Omikron-BA.2-Welle erreicht die USA

Immer mehr Gesundheitsexperten in Europa und den USA rechnen damit, dass es in den USA in den kommenden Wochen aufgrund der Verbreitung der hochgradig ansteckenden und immunresistenten Omikron-Subvariante BA.2 zu einem rasanten Anstieg der Infektionen mit Covid-19 kommen wird. Diese Einschätzungen basieren auf der derzeitigen Welle von Covid-19-Neuinfektionen in mittlerweile 18 Staaten Europas, die immer wieder Vorboten einer weiteren Welle in den USA waren.

Da die charakteristische Fähigkeit von BA.2, die Immunität zu umgehen, beträchtliche Auswirkungen für die USA haben wird, ist es notwendig, sie in den entsprechenden Kontext zu stellen. In Großbritannien zeigen die Zahlen des Office for National Statistics, dass in der letzten Woche zwischen sechs und neun Prozent der Bevölkerung positiv auf Covid-19 getestet wurden, obwohl in der Bevölkerung ein hoher Antikörperspiegel existiert, der zu etwa 97 bis 99 Prozent durch Impfungen oder frühere Erkrankungen entstanden ist.

Nach dem explosionsartigen Anstieg der Infektionen in Großbritannien sind die Hospitalisierungsraten in ganz England wieder gestiegen und nähern sich den Höchstwerten der letzten Omikron-Welle Mitte Januar, als in einer Woche 14.256 Menschen hospitalisiert wurden. Nach einem dramatischen Rückgang im Februar sind sie wieder auf 12.576 angestiegen. Wie erwartet, sind viele dieser Patienten alt und stark gefährdet, aber auch unter Kindern, der Altersgruppe mit der nach wie vor niedrigsten Impfquote, ist die Zahl der Krankenhauseinweisungen stark angestiegen.

Der Rettungssanitäter Thomas Hoang (links) vom Emergency Ambulance Service und der Sanitäter Trenton Amaro holen am 8. Januar 2021 in Placentia (Kalifornien) einen Covid-19-Patienten aus dem Krankenwagen (AP Photo/Jae C. Hong, Archiv)

Die Zahl der Todesfälle durch Covid-19 in Großbritannien ist im Vergleich zur Vorwoche um 22 Prozent gestiegen. Der Sieben-Tage-Durchschnitt bei den Todesfällen hat sich seit dem 1. März auf 128 pro Tag verdoppelt.

Obwohl in der US-Bevölkerung noch immer eine beträchtliche Immunität durch frühere Infektionen und Impfungen herrscht, stagniert die Zahl der Impfungen und Booster-Impfungen. In den letzten zwei Monaten haben weniger als drei Prozent der Bevölkerung eine Booster-Impfung erhalten. Das bedeutet, dass die amerikanische Bevölkerung mit viel schwerwiegenderen Auswirkungen rechnen muss, wenn die Dynamik der Welle sich beschleunigt.

Immer mehr Anzeichen deuten darauf hin, dass den USA eine BA.2-Welle bevorsteht. Zum einen hat sich die Zahl der sequenzierten Fälle von BA.2 in den USA in den letzten zwei Wochen verdoppelt und macht mittlerweile 34,9 Prozent aller Neuinfektionen aus. In Europa begannen die Fallzahlen ebenfalls zu steigen, als BA.2-Sequenzen die Marke von 50 Prozent überschritten. In den USA wird das vermutlich Ende nächster Woche passieren. In Neuengland macht BA.2 bereits die Hälfte aller sequenzierten Infektionen aus.

In Boston ist die Zahl der täglichen Neuinfektionen in den letzten Tagen fast um das Dreifache auf etwa 200 gestiegen. Der ehemalige New Yorker Stadtrat Mark Levine twitterte vor kurzem: „Manhattan ist die treibende Kraft beim aktuellen Anstieg der Fallzahlen in NYC“, wo die positiven Testraten in die Höhe schießen. Der 14-Tage-Wert bei den täglichen Neuinfektionen ist mit 44 Prozent so stark angestiegen wie nirgendwo sonst im Land. Zwölf Bundesstaaten, darunter sechs im Nordosten, haben Aufwärtstrends gemeldet, obwohl immer weniger offiziell getestet wird und immer mehr Antigen-Schnelltestkits zu Hause benutzt werden, deren Ergebnis nicht gemeldet wird.

Momentan steigt der landesweite Durchschnitt der täglichen Neuinfektionen wieder an und liegt bei knapp über 30.000 pro Tag. Das letzte Mal lag der tägliche Anstieg der Neuinfektionen in den ersten Sommermonaten 2021 auf diesem Wert. Die Zahlen waren dann auf unter 13.000 pro Tag gesunken, woraufhin Präsident Joe Biden am 4. Juli erklärte, die USA hätten die Unabhängigkeit vom Coronavirus erlangt.

Nur wenige Wochen nach dieser kurzsichtigen falschen Einschätzung breitete sich Delta im ganzen Land aus und führte zu Rekordwerten bei Hospitalisierungen und Todesfällen, gefolgt von der noch katastrophaleren Omikron-Welle. In den letzten neun Monaten sind fast 400.000 Amerikaner an Covid-19 gestorben. Die Gesamtzahl überstieg letzte Woche laut Worldometers die Millionengrenze.

Momentan sterben jeden Tag durchschnittlich 735 Amerikaner an Covid-19. Allerdings hat die Biden-Regierung die Zeit nicht genutzt, die ihr das natürliche Abebben der BA.1-Welle verschafft hat. Statt das Land auf künftige Varianten vorzubereiten, behauptet das Weiße Haus, es seien keine Mittel für die Pandemiebekämpfung vorhanden. Gleichzeitig weigert es sich, den Defense Production Act anzuwenden, um die notwendigen Mittel und Materialien anzufordern.

Die Weigerung des gesamten politischen Establishments, die Pandemie zu bekämpfen, wird verheerende Folgen für die amerikanische Bevölkerung haben.

Letzte Woche kündigte das Weiße Haus in einer Stellungnahme an, ohne eine sofortige Geldspritze in Höhe von 22,5 Milliarden Dollar werde die Regierung nicht genug Booster-Impfdosen kaufen können. Die Gesundheitsdienstleister werden nicht mehr in der Lage sein, die 25 Millionen nicht Versicherten zu testen, zu behandeln und zu impfen. Es wird keine weiteren Mittel für monoklonale Antikörper oder Virostatika geben, wenn die existierenden Bestände erschöpft sind. Programme zur schnellen Identifikation und Auswertung entstehender Varianten des Virus werden beendet. Fast zehn Millionen abwehrgeschwächte Amerikaner werden im Stich gelassen.

Ebenfalls bedroht sind die Mittel für eine selten erwähnte, aber wichtige Datenquelle über den Stand der Pandemie: die Abwasseranalyse des genetischen Materials von Sars-CoV-2. Abwasserbasierte Epidemiologie hat sich als wirksam und zuverlässig im Kampf gegen Sars-CoV-2 erwiesen. Sie kann nachweislich beginnende Wellen in Kommunen entdecken und als Frühwarnbarometer dienen, wenn sie benutzt wird, um die Bevölkerung zu warnen und Eindämmungsmaßnahmen umzusetzen.

Momentan zeigen Abwasserdaten aus Kalifornien, Texas, Louisiana, Missouri und anderen Bundesstaaten einen Anstieg des genetischen Materials von Sars-CoV-2 in ihren Proben; dennoch werden keine nennenswerten Warnungen vor der Gefahr einer neuen Welle herausgegeben.

Weil symptomatische als auch asymptomatische Erkrankte nach der Infektion Virenfragmente ausscheiden, ist Abwasser ideal, um Ausbrüche frühzeitig zu identifizieren. Community-Ausbrüche können entdeckt werden, Wochen bevor ein Ausbruch unter vielen Infizierten diagnostiziert wird und die Test-Positivraten zu steigen beginnen.

Wäre ein rationaler Plan vorhanden, dann hätten die Gesundheitsbehörden genug Zeit, ihre Untersuchungen aufzunehmen und Ausbrüche einzudämmen, bevor sie sich unkontrolliert ausbreiten. Mehrere Studien haben die Genauigkeit und Durchführbarkeit von Abwasserüberwachung bewiesen und den Beginn neuer Wellen vorhergesagt. Doch im Verlauf der Pandemie wurde der Einsatz dieser unschätzbar wertvollen Werkzeuge behindert, so dass sie nicht flächendeckend festgeschrieben oder in die Richtlinien zur Pandemiebekämpfung eingebunden sind.

Die Führung der Seuchenschutzbehörde CDC, führende nationale Gesundheitsexperten und das gesamte politische Establishment ignorieren diese Entwicklungen durch BA.2. Nachdem sie während des Abschwungs der BA.1-Welle alle landesweiten Mitigationsmaßnahmen aufgehoben haben, verharmlosen sie jetzt aktiv die Gefahren. Bestenfalls räumen sie ein, dass die BA.2-Welle unausweichlich ist und bagatellisieren die Risiken, die sie für die Bevölkerung darstellt, indem sie diese abtun und beschwichtigen.

Anfang letzter Woche erklärte der oberste medizinische Berater des Weißen Hauses, Dr. Anthony Fauci, in der ABC-Sendung This Week: „Unter dem Strich wird es wahrscheinlich einen Anstieg der Fallzahlen geben, wie wir ihn in den europäischen Ländern erlebt haben, vor allem in Großbritannien. Hoffentlich erleben wir keine Welle, aber das glaube ich nicht.“

Doch auch wenn Fauci BA.2 als ungefährlich abtut, hat sich Sars-CoV-2 immer wieder als gefährliches Virus erwiesen. Alles spricht dafür, dass Infektionen nicht nur zu Todesfällen führen, sondern auch zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Bevölkerung.

Aktuelle Studien haben gezeigt, dass sich die Gesamtsterblichkeit bei zuvor Infizierten selbst bei einer mild verlaufenden Infektion mit Covid-19 beträchtlich erhöht. Vorherige Infektionen erhöhen das Diabetesrisiko. Die Auswirkungen auf Gehirn, das Atem- und das kardiovaskuläre System werden bei Hunderttausenden und möglicherweise Millionen Menschen chronische Behinderungen hervorrufen. Die gefährlichen Langzeitfolgen beginnen wir gerade erst zu verstehen.

Grundsätzlich ist die ungehinderte weltweite Ausbreitung von BA.2 nicht nur wegen der unmittelbaren und beträchtlichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung bedenklich. Das Virus wird außerdem neue Varianten entwickeln, die sich ständig an die Immunität der Bevölkerung anpassen und immer ansteckendere Versionen hervorbringen, die die Immunität noch besser umgehen. Faucis Annahme, diese Welle werde nicht die gleichen Auswirkungen haben, basiert nicht auf wissenschaftlichen Tatsachen. Die erneute Durchseuchung schafft die notwendigen Bedingungen für die nächste Variante, welche die Weltbevölkerung gefährden wird.

Eine Strategie zur Eliminierung von Covid-19 ist nach wie vor machbar und durchführbar. Zudem ist sie die einzige Strategie, die ein dauerhaftes Ende der Pandemie gewährleistet. Sie würde den Kreislauf des Leids und der Verwüstung ein für alle mal beenden und das Leben und die Gesundheit von Milliarden Menschen retten.

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