Perspektive

Gemetzel in Gaza: Israels Kriegsverbrechen und US-Heuchelei

In den vergangenen drei Tagen wurden bei unablässigen israelischen Luftangriffen mindestens 45 Palästinenser, darunter 16 Kinder, getötet. Es kam darüber hinaus zu großen Zerstörungen.

Mindestens 400 Menschen wurden verletzt, viele von ihnen schwer, und die wenigen, kaum funktionierenden Krankenhäuser und Kliniken in Gaza waren überfordert. Rund 2,3 Millionen Palästinenser leben im Gazastreifen, der durch israelische und ägyptische Militärsperren und Zäune abgeriegelt ist. Hunderte von Bomben und Raketen sind auf ein Gebiet niedergegangen, das nur 360 Quadratkilometer groß ist. Zum Vergleich: Das Saarland ist etwa sieben Mal größer als der Gazastreifen.

Die am stärksten bombardierten Stadtteile, in denen sich nach israelischen Angaben Führer des Islamischen Dschihad aufhielten und die deshalb ins Visier genommen wurden, boten ein Bild apokalyptischer Zerstörung: Krater, wo Wohnhäuser gestanden hatten, verstreute Leichenteile. Eine vom palästinensischen Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellte Al-Jazeera-Montage mit den Gesichtern von 12 Kindern, die ums Leben kamen, verbreitete sich in der gesamten arabischen Welt und löste große Empörung aus.

Wären es ukrainische Kinder, die das gleiche Schicksal erleiden, würden die amerikanischen Medien, die treuen Diener der CIA und des Außenministeriums, zweifellos in allen Einzelheiten berichten. Es würden endlose Stunden damit verbracht, den Verlust unschuldiger Menschen zu betrauern und die Verantwortlichen für ihren Tod als Mörder und Kriegsverbrecher zu brandmarken. Für den israelischen Premierminister Yair Lapid, Verteidigungsminister Benny Gantz und andere hochrangige israelische Militär- und Geheimdienstbeamte werden solche Begriffe nicht verwendet.

Bei israelischen Luftangriffen auf den Gazastreifen wurden in den letzten drei Tagen sechzehn Kinder im Alter von 18 Jahren und darunter getötet. Zwölf sind hier abgebildet. Die drei Kinder ohne Foto, allesamt Geschwister, starben im Flüchtlingslager Al-Jabaliya in Gaza. Das 16. Kind starb am späten Montag im Krankenhaus an den zuvor erlittenen Verletzungen und wurde noch nicht benannt.

Die New York Times, die sich an die Spitze der Medienkampagne über mutmaßliche russische Gräueltaten im Ukraine-Krieg gestellt hat, beginnt ihren Bericht über die vorübergehende Einstellung der Bombardierung des Gazastreifens folgendermaßen: „Ein Waffenstillstand, der drei Tage heftiger grenzüberschreitender Kämpfe zwischen Israel und einer militanten palästinensischen Gruppe im Gazastreifen beendete, schien am Montag zu halten, und das Leben auf beiden Seiten der Grenzen begann sich zu normalisieren.“

Die angeblich „heftigen grenzüberschreitenden Kämpfe“ waren eine völlig einseitige Angelegenheit, bei der das israelische Militär, die mächtigsten Streitkräfte im Nahen Osten, vom US-Imperialismus bis an die Zähne bewaffnet, Bomben und Raketen auf eine wehrlose Bevölkerung abwarf. Unterdessen feuerten Kämpfer des Palästinensischen Islamischen Dschihad (PIJ) Hunderte von einfachen selbstgebauten Raketen ab, die fast alle harmlos niedergingen oder vom israelischen Raketenabwehrsystem abgeschossen wurden.

Die „Rückkehr zur Normalität“ bedeutet für die Menschen in Gaza unerträgliche Armut, eine Arbeitslosenquote von 50 Prozent und eine zerstörte Infrastruktur in einem Gebiet, das von Beobachtern regelmäßig als das größte Freiluftgefangenenlager der Welt bezeichnet wird. Selbst wenn das Kraftwerk im Gazastreifen in Betrieb ist, steht nur 11 Stunden am Tag Strom zur Verfügung. Das Kraftwerk wurde abgeschaltet - jedoch nicht wegen der Bombardierung, sondern weil Israel und Ägypten die für den Betrieb des Kraftwerks erforderlichen Treibstofflieferungen eingestellt haben.

Die US-Regierung gab eine kurze Erklärung ab, in der sie die Waffenruhe begrüßte und die Rolle Ägyptens, Katars, Jordaniens und anderer reaktionärer arabischer Diktaturen und Monarchien bei der Vermittlung eines vorläufigen Endes der Gewalt würdigte. Gleichzeitig verurteilte sie den Islamischen Dschihad für „wahllose Raketenangriffe“. US-Präsident Biden bekräftigte seine „langjährige und unerschütterliche“ Unterstützung für Israel und sagte: „Ich beglückwünsche Premierminister Yair Lapid und seine Regierung zu ihrer konsequenten Führung während der Krise.“

Es besteht kein Zweifel daran, dass der Angriff auf den Gazastreifen während Bidens Besuch in Israel vom 13. bis 15. Juli, also nur drei Wochen vor Beginn des gut vorbereiteten Angriffs, besprochen und genehmigt wurde. Das Pentagon wird sich nun beeilen, die von den israelischen Verteidigungskräften während der Bombardierung verbrauchte Munition nachzuliefern.

Der Raketenaustausch mit dem PIJ wurde bewusst provoziert, nachdem Israel am 1. August in der Stadt Dschenin den ranghohen Anführer der Gruppe im Westjordanland, Bassam al-Saadi, festgenommen und inhaftiert hatte. Dies ist Teil einer systematischen Kampagne israelischer Militärgewalt in Dschenin, bei der seit Beginn dieses Jahres mindestens 30 Palästinenser getötet und Hunderte verletzt wurden.

Der Zeitpunkt des Anschlags schien so gewählt, dass er Ministerpräsident Lapid zugutekommt. Lapid führt eine Übergangskoalition und hat die bevorstehenden Parlamentswahlen am 1. November im Blick. Eine Schlagzeile der Times of Israel lautete: „Bei den anstehenden Wahlen scheint sich Lapids Spiel mit dem Gazastreifen auszuzahlen“. Die Zeitung verweist auf die Notwendigkeit für den ehemaligen Fernsehmoderator Lapid, seine militärischen Referenzen aufzupolieren in einem Wahlkampf, in dem der rechtsgerichtete Militarist Benjamin Netanjahu der wichtigste Gegner ist. Netanjahus Likud-Koalition musste erst letztes Jahr die Regierungsgeschäfte abgeben.

Israelischen Presseberichten ist zu entnehmen, dass sich seit dem Sturz Netanjahus politisch vor allem eines geändert hat: Es gab eine Entscheidung, sich auf die Zerstörung des Islamischen Dschihad zu konzentrieren, die kleinere der beiden islamistischen Gruppen in Gaza. Am Samstagabend teilte General Oded Basyuk, der Leiter der Operationseinheit der israelischen Streitkräfte (IDF), Reportern mit, dass die IDF erfolgreich „die gesamte Führungsriege des militärischen Flügels des Islamischen Dschihad in Gaza“ getötet hätten

Die Reaktion der arabischen Machthaber auf die dreitägige Bombardierung des Gazastreifens war ein Beispiel für ihren zynischen Verrat an den Interessen des palästinensischen Volkes und der arabischen Massen insgesamt. Die meisten Golfscheichtümer folgten dem Beispiel Saudi-Arabiens, dessen Medien den Islamischen Dschihad als Werkzeug Irans anprangerten. Dies ist verbunden mit der Behauptung, der PIJ habe den Konflikt provoziert im Zusammenhang mit der Wiederaufnahme der Atomenergiegespräche zwischen Iran und der so genannten P5+1-Gruppe (die fünf Vollmitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland). Diese Gespräche wurden am 4. August in Wien wiederaufgenommen.

Diese Behauptung stellt die Welt auf den Kopf. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass das israelische Regime und nicht der Islamische Dschihad den Konflikt zeitlich so gelegt hat, dass die Atomgespräche gestört werden. Gerade Israel wendet sich strikt gegen jede Vereinbarung, die die Sanktionen gegen den Iran lockern würde.

Das blutbefleckte ägyptische Militärregime vermittelte den Waffenstillstand, während es die Westgrenze des Gazastreifens, die es seit der Machtübernahme durch die Hamas im Jahr 2007 weitgehend geschlossen hat, weiterhin mit eiserner Hand kontrolliert.

Das Blutbad im Gazastreifen zeigt auch die Ohnmacht und den Bankrott der palästinensischen bürgerlichen Nationalisten aller Couleur, ob es sich nun um die islamistische Variante wie die Hamas oder die säkulare Fatah-Gruppe handelt, die die Palästinensische Autonomiebehörde kontrolliert und als Israels bestellte Gefängniswache im Westjordanland fungiert. Es ist bemerkenswert, dass die USA und Israel die Hamas nominell immer noch als „Terrorgruppe“ behandeln, während Ägypten, Katar und die UN-Vermittler „mit den Hamas-Führern so umgehen, als wären sie die rechtmäßigen und alleinigen Herrscher des Gazastreifens“, wie die Jerusalem Post bemerkt.

Die Lage im Gazastreifen bleibt angespannt. Das israelische Militär hat 25.000 Reservisten einberufen und plant nicht, sie zu demobilisieren. Ein Führer des Islamischen Dschihad erklärte unterdessen, dass der Konflikt wiederaufgenommen würde, wenn Israel nicht bis zum Wochenende zwei inhaftierte PIJ-Führer, darunter Bassam al-Saadi, freilässt - wie es Ägypten offenbar versprochen wurde.

Es gibt keinen Ausweg aus den ewigen blutigen Konflikten im Nahen Osten, den eines der reaktionären nationalistischen Regime weisen könnte oder den ein Manöver mit den Vereinten Nationen und den europäischen imperialistischen Mächten leisten könnte, geschweige denn „Friedens“-Gespräche, die von Washington, dem Zentrum der Weltreaktion und des Militarismus, vermittelt werden. Der einzige Weg nach vorne führt über eine internationale Bewegung der Arbeiterklasse und der unterdrückten Massen in der gesamten Region, die die arabischen, israelischen, türkischen und kurdischen Arbeiter auf der Grundlage eines sozialistischen und antiimperialistischen Programms vereint.

Loading