Pro-imperialistische Veranstaltung der Pseudolinken zur Ukraine endet für Organisatoren im Debakel

Am Sonntag, dem 13. März, organisierten Vertreter mehrerer pro-imperialistischer Tendenzen der Pseudolinken eine Onlineveranstaltung, um ihre Unterstützung für den Kriegskurs der USA und der Nato zu erläutern und die damit einhergehende Propaganda anzufeuern.

Die Veranstaltung trug den Titel „Against Imperialist War: Ukraine, Russia, NATO and the US“ (Gegen imperialistischen Krieg: die Ukraine, Russland, die Nato und die USA). Ausgerichtet wurde sie vom Tempest Collective, das den Democratic Socialists of America (DSA) nahesteht. Unterstützung erhielt sie von mehreren pseudolinken Agenturen: Against the Current, Haymarket Books (Verlag der mittlerweile aufgelösten International Socialist Organization, ISO), New Politics (DSA-Ableger in Madison, Wisconsin) und einer amerikanischen Gruppe, die der deutschen Organisation Marx21 nahesteht. Moderator war das ehemalige ISO-Mitglied Lee Wengraf, und zu den Rednern gehörten Gilbert Achcar, Ilya Budraitskis (Russische Sozialistische Bewegung, RSM), Professor Ho-Fung Hung (Johns-Hopkins-Universität) und Erin Cass (DSA, ehemals ISO).

Gilbert Achcar im Jahr 2014 (Wikimedia Commons)

Hauptredner war Achcar. Der langjährige Pablist ist nicht nur Professor an der London School of African and Oriental Studies, sondern auch bezahlter Berater des britischen Militärs.

Achcars Rede setzte den Tenor für die darauf folgenden Diskussionen. Er ignorierte die Rolle des US-Imperialismus und der europäischen imperialistischen Mächte und konzentrierte sich fast ausschließlich auf die rechte Rolle der Putin-Regierung. Wenn er die USA und die Nato überhaupt erwähnte, dann nur, um ihnen eine Mitschuld an Putins Aufstieg zuzuweisen. Ohne die USA oder die europäischen Mächte zu kritisieren, erklärte Achcar: „Über den imperialistischen Charakter des heutigen Russlands kann es keine Diskussion geben.“

Jeden Widerstand gegen den US-Imperialismus setzte Achcar mit Unterstützung für Putin gleich. Er erklärte:

„Es gibt diese reflexartigen Reaktionen, jeden Feind der US-Regierung als unterstützenswert anzusehen. Diese Einstellung haben wir besonders deutlich in Syrien erlebt. Ein Teil der Linken hat diesen schrecklichen Vernichtungskrieg unterstützt, den der russische Imperialismus in Syrien angezettelt hat, um eine der schlimmsten Diktaturen der Welt zu unterstützen.“

Achcar selbst hat seit mehr als zehn Jahren „reflexartig“ imperialistische Kriege unterstützt: die US-Luftangriffe auf Libyen, die 30.000 Todesopfer forderten, ebenso wie den Bürgerkrieg in Syrien, der durch den US-Imperialismus angetrieben wurde.

Anfang des Monats hatte Achcar die imperialistischen Mächte aufgefordert, zusätzliche Waffen in die Ukraine zu schicken, und geschrieben: „Wir unterstützen ohne Wenn und Aber die Lieferung von Verteidigungswaffen an die Opfer von Aggression.“

Was Achcar als „reflexartigen“ Widerstand gegen den US- und Nato-Imperialismus bezeichnet, ist in Wirklichkeit ein Grundsatz des Marxismus, der auf einer Analyse der objektiven sozialen Verhältnisse beruht und die Versuche der „demokratischen“ imperialistischen Mächte zurückweist, ihr Vorgehen mit falschen humanitären Vorwänden zu rechtfertigen. Achcar bedient sich der Rhetorik eines geläuterten politischen Renegaten, der seine Erleuchtung hatte, um dem Marxismus jede glaubwürdige intellektuelle Grundlage abzusprechen. Nach der gleichen Logik könnte Achcar einen Patienten im Krankenhaus für seinen „reflexartigen“ Glauben an die Medizin verurteilen oder einen Naturwissenschaftler für seinen „reflexartigen“ Glauben an Biologie und Physik. Achcars Gerede von „reflexartigem Antiimperialismus“ ist nur der Versuch, seine eigene Kapitulation vor dem Imperialismus zu rechtfertigen.

Als nächstes sprach Ilya Budraitskis von der Russischen Sozialistischen Bewegung (RSM), der im Jahr 2014 den US-gesponserten Putsch in der Ukraine unterstützt und ein rot-braunes Bündnis mit faschistischen Gegnern Russlands gefordert hatte. Er pflichtete Achcars Angriff auf linke Gegner des Nato-Kriegskurses bei und erklärte: „Die westliche Linke sollte die reaktionäre, blutige und kriminelle Diktatur Wladimir Putins in Russland nicht entschuldigen.“ Er stellte Russland als die einzige Seite dar, die Propaganda und Desinformation verbreite, und forderte „internationale Solidarität mit der Bevölkerung der Ukraine“.

Ho-Fung Hung warnte darauf vor einer unzureichend aggressiven Reaktion auf Russland; diese würde nur China ermutigen. Er bezeichnete die beiden Länder als „moderne Imperien“ und behauptete, wenn Putin die Kontrolle über die Ukraine erlange, würde sich China „viel gestärkter, wohler und sicherer fühlen, wenn es mit Taiwan etwas ähnliches macht“.

Als letztes erklärte Erin Cass von den DSA, Sozialisten dürften sich bei Demonstrationen gegen Putins Invasion nicht gegen die Kriegsforderungen ukrainischer Nationalisten stellen. Als Antwort auf die Tatsache, dass bei den Protesten „Sanktionen, die Einrichtung einer Flugverbotszone und allgemein eine Intervention des Westens“ gefordert wurde, fügte Cass hinzu: „Wo Sozialisten bei diesen Aktionen tatsächlich aufgetaucht sind, haben sie leider eine ablehnende Haltung eingenommen und gegen diese Forderungen argumentiert.“

Weiter sagte Erin Cass: „Ich möchte klarstellen, dass es meiner Meinung nach für Sozialisten in den USA jetzt nur eine grundlegende gemeinsame Position geben sollte: die Position absoluter Unterstützung für das Recht der Ukrainer, sich gegen den russischen Imperialismus zu verteidigen.“

Achcar sprach direkt nach Cass und erklärte: „Ich möchte unterstreichen, was Erin gesagt hat. Erin hat sehr klar artikuliert, was die sozialistische internationalistische Position in den USA und im Rest der Welt sein muss (…) Der Widerstand der ukrainischen Bevölkerung gegen den russischen Imperialismus ist ein prägender Moment für uns alle (…) Man müsste völlig blind sein, wenn man Wladimir Putin im Namen des Antiimperialismus applaudieren wollte. Das ist, tut mir leid für den Begriff, völlig idiotisch.“

Etwa 45 Minuten nach Beginn der Diskussion und nach den Reden von Achcar und Budraitskis postete der Vorsitzende der internationalen Redaktion der WSWS, David North, einen Kommentar im öffentlichen Chat, zu dessen Nutzung der Moderator alle Teilnehmer aufgefordert hatte. North, der sich bei der öffentlichen Veranstaltung registriert hatte und mit seinem Namen zu erkennen gab, schrieb:

„Das ist Shachtman-Ideologie hoch 10. Innerhalb von 40 Minuten haben die rechten Sozialdemokraten dieses Webinars kein einziges Wort der Kritik am Imperialismus der USA und der Nato geäußert. Sie stellen keinen Zusammenhang her zwischen den Kriegen der letzten 31 Jahre der USA und der Nato im Nahen Osten, Zentralasien und Afrika und diesem Stellvertreterkrieg.“

Im weiteren Verlauf der Veranstaltung postete North weitere Kommentare im öffentlichen Chat, darunter: „Das ist kein Widerstand gegen Putin von links. Der russischen Arbeiterklasse wird überhaupt keine Perspektive geboten. Echte Sozialisten würden betonen, dass dieser Krieg das tragische und katastrophale Ergebnis der Auflösung der Sowjetunion durch die Stalinisten ist.“

In einem weiteren Kommentar von North hieß es: „Die Auflösung der UdSSR basierte auf drei irrigen Vorstellungen: 1. dass die Wiedereinführung des Kapitalismus Russland Reichtum bringen würde, 2. dass sie zu einer blühenden Demokratie führen würde, und 3. dass der Westen Russland akzeptieren würde. Damals lachten die völlig desorientierte Intelligenzija und andere aus dem Umfeld der Nomenklatura, wenn man vom Imperialismus sprach, den sie für ein Schreckgespenst der Bolschewiki hielten.“

Als Teilnehmer ihre Zustimmung zu Norths Argumenten erklärten, forderte der Moderator Wengraf die Kommentatoren nervös auf, „im Chat respektvoll und kameradschaftlich mit anderen umzugehen“. Die Redner wurden sichtlich verdrossener, als sie den Chat und die positiven Reaktionen auf Norths Kritik lasen.

Als Reaktion auf die Beschwörungen des so genannten Rechts auf Selbstverteidigung der Ukraine schrieb North: „Die rechte bürgerliche Regierung der Ukraine kämpft nicht für Selbstbestimmung, sondern für ihr Recht, der Nato beizutreten.“

In einer weiteren Chatnachricht zitierte North aus Leo Trotzkis Krieg und die Vierte Internationale:

Trotzki hat gerade eine Botschaft an dieses Treffen geschickt: „Ein ,Sozialist‘, der die nationale Verteidigung predigt, ist kleinbürgerlicher Reaktionär im Dienste des faulenden Kapitalismus. Während des Krieges sich nicht an den Nationalstaat ketten, sich leiten lassen nicht von der Kriegskarte, sondern der Karte des Klassenkampfes, kann nur die Partei, welche dem Nationalstaat schon in Friedenszeiten unversöhnlichen Krieg erklärt hat. Nur wenn sie die objektiv reaktionäre Rolle des imperialistischen Staates vollauf begreift, kann die proletarische Vorhut gefeit sein gegen Sozialpatriotismus aller Art. Das bedeutet: der wirkliche Bruch mit Ideologie und Politik der ,nationalen Verteidigung‘ ist möglich nur vom Standpunkt der internationalen proletarischen Revolution.“

Das traf für die Moderatoren der Veranstaltung so sehr ins Schwarze, dass sie North sofort und ohne Vorwarnung ausschlossen.

Als die Teilnehmer von Norths Ausschluss informiert wurden, begann ein beträchtlicher Teil von ihnen, die Moderatoren als undemokratische Befürworter von Zensur zu kritisieren. Die Sprecher zögerten, in der Diskussion fortzufahren. Erin Cass weigerte sich auf die Aufforderung des Moderators hin, erneut zu sprechen. Die anderen Redner machten überstürzte Schlussbemerkungen, und die Veranstaltung wurde beendet.

Der Inhalt der Veranstaltung und die Entscheidung der Organisatoren, David North auszuschließen, weil er Kommentare im öffentlichen Chat schrieb, ist entlarvend. Die pseudolinken Verteidiger des US-Imperialismus sind nicht in der Lage, zu antworten, wenn sie mit Opposition von der sozialistischen Linken konfrontiert sind. Trotz aller Behauptungen, der US-Imperialismus kämpfe in der Ukraine für „Demokratie“, haben sich die Veranstalter als unfähig erwiesen, die Demokratie auch nur in ihrem eigenen Chat zu respektieren. Die Veranstaltung war ein politisches Debakel für die Organisatoren und die politischen Tendenzen, die mit ihnen in Verbindung stehen.

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