Palästinensische Kinder durch israelische Luftangriffe auf den Gazastreifen getötet

Drei Tage lang hat Israel den Gazastreifen bombardiert. Die Angriffe auf die dicht besiedelte und verarmte Küstenenklave, die schwersten seit Mai 2021, richten sich gegen Führer des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ), Zivilisten und ihr Eigentum.

Bis zum Sonntagabend wurden bei den „chirurgischen“ israelischen Luftschlägen mindestens 43 Palästinenser getötet, darunter die hohen PIJ-Militärkommandanten Taysir al-Jabari und Khalid Mansur im Norden und Süden des Gazastreifens. 15 Kinder und vier Frauen wurden seit Freitag getötet. Mindestens 300 weitere Menschen — über die Hälfte davon Frauen und Kinder — wurden verwundet, und mindestens 31 Familien wurden obdachlos. Ein israelischer Zivilist und zwei Soldaten wurden durch Granatsplitter leicht verwundet.

Rauchsäule nach israelischen Luftangriffen auf ein Gebäude im Stadtteil Shijaiyah in Gaza-Stadt, 7. August 2022 (Hatem Moussa/WSWS) [Photo: Hatem Moussa/WSWS]

Die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) erklärten, ihre Luftangriffe seien eine präventive Operation gewesen, mit der geplante Raketenangriffe des Palästinensischen Islamischen Dschihad auf Israel verhindert werden sollten. Weiter erklärten sie, die Operation könne bis zu eine Woche dauern.

Die ständigen Gewaltausbrüche – Israel hat seit seinem „Rückzug“ aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 mindestens acht mörderische Angriffe auf die belagerte Enklave geführt – folgen unweigerlich aus der 15-jährigen Belagerung des Gazastreifens durch Israel. Sie wurde vom ägyptischen General Abdel Fattah el-Sisi, dem Schlächter von Kairo, und dem Präsidenten der Palästinenserbehörde Mahmud Abbas begünstigt. Die Blockade, ein völkerrechtswidriger Akt der Kollektivstrafe, hat die Enklave in ein Freiluftgefängnis für ihre zwei Millionen Einwohner verwandelt. Viele haben nicht einmal Zugang zu lebensnotwendigen Dingen wie sauberem Wasser, Kanalisation und Strom. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung ist arbeitslos, die große Mehrheit lebt in entsetzlicher Armut.

Die Übergangsregierung von Jair Lapid, der eine Koalition aus acht Parteien anführt — darunter eine der arabischen Parteien Israels und mehrere jüdische Parteien, die angeblich einen palästinensischen Staat neben Israel unterstützen — hat zeitgleich mit dem Krieg im Gazastreifen der extremen Rechten freie Hand gelassen, Gewalt gegen Palästinenser in Jerusalem aufzuwiegeln.

Am Sonntagmorgen stürmten 1.000 religiöse Fanatiker, rechtsextreme Nationalisten und Siedler unter dem Schutz der israelischen Sicherheitskräfte die Al-Aqsa-Moschee in Ostjerusalem. Sie schwenkten israelische Flaggen, beteten und riefen anti-muslimische und anti-arabische Parolen. Damit verstießen sie gegen die seit langem bestehenden Abkommen mit Jordanien, dem offiziellen Verwalter des Moscheegeländes, wonach es nicht-Muslimen verboten ist, in der Moschee zu beten oder israelische Symbole zu zeigen. Die israelische Polizei hat jedoch nahezu täglich Siedlern und rechtsextremen Aktivisten Zutritt zu der Stätte gewährt.

Die Behörden haben diese jüngste Provokation zugelassen, während zeitgleich der dritte Tag des israelischen Militärangriffs auf den Gazastreifen anbrach, da sie fürchteten, palästinensische Bewohner könnten darauf mit Auseinandersetzungen und Protesten reagieren. Im Mai 2021 führten ähnliche Proteste auf dem Gelände der al-Aqsa-Moschee, die während des Ramadan stattfanden, zu einem elftägigen israelischen Angriff auf den Gazastreifen, bei dem 256 Palästinenser getötet wurden, und zu schweren Unruhen in den „gemischten“ Städten Haifa, Acre, Lod und Ramallah.

Der jüngste Konflikt begann am letzten Montag, als israelische Spezialeinheiten das Flüchtlingslager Dschenin im besetzten Westjordanland stürmten. Sie setzten scharfe Munition, Gummigeschosse und Tränengas gegen Palästinenser ein und verhafteten den ranghohen PIJ-Führer Bassam al-Saadi und seinen Schwiegersohn Ashraf al-Jada in seinem Haus in Dschenin. Bilder, auf denen al-Saadi über den Boden geschleift und von einem Kampfhund verfolgt wird, lösten einen Proteststurm von Anhängern des PIJ aus, die um sein Leben fürchteten. Der Islamische Dschihad schwor Rache.

Die PIJ ist inzwischen die stärkste Kraft des bewaffneten Widerstands in Dschenin und Nablus gegen Israel und sein „Subunternehmen“, die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) von Präsident Mahmud Abbas. Während der Razzia erschossen die israelischen Streitkräfte auch den 17-jährigen palästinensischen Jugendlichen Derar Riyad al-Kafrini und verletzten Saadis Frau und mindestens eine weitere Person.

Israel behauptete, der PIJ bereite im Gazastreifen Angriffe auf Israel vor und traf deshalb umfassende Vorbereitungen auf eine lang anhaltende Operation gegen den Islamischen Dschihad. Die israelische Regierung verhängte Ausgangssperren in Städten und Dörfern im Süden Israels, Straßen wurden gesperrt und Verstärkungen in das Gebiet geschickt. Zusätzlich wurden zehn Reservebataillone des Grenzschutzes in Bereitschaft versetzt, falls es in den überwiegend palästinensischen Städten des Landes zu Unruhen kommen sollte. Die Grenzübergänge zum Gazastreifen bei Erez und Kerem Shalom wurden geschlossen, sodass lebenswichtige Güter wie Lebensmittel und Treibstoff nicht in die belagerte Enklave kommen konnten; Patienten und die 14.000 Palästinenser aus dem Gazastreifen mit Arbeitserlaubnis in Israel konnten den Gazastreifen nicht verlassen. Kurz danach kündigte das einzige Kraftwerk des Gazastreifens wegen Treibstoffmangels die Einstellung des Betriebs an.

Am Freitag begann Israel mit gezielten Angriffen auf den Gazastreifen, deren Ziel es nach eigenen Angaben war, die Führer und Kämpfer des Islamischen Dschihad „auszuschalten“. Die USA und die europäischen Großmächte unterstützten dieses jüngste Kriegsverbrechen mit der Behauptung, Israel habe das „Recht auf Selbstverteidigung“ gegen Angriffe – obwohl es gar keinen Angriff gegeben hatte.

Jair Lapid, der bis zu den fünften Wahlen innerhalb von vier Jahren am 1. November das Amt des geschäftsführenden israelischen Ministerpräsidenten innehat, bezeichnete den PIJ als „Stellvertreter des Iran, der den Staat Israel zerstören will“. Diese Äußerung zeigt, dass Israel in der Region eine Offensive gegen die Verbündeten des Iran vorbereitet.

Der PIJ und die im Gazastreifen regierende Hamas – ein Ableger der Moslembrüder – werden von den USA und den europäischen Mächten als „Terrororganisationen“ eingestuft. Der PIJ wird vom Iran unterstützt und hat auch im Libanon und Syrien Anhänger. PIJ-Führer Siad al-Nakhalah befand sich am Freitag, als Israel seine Luftangriffe auf den Gazastreifen begann, in Teheran bei Gesprächen mit dem iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi.

Al-Nakhalah kündigte Vergeltungsangriffe auf israelische Städte an, u.a. auf Tel Aviv. Doch die meisten der 400 Raketen, die der PIJ erst nach den israelischen Angriffen abfeuerte, wurden von dem Raketenabwehrsystem Iron Dome abgefangen oder schlugen auf freiem Feld ein. Nur ein Haus wurde beschädigt.

Der Oberbefehlshaber der iranischen Revolutionsgarden, Generalmajor Hossein Salami, erklärte am Samstag, die Palästinenser seien „nicht allein“ in ihrem Kampf gegen Israel: „Wir stehen euch auf diesem Weg bis zum Ende bei. Palästina und die Palästinenser sollen wissen, dass sie nicht alleine sind.“ Israel, fügte er hinzu, „wird einen weiteren hohen Preis für das jüngste Verbrechen bezahlen“.

Die Hamas erklärte trotz ihrer erbitterten Gegnerschaft zu ihrem Rivalen, sie unterstütze die Reaktion des Islamischen Dschihads auf die israelischen Angriffe. Hamas unternahm jedoch nichts gegen Israel, um eine Eskalation zu einem offenen Krieg abzuwenden. Auch während des zweitägigen Angriffs Israels auf den Gazastreifen im November 2019, bei dem der südliche Militärkommandant der PIJ Bahaa Abu el-Atta und seine Frau getötet wurden, blieb die Hamas untätig.

Im Gegensatz zum ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu haben die Regierungen unter Naftali Bennett und nun unter Lapid versucht, die Hamas auf Kosten der Fatah-dominierten Palästinensischen Autonomiebehörde zu stärken, um die palästinensische Bevölkerung zu spalten. Israel hat einige der Beschränkungen für den Gazastreifen aufgehoben und die Stromversorgung und die Wiederaufbaumöglichkeiten verbessert. Die israelische Regierung hat 20.000 Bewohnern des Gazastreifens eine Arbeitserlaubnis ausgestellt, mit der sie täglich nach Israel einreisen und dort für Löhne arbeiten können, die teilweise zehnmal höher sind als im Gazastreifen, wo die Arbeitslosenquote bei über 50 Prozent liegt.

Berichten zufolge hat die Lapid-Regierung einem von Ägypten vermittelten Waffenstillstand zwischen Israel und dem Islamischen Dschihad zugestimmt, der am Sonntag um 20 Uhr in Kraft treten soll. Israel hat sich verpflichtet, den Treibstoffmangel im Gazastreifen zu verringern, wenn die Hamas im Gegenzug gegen den PIJ vorgeht. Ob dieses Abkommen hält, bleibt abzuwarten.

Lapid steht in einer hart umkämpften Wahl zwei Rivalen um das Amt des Ministerpräsidenten gegenüber. Einer davon ist Netanjahu, dem derzeit trotz eines Verfahrens wegen Bestechung, Korruption und Untreue in drei Fällen die größten Stimmenanteile prognostiziert werden, vor allem wenn seine rechtsextremen religiösen Verbündeten – Itamar Ben Gvirs Jüdische Macht und Bezalel Smotrichs Partei Religiöser Zionismus – einem Wahlbündnis zustimmen, wie sie es bereits vor der Wahl im letzten Jahr getan haben. Der zweite Rivale ist Netanjahus Verteidigungsminister und ehemaliger militärischer Oberbefehlshaber Benny Gantz. Lapid, der nie einen Posten im Sicherheitsapparat innehatte, ist daher erpicht darauf, seine militaristischen Lorbeeren zu vermehren.

Seine Versuche, die Palästinenser zu terrorisieren und sich der faschistischen extremen Rechten zu schmeicheln, sollen die immensen sozialen Spannungen innerhalb der israelischen Gesellschaft nach außen lenken, da sich die Wahlen – was ungewöhnlich ist – auf die steigenden Lebenshaltungskosten und die wachsende Armut konzentrieren. Israel ist unter den entwickelten Ländern eine der Gesellschaften mit der größten Ungleichheit und hat die höchste Armutsquote aller Länder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

Die Koalitionsregierung, die erst seit einem Jahr an der Macht ist, hat die ohnehin schon große sozioökonomische Kluft der israelischen Gesellschaft durch Steuersenkungen für Reiche, Preiserhöhungen für Grundgüter und Agrarreformen verschärft, die Landwirte in den Ruin treiben werden. Zur Begrenzung der rasant steigenden Wohnkosten hat sie nichts unternommen. Genau wie andernorts haben die schlimmer werdenden Lebensbedingungen der meisten israelischen Arbeiter und ihrer Familien zu zunehmenden Streiks und Protesten der Arbeiterklasse geführt.

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