Vallourec: IG Metall organisiert Ausverkauf der Arbeitsplätze

In einer Extra-Ausgabe der Stahlnachrichten vom 9. September jubelt die IG Metall über ein sogenanntes Eckpunktepapier, das sie mit der Leitung des Vallourec-Konzerns vereinbart hat. In höchsten Tönen preist sie die Abfindungen, die Einrichtung einer Transfergesellschaft zum Übergang in die Arbeitslosigkeit und die Extra-Boni für IGM-Mitglieder, die sie vereinbart hat.

Das Eckpunktepapier in den "Stahlnachrichten" der IG Metall vom 9. September

In Wahrheit hat das Eckpunktepapier nur ein Ziel: Es soll einen Kampf zur Verteidigung der Arbeitsplätze verhindern, der sich angesichts der Massenentlassungen und Betriebsschließungen in vielen Unternehmen schnell zu einem Flächenbrand ausbreiten könnte. Die Vernichtung von 2400 Arbeitsplätzen und vielen weiteren Tausend in der Zulieferindustrie soll möglichst reibungslos ablaufen.

Obwohl die Wut vieler Arbeiter in Düsseldorf und Mülheim seit dem Stilllegungsbeschluss im Mai zugenommen hat, wollen IG Metall und Betriebsrat mit der Eckpunkte-Vereinbarung erreichen, dass die Produktion bis zum letzten Tag aufrechterhalten wird, damit die Profite für die Aktionäre und Investoren sprudeln.

Wie eine Streikbrecher-Organisation preist die IG Metall den Ausverkauf von Arbeitsplätzen für eine Abfindung, statt sie in einem gemeinsamen solidarischen Kampf zu verteidigen, wohl wissend, dass damit die Zukunft für die kommende Generation zerstört wird.

Doch bei genauerer Betrachtung erweist sich auch der „Judaslohn“, den die IG Metall für die Zustimmung zur Arbeitsplatzvernichtung anbietet, als verlogen. Die Transfergesellschaft, in die Jüngere („Jahrgang 1967 und jünger“) gehen sollen, ist – angesichts der Entlassungen in vielen andern Betrieben – nichts anderes als der Übergang in die Arbeitslosigkeit.

Gleichzeitig ist dieser Übergang mit einem massiven Lohnverlust verbunden. Denn das Transferkurzarbeitergeld wird nur auf 85 Prozent vom Monats-Netto aufgestockt, in der Regel ohne zuvor erhaltene Zuschläge mit einzubeziehen. Das bedeutet einen massiven Einkommensrückgang bei gleichzeitig explodierenden Lebensmittel- und Energiekosten. Dazu kommt noch, dass dieses Mini-Einkommen später als Berechnungsgrundlage für das ALG-I herangezogen wird.

Was die Grundabfindung betrifft, so brüstet sich die IGM damit, dass sie einen Faktor von 1,25 ausgehandelt habe. Mit diesem Faktor sowie den Jahren der Betriebszugehörigkeit wird das Bruttomonatsentgelt multipliziert, um die Abfindung zu berechnen. Ein Faktor von 1,25 sei vergleichsweise hoch.

Bei einem angenommenen Bruttoeinkommen von 4000 Euro würde ein Beschäftigter mit 20 Jahren Betriebszugehörigkeit also eine Abfindung von 100.000 Euro erhalten, bei 40 Jahren Betriebszugehörigkeit 200.000 Euro. Abfindungen, von denen dann jeweils noch Steuern und Sozialabgaben abgezogen werden. Bei geringerer Betriebszugehörigkeit und/oder niedrigeren Löhnen sind sie entsprechend geringer.

Wer noch nicht in die Rente kann, wird spätestens beim Antrag auf ALG-II feststellen, wie schnell eine Abfindung aufgebraucht ist, weil das Bürgergeld, wie Hartz IV zukünftig heißt, Bedürftigkeit voraussetzt.

Ganz besonders übel sind befristet Beschäftigte und Auszubildende bei den Abfindungen daran. Befristet Beschäftigte werden mit pauschal 10.000 Euro abgespeist, Auszubildende mit pauschal 5000 Euro.

Wie sehr die IG Metall auf den Hund gekommen ist und nur noch als Management-Agentur fungiert, zeigt sich vor allem daran, dass sie verzweifelt versucht, ihre Mitglieder durch Privilegien und Zusatz-Boni in der Gewerkschaft zu halten.

So hat sie vereinbart, dass Gewerkschaftsmitglieder, die zum Stichtag 18. Mai 2022 Mitglied der IG Metall waren und es weiterhin sind, einen Bonus von 10.000 Euro brutto erhalten. 2500 Euro Bonus soll bekommen, wer zum Stichtag 1. September 2022 Mitglied der IG Metall war und es weiterhin ist.

Die Zeiten, in denen die Gewerkschaften für Solidarität, gemeinsamen Arbeitskampf und Forderungen wie „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ eingetreten waren, sind längst vorbei. Jetzt unterdrücken sie jeden ernsthaften Arbeitskampf, spalten die Beschäftigten in Jung und Alt, Zeit-, bzw. Leiharbeiter und Tarifbeschäftigte, Gewerkschaftsmitglieder und unorganisierte Arbeiter und setzen Sozialabbau, Lohnsenkung, Entlassungen und Werksschließungen durch.

Korrupt, wie viele Gewerkschaftsfunktionäre sind, versuchen sie, ihre Mitglieder in Grundstückspekulationen hineinzuziehen. Sie – also nur die IGM-Mitglieder – erhalten einen Extrabonus, falls der Konzern mit dem Verkauf der Grundstücke mehr als einen festgelegten (aber geheim gehaltenen) Betrag erzielt. Der Mehrbetrag soll dann zur Hälfte an den Konzern gehen und zur Hälfte unter den IGM-Mitgliedern aufgeteilt werden.

IG Metall und Betriebsrat rechnen vor, dass bei einem Mehrbetrag von 38 Millionen Euro 11.176,76 Euro auf jedes Gewerkschaftsmitglied entfallen, wenn deren Zahl am Stichtag 1.700 beträgt. Verkauft Vallourec das Grundstück um mehr als 120 Millionen Euro teurer als geplant, bekommen auch die Nichtmitglieder „großzügig” etwas ab. Von den 60 Millionen, die der IG Metall zur Aufteilung zur Verfügung stehen, gehen dann 50 Millionen an Mitglieder, 10 Millionen werden an Nichtmitglieder verteilt. Bei der Annahme von 1995 Beschäftigten, erhielte dann jeder einen Bonus von 5.012,53 Euro.

Die World Socialist Web Site fordert die Arbeiterinnen und Arbeiter bei Vallourec auf, die Eckpunkte-Vereinbarung mit Verachtung zurückzuweisen, eine Abstimmung zu verlangen und dagegen zu stimmen.

Wir hatten bereits am 21. Mai in einem Artikel über die Schließung der Vallourec-Werke gewarnt: „Ein Arbeitskampf – ein Streik oder die Besetzung des Betriebs – ist in der Tat der einzige Weg, die Arbeitsplätze zu verteidigen. Aber das erfordert einen vollständigen Bruch mit der IG Metall und ihren Betriebsräten.“

Arbeiter müssen sich unabhängig von IG Metall und Betriebsrat in Aktionskomitees organisieren. Deren erste Aufgabe ist es, Kontakt zu den Kollegen in Frankreich, Schottland und anderen Ländern aufzunehmen, um einen gemeinsamen Arbeitskampf zur bedingungslosen Verteidigung aller Arbeitsplätze zu organisieren.

Auch eine Kontaktaufnahme zu Arbeitern in anderen Branchen ist wichtig, insbesondere zu den Kollegen bei Ford in Saarlouis, die auch gegen die Schließung ihres Werks und die Vernichtung ihrer Arbeitsplätze kämpfen. Die Arbeiter bei Ford haben bereits begonnen, dafür ein Aktionskomitee aufzubauen.

Die Schließungs- und Einsparpläne von Vallourec und den Gewerkschaften dürfen nicht akzeptiert, alle Arbeitsplätze müssen bedingungslos verteidigt werden. Die Interessen und Bedürfnisse der Arbeiter stehen höher als die Profitinteressen des Konzerns.

Um diesen Kampf zu führen, ist der Aufbau der Sozialistischen Gleichheitspartei nötig und die Organisierung dieses Kampfs auf der Grundlage eines internationalen sozialistischen Programms. Nehmt Kontakt zur SGP auf! Sie unterstützt den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees und hilft bei der internationalen Kontaktaufnahme mit Arbeitern in anderen Ländern und anderen ebenfalls von Schließung betroffenen Betrieben. Schickt eine Whatsapp-Nachricht an folgende Nummer: +491633378340.

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