Perspektive

Sieben Millionen Beschäftigte im Lohnkampf: Baut unabhängige Aktionskomitees auf

Gestern begann die zweite Runde der Tarifverhandlungen für die rund 3,8 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie. Ende des Monats läuft die Friedenspflicht aus. In vielen Betrieben und Tarifbezirken werden bereits Warnstreiks vorbereitet.

Dazu kommen die Tarifverhandlungen der IG BCE für 580.000 Tarifbeschäftigte der Chemiebranche. Sie waren im Frühjahr angesichts der Wirtschaftskrise auf den Herbst verschoben worden und werden jetzt im Oktober fortgesetzt. Und zum Jahresende läuft der Tarifvertrag für rund 2,3 Millionen Beschäftigte des Öffentlichen Diensts aus. Am 11. Oktober gibt Verdi ihre Tarifforderung bekannt.

Damit befinden sich offiziell knapp 7 Millionen Beschäftigte in diesem Herbst und Winter im Lohnkampf.

Warnstreik während der Tarifrunde 2018 in Darmstadt

Nie zuvor seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Situation derart zugespitzt wie gegenwärtig. Millionen Arbeiterfamilien sind mit massiven Preissteigerungen konfrontiert. Die Erhöhung der Preise für Grundnahrungsmittel und Transportkosten übersteigt die offizielle Inflationsrate von zehn Prozent um das Doppelte oder sogar Dreifache. Hinzu kommen Preissteigerungen für Heizung und Strom, die oft 200 Prozent und mehr betragen.

Die galoppierende Inflation und die Energie-Preisexplosion sind eine Folge der Kriegspolitik der Ampel-Koalition – vor allem der Sanktionen gegen Russland – und lassen die Reallöhne im Rekordtempo schrumpfen. In den Belegschaften herrscht eine weit verbreitete Stimmung, dass hohe Lohnsteigerungen erkämpft werden müssen, damit nicht Millionen Arbeiter und ihre Familien in Armut und Existenznot abrutschen. Das ist in allen Branchen der Fall.

Gleichzeitig sind auch viele Unternehmen von den gestiegenen Energiekosten betroffen und wälzen sie durch drastische Rationalisierungsmaßnahmen, Massenentlassungen und Betriebsschließungen auf die Beschäftigten ab. Während die Bundesregierung Großbetriebe und Rüstungskonzerne finanziell großzügig unterstützt, werden Klein- und Mittelbetriebe in den Ruin getrieben. Viele Beschäftigte sind zusätzlich zur Belastung durch die Inflation mit dem Verlust des Arbeitsplatzes bedroht.

Die gegenwärtigen Tarifauseinandersetzungen sind folglich stark von der Kriegspolitik der Ampel-Koalition geprägt. Sie entscheiden darüber, in welchem Ausmaß die Kosten des Kriegs gegen Russland in der Ukraine und der gigantischen Aufrüstung der Bundeswehr auf die Arbeiterklasse abgewälzt werden.

Die Lohnverhandlungen gewinnen daher große politische Bedeutung. Sie richten sich nicht nur gegen die Unternehmer, sondern auch gegen die Regierung und müssen zum Ausgangspunkt für eine Offensive gegen den Krieg und seine sozialen Folgen gemacht werden. Um die aktuelle Inflation und frühere Reallohnsenkungen auszugleichen, müssen hohe zweistellige Lohnzuwächse erkämpft werden.

Aber die IG Metall und alle anderen Gewerkschaften tun das genaue Gegenteil. Sie haben in Form der Konzertierten Aktion einen Pakt mit der Regierung geschlossen und unternehmen alles, um ernsthafte Streiks zu verhindern und die Arbeiter mit einem Almosen abzuspeisen.

Die IG Metall fordert gerade einmal 8 Prozent mehr Geld bei einer Laufzeit von zwölf Monaten, obwohl bereits in den Sitzungen der regionalen Tarifkommissionen im Juli und August gewerkschaftliche Vertrauensleute aus den Betrieben weit höhere Forderungen einbrachten. Angesichts der realen Preissteigerungen, die die offizielle Inflationsrate weit übersteigen, wäre selbst die volle Durchsetzung der 8-Prozentforderung eine deutliche Senkung der Reallöhne.

Doch die IG Metall hat bereits klargemacht, dass sie nicht vorhat, ihre eigene Forderung auch nur annähernd durchzusetzen. IG Metall-Chef Jörg Hofmann betonte – angesichts von Protesten der Wirtschaftsverbände –, dass zwischen gewerkschaftlicher Forderung und Abschluss ein Verhandlungsergebnis liege, das die „Interessen beider Seiten“ berücksichtigen müsse.

Der IG Metall-Vorstand ist sich mit der Bundesregierung und den Unternehmen einig, die Kriegskosten auf die Arbeiterinnen und Arbeiter abzuwälzen. Die Gewerkschaft setzt damit die Lohnsenkungspolitik der letzten Jahre fort. Seit 2018 hat sie für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie nur eine einzige tarifliche Zusatzzahlung vereinbart.

Obwohl die Arbeiter in der Corona-Pandemie wegen Kurzarbeit heftige Lohneinbußen erlitten, gab es bei den Tabellenentgelten 2020 und 2021 Nullrunden. Ganz besonders sind die Arbeiter in Ostdeutschland davon betroffen. Drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung liegen dort die Löhne immer noch deutlich niedriger als in westdeutschen Bundesländern, während die Preise und Preissteigerungen die gleichen sind.

Das Ergebnis dieser gewerkschaftlichen Lohndrückerei – bei gleichzeitigen „Rettungspaketen“ und großzügigen Finanzspritzen der Regierung für Schlüsselbetriebe –, sind satte Gewinne und hohe Boni. In vielen Chefetagen herrscht Goldgräberstimmung.

Hier nur einige Beispiele: Die VW-Kernmarke erhöhte den Gewinn im ersten Halbjahr 2022 um mehr als ein Viertel auf 10,6 Milliarden Euro. Audi verbesserte sich in der ersten Jahreshälfte von 3,3 auf 5 Milliarden Euro, Porsche von 2,7 auf 3,3 Milliarden. Mercedes-Benz erzielte 9,8 Milliarden Euro Gewinn und steigerte seine Marge auf 12,7 Prozent.

Die Rüstungskonzerne, allen voran Branchenführer Rheinmetall, fuhren im ersten Halbjahr Rekordgewinne ein. Rheinmetall hat bei einem Umsatzplus von 3,5 Prozent auf 2,7 Milliarden Euro den Gewinn um acht Prozent auf 206 Millionen Euro erhöht.

Das Manager Magazin titelt: „Gehaltssprung in Top-Etagen“ und berichtet, dass die Gehälter der Topmanager der 40 Dax-Konzerne im vergangenen Jahr „dank explodierender Firmengewinne“ um 24 Prozent gestiegen sind.

Damit verdienen die Dax-Chefs durchschnittlich mehr als 50 Mal so viel wie ihre tarifbeschäftigten Facharbeiter. Spitzenreiter ist Linde-Chef Steve Angel mit einem Jahresgehalt von 19 Millionen Euro (1,58 Millionen im Monat oder 75.000 Euro pro Arbeitsstunde), gefolgt von Ex-VW-Boss Herbert Diess mit 12 Millionen.

Die Gewerkschaftsfunktionäre in den Aufsichtsräten segnen diese Bereicherungsorgie in den Konzernvorständen ab und erhalten ihrerseits satte Tantiemen, über die viele Millionen in die Gewerkschaftskassen fließen. Diese enge Verbindung von Konzernen und Gewerkschaften wird durch eine ebenso enge Zusammenarbeit mit der Bundesregierung ergänzt. Unmittelbar nach Kriegsbeginn hat Kanzler Olaf Scholz (SPD) die Konzertierte Aktion wiederbelebt, um die Folgen von Krieg, Aufrüstung und Bereicherung der Konzerne auf die Arbeiterklasse abzuwälzen und den Widerstand dagegen zu unterdrücken.

Nach dem letzten Treffen der Konzertierten Aktion betonte Scholz, die Bundesregierung erleichtere es den Konzernen und Gewerkschaften mit ihrem „Dritten Entlastungspaket“ – mittels Sonderzahlungen – eine weitere Nullrunde bei den tabellenwirksamen Tarifentgelten durchzusetzen. Sonderzahlungen werden bis zu einem Betrag von 3000 Euro von Steuer und Sozialversicherungsabgaben befreit.

Obwohl diese Einmalzahlungen in vielen Fällen noch nicht einmal ausreichen, die gestiegenen Energiekosten zu finanzieren, versuchen die IG Metall und die anderen Gewerkschaften über diesen Weg der Sonderzahlungen erneut eine Nullrunde oder einen niedrigen Abschluss – d.h. de facto eine Reallohnsenkung – durchzusetzen.

Wie zu Beginn des Ersten Weltkriegs, als die Gewerkschaften einen Burgfrieden mit der kaiserlichen Regierung und den Unternehmerverbänden eingingen, schließen sie auch jetzt die Reihen mit der Regierung und den Arbeitgeberverbänden. Diese Kriegsunterstützung ergibt sich direkt aus der nationalistischen, auf die Verteidigung des jeweiligen Industrie-Standorts gerichteten Politik der Gewerkschaften.

Unter diesen Bedingungen wird es sehr dringend, die Kontrolle der IG Metall und der anderen Gewerkschaften zu durchbrechen und unabhängige Aktionskomitees aufzubauen, die den Kampf gegen Arbeitsplatzabbau, Lohnsenkungen und Krieg in den Betrieben organisieren und sich international zusammenschließen.

Diese neue Organisationsform durch den Aufbau unabhängiger Aktionskomitees ist notwendig, um die gegenwärtigen Tarifkämpfe von Anbeginn als Teil einer internationalen Mobilisierung der Arbeiterklasse zu organisieren. Auf der ganzen Welt beteiligen sich immer mehr Arbeiter an Streiks und Protesten. Sie kämpfen gegen Arbeitsplatzabbau, Lohndumping, Gesundheitsgefährdung durch Corona und durch die Kriegspolitik ausgelöste Inflation.

Die Kämpfe stoßen jedoch immer und überall an Grenzen, die ihnen die Gewerkschaften setzen. Das haben in Deutschland zuletzt die Pflegekräfte der NRW-Uniklinken erlebt, als ihr zwölf Wochen langer Streik durch Verdi übel ausverkauft wurde, wie auch die Ford-Arbeiter von Saarlouis. Dort organisieren IG Metall und Betriebsrat die Stilllegung des Werks und sabotieren einen internationalen Kampf aller Ford-Arbeiter an allen Standorten um die Arbeitsplätze.

Als Antwort auf den völligen Übergang der Gewerkschaften ins Lager des Klassengegners haben das Internationale Komitee der Vierten Internationale und die Sozialistische Gleichheitspartei die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) ins Leben gerufen. Diese baut ein Netz unabhängiger Komitees unter demokratischer Kontrolle der Arbeiter auf. Solche Aktionskomitees sind bereits in vielen Ländern von Arbeitern in unterschiedlichen Branchen gegründet worden. In Deutschland haben u.a. Autoarbeiter, Pfleger und Verkehrsarbeiter begonnen, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen.

In den USA hat sich Will Lehman, ein Autoarbeiter bei Mack Trucks und Sozialist, an die Spitze dieser Bewegung gestellt. Er kandidiert für das Amt des Präsidenten der Autogewerkschaft UAW. Seine Kampagne hat das Ziel, unter Arbeitern eine Massenbewegung gegen die Gewerkschaftsbürokratie aufzubauen und findet unter Autoarbeitern in den USA und weltweit große Unterstützung.

Vier Kernforderungen stehen im Zentrum von Lehmans Wahlkampf für das Amt des UAW-Präsidenten:

  • Keine Reform der Bürokratie, sondern ihre Zerschlagung;
  • Abschaffung aller Gremien, in denen die UAW mit den Arbeitgebern zusammensitzt und die ihr nur dazu dienen, ihren Apparat schmieren zu lassen;
  • Uneingeschränkte Kontrolle und Autorität der Arbeiter über alle Tarifverhandlungen, Stimmauszählungen und Bestimmungen, die die Sicherheit und den Schutz am Arbeitsplatz betreffen;
  • Kampf für ein Programm, das alles enthält, was Arbeiter brauchen: massive Lohnerhöhungen, automatische Anpassung der Löhne an die rasant steigende Inflation, gleicher Lohn für gleiche Arbeit und umfassende Gesundheits- und Altersversorgung für Arbeiter und Rentner.

In ähnlicher Weise müssen Arbeiter hier der IG Metall die Kontrolle entreißen. Die bereits angekündigten Warnstreiks müssen für eine breite Mobilisierung genutzt werden. Die Tarifverhandlungen dürfen nicht länger hinter verschlossenen Türen stattfinden. Angesichts der dramatischen Preissteigerungen müssen Arbeiterversammlungen einberufen werden, auf denen die Forderung neu festgelegt wird und die die Verhandlungen überwachen.

Es darf nicht zugelassen werden, dass die Gewerkschaft im Interesse der Kriegspolitik der Regierung erneut eine drastische Reallohnsenkung vereinbart.

Die Verteidigung von Löhnen, sozialen Errungenschaften und demokratischen Rechten fällt untrennbar mit dem Kampf gegen den Krieg zusammen, der seine Wurzel im kapitalistischen Profitsystem hat, und dessen Folgen die gesamte internationale Arbeiterklasse treffen. Sie muss sich daher international zusammenschließen, um ihren Lebensstandard gegen die unaufhörlichen Angriffe zu verteidigen. Und sie braucht eine sozialistische Perspektive.

Nur so kann sowohl die Gefahr eines vernichtenden dritten Weltkriegs gebannt als auch die Auswirkungen des Kriegs in Form von Arbeitsplatzabbau und gewaltigen Reallohnsenkungen abgewehrt werden. Wir rufen alle Arbeiterinnen und Arbeiter auf, sich per Whatsapp-Nachricht bei folgender Nummer zu melden: +491633378340 oder sich gleich hier unten für den Aufbau von Aktionskomitees zu registrieren.

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