Corona-Lage in Krankenhäusern eskaliert

Die Belegung der Kliniken wegen steigender Corona-Infektionen hat sich in nur einer Woche bundesweit verdoppelt. In mehreren Bundesländern sind Intensivstationen und Notaufnahmen hoffnungslos überlastet. Betten können aufgrund von Personalmangel nicht belegt werden, und viele Kliniken melden sich von der Notfallversorgung ab.

Die rasante Ausbreitung des Corona-Virus in Deutschland und international bringt die Kliniken, die seit fast drei Jahren am Limit sind, erneut an den Rand des Zusammenbruchs. Diese Entwicklung war nicht nur vorhersehbar, sie wurde bewusst in Kauf genommen. Die Regierungen in Bund und Ländern sind trotz der Gefahren für Patienten und Beschäftigte nicht bereit, auch nur die elementarsten Schutzmaßnahmen umzusetzen.

Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) berichtete jüngst, dass schon jetzt massenhaft geplante Operationen und Behandlungen verschoben werden und dringend benötigte Betten mangels Personals gesperrt sind. „Das sind Dinge, die mittlerweile wohl schon in der Hälfte der Kliniken passieren. Und die Lage wird sich in den kommenden Wochen wohl noch weiter verschlechtern,“ so Gaß.

Wie aus dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) vom letzten Dienstag hervorgeht, mussten 1660 Corona-positive Patienten auf Intensivstationen behandelt werden.

Laut dem Bericht des Robert Koch-Instituts (RKI) gab es in der vergangenen Woche in medizinischen Einrichtungen 220 aktive Ausbrüche, in der Vorwoche waren es 155. In Alten- und Pflegeheimen ist die Zahl von 301 auf 413 gestiegen. „Diese Entwicklungen können als direkte Folge der starken Ausbreitung in den vergangenen Wochen gedeutet werden“, so der Bericht.

Tatsächlich spiegeln die steigenden Klinikeinweisungen den dramatischen Anstieg der allgemeinen Infektionszahlen wieder. Die Infektionszahlen waren zuletzt kräftig gestiegen. Die 7-Tage-Inzidenz je 100.000 Einwohner gab das RKI am Montag mit 680 an. Am gleichen Tag meldete das RKI 151.420 Neu-Infektionen. Experten gehen davon aus, dass die Infektionszahlen viel höher liegen, weil viele Infizierte keinen PCR-Test mehr machen und so auch nicht erfasst werden. Auch die Todeszahlen gehen wieder steil nach oben. Täglich sterben zwischen 100 und 200 Menschen an Corona.

In Berlin meldete die Senatsgesundheitsverwaltung am Freitag 904 Patienten mit Covid-19 in den Kliniken der Hauptstadt. Davon mussten 48 intensivmedizinisch betreut werden. Vor einer Woche lag die Zahl bei 696, vor zwei Wochen bei 543.

Der rot-rot-grüne Senat ist angesichts dieser Entwicklung weiter tatenlos. SPD, Grüne und Die Linke beraten aktuell über mögliche Maßnahmen für die kommenden Monate, doch die Abschaffung der so genannten Corona-Ampel macht bereits deutlich, dass es eher darum geht, die steigenden Infektionszahlen zu beschönigen und unter den Teppich zu kehren.

Die Ampel, die im Grunde während der letzten Monate durchgehend auf rot stand, sei nicht mehr das richtige Instrument, weil die aktuellen Infektionen weniger schwere Krankheitsverläufe mit sich brächten, begründete dies die Gesundheitsverwaltung.

In Brandenburg haben sich die Fälle in den Kliniken im Vergleich zum Vorjahr verzehnfacht. Die Krankenhäuser Strausberg, Seelow und Wriezen verhängten letzten Dienstag wieder ein Besuchsverbot um die Verbreitung einzudämmen. Die 7-Tage-Inzidenz stieg in dem Bundesland auf 744,1 und verdoppelte sich damit nahezu gegenüber der Vorwoche (390,6). Je 100.000 Einwohner wurden mit Stichtag letzten Dienstag in sieben Tagen 17,38 Menschen wegen Covid-19 in Kliniken behandelt. Der sogenannte Alarmwert liegt bei 10.

Das Carl-Thiem-Klinikum in Cottbus kann den massiven Anstieg von Patienten bei gleichzeitigem Ausfall von Mitarbeitern durch Corona kaum noch kompensieren. Geschäftsführer Götz Brodermann sagte gegenüber dem rbb am Donnerstag, dass das Haus wieder an einer Schwelle stehe, an der Stationen geschlossen werden müssten.

Brandenburgs Innenminister und CDU-Landeschef Michael Stübgen erklärte trotzdem, dass die schwarz-grüne Koalition keine Maßnahmen ergreifen werde, um dieser Entwicklung entgegenzusteuern. Er halte Maßnahmen „nicht für sinnvoll“, da ihm keine Daten vorlägen, dass das Gesundheitssystem übermäßig belastet sei.

Wie die Hessenschau berichtet, waren von den 2025 Betten auf Normalstationen, die in Hessen für Corona-Patienten vorgehalten werden, am Freitag 1922 belegt und damit 500 mehr als eine Woche zuvor. Weitere 169 Corona-Infizierte befanden sich in intensivmedizinischer Behandlung. Auch dort sind fast alle der insgesamt 190 für diese Personen reservierten Betten belegt. Das Sozialministerium berichtet von „fast flächendeckenden“ Versorgungsengpässen in der Inneren- und Intensivmedizin.

Besonders dramatisch ist die Lage in der bayrischen Landeshauptstadt München und in deren Umgebung. Zwei Wochen nach Ende des Oktoberfests in München ist genau jene Situation eingetreten, vor der Mediziner und Virologen zuvor gewarnt hatten.

Markus Lerch, Ärztlicher Direktor des LMU-Klinikums in München, erklärte, man habe jetzt mehr Corona-Patienten im Haus als bei jeder anderen Welle. Hinzu kommen hier auch die Ausfälle des Personals. Teilweise waren 500 Mitarbeiter gleichzeitig erkrankt.

Der Betriebsrat der München Klinik, die fünf Krankenhäuser betreibt, warnte in einem Schreiben an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) vor dem Kollaps des Gesundheitssystems in der Stadt. „Die Notfallzentren sind überfüllt, die Patienten stapeln sich auf den Fluren“, heißt es in dem Brandbrief. Die Kliniken seien „gefährlich überlastet“, 30 bis 50 Prozent der Mitarbeiter selbst erkrankt.

Teilweise werden Patienten in München und Umland von Klinik zu Klinik verlegt, je nachdem, welche Einrichtung noch Kapazitäten hat. Die Klinik in Haag im Landkreis Mühldorf am Inn wurde bis zum Ende Januar komplett geschlossen, das verbliebene Personal arbeitet in anderen Kliniken im Landkreis.

In der Stadt München lag die 7-Tage-Inzidenz am Donnerstag bei 1234, zwei Tage zuvor bei fast 1500. Auch in Fürstenfeldbruck waren es 1474, in Ebersberg 1253. Insgesamt liegt die Inzidenz bayernweit über 1000. Dabei ist auch hier von einer enorm hohen Dunkelziffer auszugehen.

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