überparteilichen amerikanischen Prinzipien eingesetzt haben.
In dieser Aussage stecken sowohl Wahrheit als auch Lüge. Es gibt eine „Sache“, die Republikaner und Demokraten eint, aber sie hat nichts mit „Prinzipien“ wie „Freiheit“ oder dem „Recht der Menschen, ihre Zukunft selbst zu bestimmen“ zu tun, wie Biden behauptet. Vielmehr verbinden sie die rücksichtslosen geopolitischen Interessen der amerikanischen herrschenden Klasse und ihre tiefe Angst vor dem Anwachsen des sozialen Widerstands in den Vereinigten Staaten selbst.
Bidens Gerede von „Freiheit“ in der Ukraine hin oder her – vor nur einem Jahr hat US-Präsident Donald Trump versucht, die US-Regierung zu stürzen und sich selbst als Diktator im Stil Hitlers zu installieren. Biden gab am 13. Juli 2021 zu: „Die Angriffe in Amerika laufen heute weiter, der Versuch, das Recht auf faire und freie Wahlen zu unterdrücken und zu untergraben, ein Angriff auf die Demokratie, ein Angriff auf die Freiheit.“
Doch nun schlägt Biden im Namen der Verteidigung der Freiheit und der amerikanischen Prinzipien „Einheit“ mit denen vor, die einen „Angriff auf die Freiheit“ unternommen hatten!
Bidens abschließender Satz ist geradezu surreal: „Ich werde Sie weiter informieren.“
Worüber? Über den Ausbruch eines Kriegs zwischen den USA und Russland? Den Abschuss von Atomwaffen? Den Beginn eines dritten Weltkriegs? Der Zusammenbruch der US-Demokratie ist so weit fortgeschritten, dass der Präsident glaubt, er müsse die amerikanische Bevölkerung nur noch über Entscheidungen „informieren“, die Auswirkungen auf den gesamten Planeten haben.
Biden kann eine Rede voller Lügen und eiskalter Drohungen halten, weil er weiß, dass niemand in den Medien seine Behauptungen, Prämissen und Argumente ernsthaft in Frage stellen wird. Das gesamte politische Establishment hat sich voll und ganz der Doktrin der „Großmächte-Konkurrenz“ verschrieben.
Wenn das Bidens „Friedensrede“ ist, was ist dann die Kriegsrede? Die wichtigste Schlussfolgerung aus Bidens Rede ist, dass die Vereinigten Staaten verzweifelt nach einem militärischen Konflikt suchen, um ihre interne soziale, wirtschaftliche und politische Krise nach außen abzuleiten. Der amerikanische Kapitalismus befindet sich auf dem Kriegspfad.