Am Sonntagabend berichtete der Independent um 21.00 Uhr über einen von den Führern der 14 größten britischen Gewerkschaften unterzeichneten Brief an den Verkehrsminister der Tory-Regierung Grant Shapps. Darin drängen die Unterzeichner auf Gespräche in letzter Minute, um die für diese Woche geplanten Bahnstreiks zu verhindern.
Das Schreiben ist ein Versuch, einen Streik zu sabotieren, den kein Gewerkschaftsbürokrat im Vereinigten Königreich wünscht – ungeachtet wochenlanger Kampfansagen von Gewerkschaftsführern, die im Namen ihrer Mitglieder mit Aktionen drohten. Es bestätigt, dass die Weigerung der Johnson-Regierung, die Kapitulationsbedingungen der Gewerkschaften zu akzeptieren, derzeit das einzige Hindernis eines faulen Ausverkaufs der Eisenbahner ist.
Nur einen Tag, nachdem der Trades Union Congress (TUC) in London eine Demonstration mit zehntausenden Teilnehmern gegen die Sparpolitik der Tory-Regierung abgehalten hatte, erklärte die kurz vor dem Ruhestand stehende TUC-Generalsekretärin Frances O’Grady: „Anstatt die Flammen dieses Streits zu schüren, sollte die Regierung mit gutem Willen daran arbeiten, eine Verhandlungslösung zu finden. Sie hat die Macht, dies zu tun.“
Gemeinsam mit O’Grady schreiben die Generalsekretäre von Unite, GMB, Unison, der National Education Union und der Communication Workers’ Union – Gewerkschaften, von denen viele im Sommer und Herbst mit Streiks drohen: „Die Gewerkschaftsbewegung wird niemals Versuche akzeptieren, Arbeiter voneinander zu spalten.“
„Angesichts explodierender Haushaltsrechnungen und Preise werden Arbeiter natürlich versuchen, Arbeitsplätze, Löhne und Arbeitsbedingungen zu verteidigen. Das Recht, Arbeitskraft vorzuenthalten, ist eine grundlegende britische Freiheit.“
Doch dann bitten sie Shapps: „Unsere Bahngewerkschaften streben eine Verhandlungslösung für diesen Konflikt an, und wir fordern Sie dringend auf, sich mit den Gewerkschaften und Arbeitgebern an einen Tisch zu setzen, um eine faire Lösung zu finden.“
Der TUC weist darauf hin, dass die Eisenbahner in Wales bereits Vereinbarungen mit den Bahnbetreibern über Löhne und Arbeitsplatzschutz getroffen hätten und dass in Schottland „ernsthafte Verhandlungen“ stattfänden. Dieselbe „Chance“ sei „anderen Bahnbeschäftigten von Ministern in Westminster verwehrt worden. Sie hätten auf der Durchsetzung von Kürzungen bestanden, anstatt über eine Zukunft der Bahn zu verhandeln, die sowohl den Bahnreisenden als auch dem Personal zugutekommt“.
Wie die World Socialist Web Site berichtete, appellierte Mick Lynch, Generalsekretär der Eisenbahn-, Schifffahrts- und Transportgewerkschaft (RMT), am 15. Juni direkt an Shapps und Kanzler Rishi Sunak, ein „dringendes Treffen... ohne Vorbedingungen“ einzuberufen, um an den Streiktagen Dienstag, Donnerstag und Samstag Streiks von Arbeitern des Infrastrukturunternehmens Network Rail und 13 Eisenbahnunternehmen abzuwenden.
Darin bestand der zentrale Appell im Rahmen einer Parlamentsdebatte am vergangenen Donnerstag. Er wurde von der Labour-Schattenministerin für Verkehr Louise Haigh für die rechte Parteiführung und vom ehemaligen Vorsitzenden Jeremy Corbyn sowie seinem wichtigsten Verbündeten, dem ehemaligen Schattenkanzler John McDonnell, unterstützt.
Am Sonntag übermittelte der Labour-Vorsitzende Sir Keir Starmer seine eigene Version derselben Botschaft und warf Shapps ebenfalls vor, einen Streik, den die Labour-Partei ablehnte, nicht verhindert zu haben. „Anstatt seine Zeit in dieser Woche am Verhandlungstisch zu verbringen, entwirft man Angriffsanzeigen. Anstatt erwachsene Gespräche zu führen, um die Situation zu entschärfen, gießt man Benzin ins Feuer. Anstatt die Menschen im nationalen Interesse zusammenzubringen, schürt man Spaltung im eigenen politischen Interesse“.
In einem separaten Schreiben an Shapps betonte Haigh: „Die einzige Möglichkeit, die Situation zu lösen, besteht darin, dass Ihre Regierung aufhört, die Gespräche zu boykottieren und sich an den Verhandlungstisch setzt. In den verbleibenden 24 Stunden ist es an der Zeit, Führungsstärke zu zeigen, um den Streik zu verhindern.“
Shapps hat Gespräche mit der RMT abgelehnt und hat erklärt: „Das ist ein Trick der Gewerkschaft. Sie taucht plötzlich in letzter Minute auf und sagt: ‚Wir müssen jetzt mit der Regierung verhandeln‘“ Er fügte hinzu, dass die Gewerkschaft es auf einen Streik „anlegt“.
Am Sonntag antwortete Lynch auf Sky News verzweifelt: „Was sollen wir denn sonst tun? Sollen wir betteln? Sollen wir flehen? Wir wollen um unsere Zukunft verhandeln. Wir wollen verhandeln.“
Wenn es nach der Gewerkschaftsbürokratie ginge, würde es im Vereinigten Königreich nie wieder einen Streik geben, ganz zu schweigen von den nun angedrohten Arbeitskämpfen. Doch die Fähigkeit der Gewerkschaften, den Klassenkampf im Auftrag der großen Unternehmen zu kontrollieren, wurde stark untergraben – nicht nur, weil die Tories keinen Kompromiss anbieten, den sie ihren Mitgliedern verkaufen können, sondern auch, weil die Arbeiterklasse die Konfrontation mit der Regierung und den Arbeitgebern sucht. Wie Lynch gegenüber Sky News erklärte, schienen die Streiks in dieser Woche unvermeidlich zu sein, und weitere Arbeiter würden für Streiks stimmen, „weil die Leute es nicht mehr aushalten“.
Doch Arbeiter, die sich wehren wollen, dürfen nicht zulassen, dass die Gewerkschaften in den bevorstehenden Kämpfen die Führung übernehmen, sonst werden sie demobilisiert und verraten werden.
Die Socialist Equality Party ruft Arbeiter eindringlich auf, in allen Betrieben von den Gewerkschaften unabhängige Aktionskomitees zu gründen, die den Würgegriff der Bürokratie brechen und die Arbeiterklasse in die Lage versetzen können, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Wir fordern die Eisenbahn-Arbeiter und alle, die die Johnson-Regierung zu Fall bringen wollen, auf, noch heute mit der SEP und ihren Schwesterparteien Kontakt aufzunehmen.