Assange reicht Berufungsantrag beim britischen High Court ein

Der WikiLeaks-Gründer Julian Assange hat beim High Court in London Berufung gegen seine Auslieferung beantragt. Am 17. Juni hatte Innenministerin Priti Patel grünes Licht für seine Abschiebung in die Vereinigten Staaten gegeben.

WikiLeaks-Gründer Julian Assange nach einer Gerichtsverhandlung in London, 1. Mai 2019 (AP Photo/Matt Dunham) [AP Photo/Matt Dunham]

Eine solche Berufung würde wahrscheinlich erstmals die Chance bieten, die zentralen Fragen der demokratischen Rechte anzusprechen, um die es bei der mehr als zehnjährigen Verfolgung von Assange eigentlich geht. Die US-Regierung und die britischen Gerichte haben diese Fragen bisher weitgehend aus dem Verfahren ausgeklammert. Assanges Frau Stella Moris sagte letzten Monat gegenüber dem Radiosender ABC, dass bei der Berufung Beweise für Attentatspläne der CIA vorgelegt werden sollen. Dazu gehörten auch Pläne, Assange zu vergiften, während er in der ecuadorianischen Botschaft in London Zuflucht suchte.

Der Rechtswissenschaftler Dr. Paul Arnell von der Robert-Gordon-Universität in Aberdeen erklärte in einem Beitrag für The Scotsman, dass in diesem Stadium des Verfahrens geprüft werden könnte, „ob sein Recht auf freie Meinungsäußerung wichtig genug ist, um seine Auslieferung zu verhindern, und ob das Motiv für die USA, seine Auslieferung zu betreiben, seine politischen Ansichten seien“.

Parallel läuft derzeit ein Verfahren in Spanien, bei dem Assanges Anwälte das Unternehmen UC Global, das für die Sicherheit der ecuadorianischen Botschaft sorgte, verklagen, weil es Assange und seine Mitarbeiter im Auftrag des US-Geheimdienstes ausspioniert haben soll. Letzten Monat versuchte Richter Santiago Pedraz, den ehemaligen CIA-Direktor und Außenminister Mike Pompeo vorzuladen. Dabei ging es um die Entführungs- und Mordpläne gegen den WikiLeaks-Gründer, die Yahoo im September 2021 aufgedeckt hatte.

Die Komplizenschaft des britischen Staats bei dieser laufenden Fahndung zeigte sich vergangene Woche deutlich, als Pompeo das Vereinigte Königreich besuchte. Patel twitterte ein gemeinsames Foto der beiden mit der Bildunterschrift: „Ich freue mich, meinen Freund, den ehemaligen US-Außenminister Mike Pompeo, im Innenministerium zu empfangen.“

Stella Moris kommentierte: „Pompeo ist nicht Teil der Biden-Administration, daher ist Patels Tweet aus protokollarischer Sicht sehr merkwürdig und diplomatisch völlig daneben. Pompeo ignoriert einfach die Vorladung des spanischen High Courts, wo er über Pläne zur Ermordung von Assange aussagen soll.“

Pompeo hatte Assange verfolgt, weil dieser die verbrecherischen Kriege des US-Imperialismus im Irak und in Afghanistan aufgedeckt hatte, und Pompeos jüngster Besuch in London diente der Förderung eines neuen solchen Krieges. Dazu schrieb Patel: „Unsere Nationen stehen Schulter an Schulter, damit unsere gemeinsamen Werte verteidigt und respektiert werden. Dies könnte nicht deutlicher sein als gerade jetzt, in unserer unerschütterlichen Unterstützung für die Ukraine gegen Putins Aggression.“

In einer Rede vor der britischen Denkfabrik Policy Exchange forderte Pompeo das Vereinigte Königreich auf, die Aggression der USA gegen China zu unterstützen, und er wiederholte die Lüge über das Wuhan-Labor und behauptete, China sei für die Covid-Pandemie verantwortlich.

Das Oberste Gericht des Vereinigten Königreichs muss Assanges Berufung erst zustimmen, ehe sie in Kraft treten kann. Schon bisher haben britische Richter es abgelehnt, im Fall Assange dem WikiLeaks-Gründer selbst Gehör zu schenken. Bevor die Angelegenheit an Patel weitergeleitet wurde, hatte Assange gegen eine frühere Entscheidung des High Court zugunsten der USA Berufung beim Supreme Court eingelegt. Dieser hatte es im März abgelehnt, den Fall zu verhandeln, so dass er direkt in Patels Hände gelangte.

Sollte der High Court auch bei der jüngsten Berufung so verfahren, dann werden Assanges Anwälte nach eigenen Angaben noch andere Wege beschreiten. Sie wollen bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gehen.

Allerdings ist die Regierung Johnson bereits dabei, auch diesen Weg zu versperren. Letzten Monat brachte sie die Abschaffung des Human Rights Act ins Parlament ein, den sie durch eine britische Bill of Rights ersetzen will. Die Tory-Regierung ist bestrebt, den Schutz der Menschenrechte zu schwächen, und plant deshalb, die Befugnisse des EGMR außer Kraft zu setzen. Sie will sich dabei auf ihre Souveränität stützen und behauptet, britische Gerichte hätten Vorrang vor allen anderen.

Gegen das Gesetz formiert sich Widerstand. Dieser stützt sich bisher im Wesentlichen auf die jüngste Entscheidung des EGMR, mehrere Abschiebungen von Asylbewerbern nach Ruanda auszusetzen, eine Entscheidung, die Großbritannien anfechten will. Dies ist jedoch nur eins von vielen Beispielen für die gesetzlose Art und Weise, mit der die Johnson-Regierung vorgeht. Sie hat sich selbst einen Freibrief ausgestellt, um jedes kriminelle Ziel zu erreichen – und die Auslieferung Assanges steht auf ihrer Liste ganz oben.

Jede Berufung bedeutet zudem eine weitere, monatelange juristische Auseinandersetzung mit einer Reihe von Anhörungen, und Assange wird währenddessen weiter im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh eingesperrt bleiben. Dort wird er schon über drei Jahren lang inhaftiert.

Die Regierung hat den Journalisten Assange bewusst in einer Einrichtung für gefährliche Gefangene untergebracht, wo extrem strenge Besuchsregeln gelten und fast kein Verkehr mit der Außenwelt möglich ist, um seine geistige und körperliche Gesundheit zu ruinieren.

Die jüngste brutale Behandlung hat dies erneut gezeigt. Als Patel ihre Entscheidung zu seiner Auslieferung bekanntgab, ließ das Belmarsh-Gefängnis Assange nackt ausziehen und in einer kahlen Zelle unterbringen. Als Begründung hieß es, man sei um seine Gesundheit besorgt, und es bestehe die Gefahr, dass er sich selbst verletze. Am darauf folgenden Wochenende wurde ihm jeglicher Besuch verweigert.

Im Jahr 2020 sagten Psychologen während der besonders wichtigen Auslieferungsanhörungen, dass Assanges psychische Gesundheit beeinträchtigt sei: Es bestehe die Gefahr eines Suizidversuchs. Sie bestätigten damit die Warnungen des UN-Sonderberichterstatters für Folter, Nils Melzer, sowie auch der Gruppe Ärzte für Assange, die auf die Folgen psychologischer Folter hingewiesen hatten. Diese Beweislage bildete die Grundlage für die erste Entscheidung einer Bezirksrichterin, dass Assange nicht auszuliefern sei, weil dies für ihn „repressiv“ wäre. Diese Entscheidung wurde jedoch seither wieder umgestoßen.

Der Professor für Neuropsychiatrie Michael Kopelman sagte bei der ursprünglichen Auslieferungsanhörung im September 2020, dass ein „sehr hohes Suizidrisiko“ bestehe, und dass „die bevorstehende Auslieferung und/oder eine tatsächliche Auslieferung“ einen solchen Versuch auslösen werde. Auch Moris bestätigte, dass Assange ihr noch „vor kurzem“ gesagt hatte, falls man ihn an die USA ausliefere, werde er sich umbringen.

Anlässlich des 51. Geburtstags des WikiLeaks-Gründers fanden am Wochenende weltweit Veranstaltungen statt. Er feiert seinen Geburtstag nun schon zum zehnten Mal in irgendeiner Form von britischer Gefangenschaft – sei es als Asylbewerber in der ecuadorianischen Botschaft oder als Häftling von Belmarsh.

Langjährige Unterstützer schickten Botschaften, so zum Beispiel der erfahrene australische Enthüllungsjournalist John Pilger. Dieser twitterte: „Seitdem ich Julian vor mehr als zehn Jahren kennengelernt habe, beobachte ich schon, wie dieser heldenhafte Mann verfolgt wird von denjenigen, die ihren Extremismus hinter einer demokratischen Fassade verstecken. Er hat sie entlarvt, und dafür sind wir ihm dankbar. Ich gratuliere meinem Freund zu seinem Geburtstag.“

Die italienische Journalistin und frühere Mitarbeiterin Assanges, Stefania Maurizi, schrieb: „Morgen ist Julian Assanges Geburtstag. Im Jahr 2011 lud er mich zu seiner 40. Geburtstagsparty ein: Er stand unter Hausarrest, danach noch 7 Jahre in der Botschaft, heute in Belmarsh. Für meine Zeitung arbeite ich seit 2009 mit Wikileaks zusammen. Wann habe ich ihn das letzte Mal als freien Mann getroffen? 28. September 2010.“

In einer Erklärung für Double Down News klagte Stella Moris die britische und die US-Regierung an. Sie sagte: „Um Julian zu Unrecht zu verurteilen, wurde das Recht an jeder Stelle verdreht ... Das Vereinigte Königreich stellt sich auf den Standpunkt, einen Verleger an das Land auszuliefern, das sich verschworen hat, ihn umzubringen.“ Sie fuhr fort: „Wie viel hat die britische Regierung gewusst? Wie weit war die britische Regierung bereit, die Pläne der US-Regierung unter dem CIA-Direktor Mike Pompeo mitzutragen? Auf diese Fragen gibt es bisher keine Antwort.“

Für den kommenden Sonntag, 15 Uhr Ortszeit (07:00 Uhr MEZ), lädt die Socialist Equality Party (Australien) unter dem Titel „Oppose British extradition order: Fight to free Julian Assange!“ (Weist die britische Auslieferungsorder zurück: Kämpft, um Julian Assange zu befreien!) zu einer Online-Veranstaltung ein. Dazu erklärt die SEP in ihrem Aufruf: „Der Rachefeldzug gegen Assange ist auch ein Angriff auf den massenhaften Widerstand von Arbeitern und Jugendlichen gegen die Kriegspolitik. Er soll als Präzedenzfall für Verfolgung und Verbot dienen und ist Teil der Hinwendung zu autoritären Herrschaftsformen, die sich gegen ein Wiederaufleben des Kampfs der Arbeiterklasse richtet, einschließlich großer Streiks in Großbritannien, den USA und Australien.“

Weiter heißt es dort: „Auf dieser Veranstaltung werden Redner der Socialist Equality Party aus Australien und Großbritannien die Notwendigkeit einer verstärkten Kampagne für Assanges Befreiung darlegen. Wie beim Kampf gegen den Krieg, erfordert auch der Kampf für Assanges Befreiung die Mobilisierung der internationalen Arbeiterklasse. Sie wird als einzige gesellschaftliche Kraft die demokratischen Rechte verteidigen.“

Loading