Auf Nato-Kriegskurs: Vertreter der Linken fordern Ausschluss von Sahra Wagenknecht

Weil Sahra Wagenknecht im Bundestag die Wirtschaftssanktionen gegen Russland kritisierte, fordern führende Vertreter der Linken ihren Ausschluss aus Fraktion und Partei. Die jüngste Auseinandersetzung innerhalb der Linkspartei zeigt, wie bedingungslos sie hinter der Kriegspolitik der Bundesregierung und der Nato steht.

Sahra Wagenknecht [Photo by Raimond Spekking (via Wikimedia Commons) / CC BY-SA 4.0]

Wagenknecht hatte am 8. September in der Haushaltsdebatte des Bundestags die „grandiose Idee“ der Ampel-Koalition kritisiert, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“.

Der Krieg in der Ukraine sei „ein Verbrechen“, fügte sie hinzu. „Aber die Vorstellung, dass wir Putin dadurch bestrafen, dass wir Millionen Familien in Deutschland in die Armut stürzen und dass wir unsere Industrie zerstören, während Gazprom Rekordgewinne macht – ja wie bescheuert ist das denn?“

Wenn Deutschland „ein Industrieland bleiben“ wolle, dann brauche es „russische Rohstoffe und leider auf absehbare Zeit auch noch russische Energie,“ so Wagenknecht. „Deshalb: Schluss mit den fatalen Wirtschaftssanktionen! Verhandeln wir mit Russland über eine Wiederaufnahme der Gaslieferungen!“

Das war vielen Vertretern der Partei zu viel. So lange Wagenknecht im AfD-Stil Flüchtlinge und Migranten denunzierte oder in ihrer völkisch-nationalistischen Hetzschrift „Die Selbstgerechten“ die Volksgemeinschaft beschwor, mochte das noch hingehen. Doch Kritik an der Kriegspolitik der Bundesregierung – das ging zu weit!

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, eines der bekanntesten Gesichter der Partei, erklärte seinen Austritt. „Dass die Linksfraktion am letzten Donnerstag im Bundestag Wagenknecht ans Podium ließ, und was diese dann – man hätte es wissen müssen – vom Stapel ließ, war zu viel,“ begründete er seine Entscheidung.

Auch der frühere Europa- und Bundestagsabgeordnete Fabio de Masi, lange Zeit ein Wagenknecht-Anhänger, verließ die Partei. Er möchte „nicht mehr für das eklatante Versagen der maßgeblichen Akteure in dieser Partei in Verantwortung genommen werden“, rechtfertigte er seinen Schritt.

Die beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan distanzierten sich öffentlich von Wagenknecht und warfen ihr vor, Beschlüsse und Positionen der Linken zu konterkarieren.

Der Thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow schrieb in einem Protestbrief an die Bundestagsfraktion, die These, dass „die Bundesrepublik Deutschland einen Wirtschaftskrieg mit Russland“ führe, verdrehe Ursache und Wirkung. Forderungen nach Gesprächen mit Russland zerstörten „unser Ansehen als linke, progressive politische Kraft in den Ländern Mittel- und Osteuropas“.

Drei ostdeutsche Landtagsabgeordnete – Henriette Quade, Katharina König-Preuss und Jule Nagel – lancierten einen Offenen Brief an den Parteivorstand und die Bundestagsfraktion der Linken. Er fordert den Ausschluss Wagenknechts aus der Bundestagsfraktion und den Rücktritt der Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, weil sie ihr erlaubt hatten, im Bundestag zu reden.

Der Brief trägt mittlerweile über 2700 Unterschriften, darunter von mehreren Landtags- und Bundestagsabgeordneten sowie von zahlreichen Parteimitgliedern. Eine Spaltung der Partei steht im Raum. Sollte die Bundestagsfraktion auseinanderbrechen, würde sie den Fraktionsstatus verlieren. Schon jetzt sitzt die Linke nur noch im Bundestag, weil sie drei Direktmandate gewann. Hatte sie 2009 mit 11,9 Prozent ihr bestes Wahlergebnis erzielt, waren es im vergangenen Jahr nur noch 4,9 Prozent.

Die Fiktion, dass die Linke in irgendeiner Weise eine soziale oder fortschrittliche Politik verfolge, hat sich längst in Luft aufgelöst. Wo immer sie auf Landes- oder Kommunalebene Regierungsverantwortung übernahm, hat sie Arbeitsplätze abgebaut, Sozialausgaben zusammengestrichen, die Polizei aufgerüstet und Flüchtlinge abgeschoben. Nun unterstützt sie einen Krieg, der von der Nato provoziert wurde, systematisch eskaliert wird und in einen dritten Weltkrieg mündet, wenn er nicht durch das Eingreifen der Arbeiterklasse gestoppt wird.

Die Linke stellt sich hinter einen Wirtschaftskrieg, der den Lebensstandard der Arbeiterklasse sowohl in Russland wie in Europa dezimiert. Die Sanktionen gegen Russland sind die Hauptursache der explodierenden Lebensmittel- und Energiepreise, die Millionen in Armut stürzen, selbst gutverdienende Arbeiterfamilien in Bedrängnis bringen und Selbständige in den Ruin treiben. Weil Wagenknecht dies ausspricht, droht ihr der Rauswurf aus der Linkspartei.

Dabei vertritt Wagenknecht nur eine andere Form jener nationalistischen, pro-kapitalistischen Politik, die die Linke als Ganze auszeichnet. Vorbild der studierten Ökonomin ist nicht Karl Marx, sondern CDU-Bundeskanzler Ludwig Erhard, der 1966 von der Arbeiterklasse aus dem Amt gejagt wurde.

Sie spricht nicht für die internationale Arbeiterklasse, die ihre Interessen nur im vereinten Kampf gegen den Kapitalismus verteidigen kann, sondern für jene Vertreter der deutschen Wirtschaft, die die USA als Hauptrivalen betrachten und deshalb auf eine engere Zusammenarbeit mit Russland setzen.

Ungeachtet ihrer rituellen Beschwörung der „Zukunftsangst von Millionen Menschen“ und ihrer Seitenhiebe auf „Absahner und Krisenprofiteure“, standen die Interessen der deutschen Wirtschaft im Mittelpunkt von Wagenknechts Bundestagsrede. Sie zitierte das Handelsblatt: „In Schlüsselindustrien werden Betriebe reihenweise schließen“, und rief: „Wenn wir die Energiepreisexplosion nicht stoppen, dann wird die deutsche Industrie mit ihrem starken Mittelstand bald nur noch eine Erinnerung an die guten, alten Zeiten sein.“

Während Wagenknecht die Interessen der „deutschen Industrie mit ihrem starken Mittelstand“ beschwor, griff sie US-amerikanische Unternehmen an. Sie wetterte gegen „amerikanische Frackinggasanbieter, die aktuell 200 Millionen Euro Gewinn mit jedem einzelnen Tanker machen“ und deutsche Familien und Mittelständler mit Mondpreisen in den Ruin treiben. Der Bunderegierung warf sie vor, eine Politik des „Make America great again“ zu verfolgen. Sie erntete damit – und mit vielen ähnlichen Passagen – Applaus von Seiten der AfD, deren reaktionärer Nationalismus ebenfalls eine starke antiamerikanische Stoßrichtung hat.

Es gibt nur eine Möglichkeit, den Nato-Krieg gegen Russland und seine verheerenden sozialen Folgen zu stoppen: Eine unabhängige Bewegung der internationalen Arbeiterklasse, die den Kampf zu Verteidigung des Lebensstandards mit dem Kampf gegen den Krieg und seine Ursache, den Kapitalismus, verbindet.

Doch eine solche internationale, sozialistische Perspektive lehnt Wagenknecht – ebenso wie ihre innerparteilichen Gegner – vehement ab. Mit dem internationalen Klassenkampf und den Arbeitskämpfen der amerikanischen, britischen und europäischen Arbeitern ist sie spinnefeind. Stattdessen beschwört sie Nationalismus und die Interessen der deutschen Wirtschaft – und erntet damit Unterstützung von der AfD.

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