Perspektive

Pandemie, steigende Preise und Rezession treiben Millionen Menschen in die Armut

Der Anfang dieser Woche veröffentlichte Bericht der Weltbank über die Zunahme der weltweiten Armut zeichnet ein anschauliches Bild der verheerenden Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf Hunderte von Millionen Menschen in den ärmeren Ländern der Welt. Diese werden nun durch die steigende Inflation und den Übergang der Weltwirtschaft in die Rezession noch verschärft.

Dem Bericht zufolge hat die Pandemie der Armutsbekämpfung den schwersten Schlag seit Jahrzehnten versetzt. Die Zahl der Menschen, die in „extreme Armut“ gedrängt wurden, d. h. weniger als 1,90 Dollar pro Tag zur Verfügung haben, stieg um 70 Millionen auf insgesamt 700 Millionen Menschen oder 9,3 Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 2020.

In einem Lager für Vertriebene am Rande von Dollow, Somalia, wird am 21. September 2022 Wasser verteilt. (AP Photo/Jerome Delay)

Angesichts der steigenden Inflation, die durch den Krieg der USA und der Nato gegen Russland in der Ukraine noch verschärft wird, und der Abwärtsbewegung der Währungen der Entwicklungsländer, die durch die Zinserhöhungen der US-Notenbank hervorgerufen wird, gibt es keine Anzeichen für eine Verbesserung der Lage.

Bis zum Ende dieses Jahres könnten immer noch 685 Millionen Menschen in extremer Armut leben, womit 2022 nach 2020 das zweitschlechteste Jahr für die Armutsbekämpfung in zwei Jahrzehnten wäre.

Die Pandemie war, wie in so vielen anderen Bereichen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens, ein Auslöser, der bereits laufende Prozesse beschleunigt hat.

Wie der Bericht feststellte, hatte sich die Armutsbekämpfung in den fünf Jahren davor verlangsamt, und bis 2020 „war die Welt deutlich vom globalen Ziel, die extreme Armut bis 2030 zu beenden, abgekommen.“ Der Bericht schätzt, dass bei den derzeitigen Trends sieben Prozent der Weltbevölkerung – 574 Millionen Menschen – bis zum Ende des Jahrzehnts weiterhin in extremer Armut leben werden.

Schon vor dem Ausbruch der Pandemie lebte fast die Hälfte der Weltbevölkerung (47 Prozent) in Armut, d. h. mit weniger als 6,85 Dollar pro Tag.

Zusammen mit den schätzungsweise 20 Millionen Menschen, die an den Folgen der Pandemie gestorben sind, und den Millionen, die weiterhin infiziert sind, sowie den Millionen anderen, die unter den schwächenden Auswirkungen von Long Covid leiden, ist der Anstieg der Armut ein weiterer Ausdruck des Ausmaßes des sozialen Verbrechens, das von den kapitalistischen Regierungen auf der ganzen Welt begangen wurde. Sie weigerten sich, die notwendigen Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu ergreifen, um das Virus in der Bevölkerung zu eliminieren.

Der Grund war nicht, dass es unmöglich wäre – die Erfahrungen in China zeigen, dass es durchaus machbar ist –, sondern wegen der negativen Auswirkungen auf die Aktienmärkte. Durch die Bereitstellung von Billionen von Dollar durch die Fed und andere Zentralbanken waren diese auf ein außerordentliches Niveau aufgebläht worden.

Jetzt begehen die Agenturen des Finanzkapitals neue Verbrechen. Um zu versuchen, die Bewegung der Arbeiter und der unterdrückten Massen auf der ganzen Welt, die mit der höchsten Inflation seit vier Jahrzehnten konfrontiert sind, zu unterdrücken, heben die Zentralbanken die Zinssätze an, um eine Rezession herbeizuführen.

Die Auswirkungen sind bereits bei den Ärmsten der Welt zu spüren. Die Währungen der weniger entwickelten Länder sind dramatisch abgewertet worden, was zu einer Eskalation der Lebensmittel- und Energiepreise in der jeweiligen Landeswährung geführt hat.

Die Erfahrungen Ghanas stehen beispielhaft für diesen Prozess. Im vergangenen Jahr ist der Ölpreis in Dollar um zwölf Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist jedoch die Währung, der Cedi, gegenüber dem US-Dollar um 40 Prozent gefallen. Das bedeutet, dass ein Barrel Öl, das vor einem Jahr noch 475 Cedi kostete, jetzt mehr als 900 Cedi kostet, also fast das Doppelte.

Diese Erfahrung wiederholt sich in einem Land nach dem anderen bei Lebensmitteln, Energie, medizinischer Versorgung und anderen lebenswichtigen Importgütern.

Gleichzeitig steht eine wachsende Zahl von Ländern kurz davor, ihre Schulden gegenüber staatlichen Stellen und dem internationalen Finanzkapital nicht mehr bedienen zu können. Die Verschuldung von mindestens zehn Ländern ist bereits als extrem gefährdet eingestuft worden, und viele weitere werden folgen.

Die vom Internationalen Währungsfonds diktierten Programme zur „Umstrukturierung“ bedeuten, dass die Erfahrungen in Sri Lanka auf die ganze Welt ausgeweitet werden. Das Land ist bereits in Zahlungsverzug geraten und hat einen umfassenden Angriff auf die Arbeiterklasse initiiert, um die Geier des internationalen Finanzkapitals bezahlen zu können.

Die Weltbank fordert eine Reihe von Reformen, um den Armen zu helfen – wohl wissend, dass die Regierungen nichts dergleichen zu tun gedenken.

Tatsächlich treiben die Zinserhöhungen der US-Notenbank die Welt in die Rezession, wie die Weltbank bereits gemeinsam mit der Welthandelsorganisation, den Vereinten Nationen und einer Vielzahl von Wirtschaftswissenschaftlern eingeräumt hat.

Wie die geschäftsführende Direktorin des IWF, Kristalina Georgieva, am Donnerstag in einer Rede ankündigte, wird der IWF auf seiner halbjährlichen Tagung nächste Woche in Washington zum vierten Mal seine Prognose für das weltweite Wachstum nach unten korrigieren.

Der IWF schätzt, dass die Länder, auf die etwa ein Drittel der Weltwirtschaft entfällt, in diesem oder im nächsten Jahr mindestens zwei aufeinander folgende Quartale der Schrumpfung erleben werden. Und selbst dort, wo das Wachstum positiv ist, „wird es sich wie eine Rezession anfühlen, weil die Realeinkommen schrumpfen und die Preise steigen.“

Es wird erwartet, dass sich der Gesamtverlust der weltweiten Produktion bis 2026 auf etwa vier Billionen Dollar belaufen wird. „Das entspricht der Größe der deutschen Wirtschaft – ein massiver Rückschlag für die Weltwirtschaft“, sagte Georgieva und fügte hinzu, dass „es wahrscheinlich noch schlimmer wird.“

Die IWF-Chefin hatte nicht die Absicht, aber ihre Bemerkungen waren eine Anklage gegen die Politik der angeblichen Hüter der Stabilität der kapitalistischen Weltwirtschaft, vor allem gegen die Politik, die gegenüber Covid verfolgt wird.

Nach einem Wachstum von 6,1 Prozent im Jahr 2021, sagte sie, „dachten die meisten Ökonomen, einschließlich des IWF, der Aufschwung würde sich fortsetzen und die Inflation würde sich schnell abschwächen – größtenteils, weil wir erwarteten, dass Impfstoffe dazu beitragen würden, Störungen auf der Angebotsseite zu zähmen und eine Erholung der Produktion zu ermöglichen. Doch genau das ist nicht eingetreten.“

Mehrere Schocks, darunter der Krieg in der Ukraine, „veränderten das wirtschaftliche Bild völlig“, und „die Inflation ist keineswegs nur vorübergehend, sondern hat sich verfestigt.“

Aber nachdem bereits die Corona-Politik eine Katastrophe verursacht hat, werden nun neue Katastrophen geschaffen.

Georgieva befürwortete die Zinserhöhungen und sagte, dass eine „nicht ausreichende Straffung“ dazu führen würde, dass die Inflation „verankert und verfestigt“ würde. In den herrschenden Kreisen und ihren Wirtschaftsagenturen ist das ein Codewort für eine Situation, in der die Arbeiterklasse versucht, ihren Lebensstandard durch Streiks und soziale Kämpfe zu verteidigen.

Die Unterdrückung dieser Bewegung hat für die Finanzeliten oberste Priorität, auch wenn dies, wie sie einräumte, „viele Volkswirtschaften in eine lang anhaltende Rezession stürzen könnte.“

Der Bericht der Weltbank und die weiteren Verheerungen, die sich jetzt abzeichnen, müssen für die Arbeiterklasse Anlass sein, eine nüchterne Bestandsaufnahme der Situation, mit der sie unmittelbar konfrontiert ist, und der Art der sich bereits entwickelnden Kämpfe vorzunehmen.

Die Entwicklungen in den USA, dem Zentrum des Weltimperialismus, sind von besonderer Bedeutung. Nach jahrzehntelanger Unterdrückung des Klassenkampfes ziehen Hunderttausende von Arbeitern, denen Millionen weitere folgen, in den Kampf und sind zunehmend empfänglich für ein sozialistisches Programm.

Zwei gegensätzliche Programme befinden sich auf Kollisionskurs. Die politische Ökonomie der herrschenden Kapitalistenklasse basiert auf dem Streben nach Profit – koste es, was es wolle, seien es Menschenleben oder wirtschaftliche Verheerungen.

Die politische Ökonomie der Arbeiterklasse basiert auf der Nutzung der enormen wirtschaftlichen Ressourcen, die ihre eigene Arbeit für die Förderung des menschlichen Wohlergehens geschaffen hat. Hier gibt es keinen Mittelweg und keine reformistische Lösung. Die materiellen Interessen der beiden Hauptklassen der kapitalistischen Gesellschaft stehen sich unversöhnlich gegenüber.

Die Lebensinteressen der Arbeiterklasse, der Masse der Weltbevölkerung, können nur durch einen vereinten internationalen politischen Kampf gegen alle Agenturen des Kapitals, vor allem die Gewerkschaftsbürokratien, für die Übernahme der Macht verwirklicht werden, um die sozialistische Umwandlung der Weltwirtschaft einzuleiten.

Die Voraussetzung für die Verwirklichung dieses Ziels, während der Weltkapitalismus von einer Katastrophe in die nächste stürzt, ist der Aufbau der Weltpartei der sozialistischen Revolution, des Internationalen Komitees der Vierten Internationale, um die notwendige Führung für die jetzt ausbrechenden Kämpfe zu gewährleisten.

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