Katastrophale Versorgungslage an Kinderkliniken

Die aktuellen Infektionswellen bringen Krankenhäuser und das dort tätige Personal an ihre Grenzen. Neben dem seit fast drei Jahren andauernden Druck durch die Corona-Pandemie kommen nun die saisonal bedingten Infektionen mit Influenza- und RS-Viren hinzu. Vor allem die Kinderkliniken stehen mit dem Rücken zur Wand und können die Flut an Infektionen mit den Respiratorischen Synzytial-Viren nicht mehr bewältigen.

Bettenhochhaus der Charité (INTERRAILS, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons) [Photo by Wikimedia Commons / CC BY 4.0]

Die dramatische Lage ist ein Ergebnis der katastrophalen Gesundheits- und Pandemiepolitik der Regierung. Die rigorose Durchseuchungspolitik, die zuletzt mit dem Aufheben der minimalsten Schutzmaßnahmen – wie der Maskenpflicht im öffentlichen Bereich und der Isolationspflicht – sowie der Öffnung von Schulen und Kitas ohne jeden Schutz auf die Spitze getrieben wurde, hat die jährlich auftretenden saisonalen Infektionen verstärkt und die Gefahr von Mehrfachinfektionen drastisch erhöht. Dies trifft vor allem Kinder.

RSV ist ein Virus, das die oberen und unteren Atemwege befällt. Grundsätzlich kann diese Erkrankung in jedem Alter auftreten, gehört aber zu den häufigsten Erregern bei Säuglingen und Kleinkindern. Die Inzidenz der RSV-Atemwegserkrankung liegt weltweit bei 48,5 Fällen und 5,6 schweren Fällen pro 1000 Kindern im ersten Lebensjahr.

Stark betroffen von schweren Verläufen sind Kinder und auch Erwachsene mit Vorerkrankungen der Lunge und des Herzens oder mit einer Immunschwäche. In den letzten Wochen haben Mediziner und Gesundheitsexperten vor einer starken Zunahme von RSV-Infektionen bei Kindern gewarnt. Dabei ist die Spitze noch nicht erreicht. In der Regel beginnt die Erkältungssaison erst Anfang Dezember. Der Höhepunkt der Infektionswelle steht also noch aus.

Die Lage in den Kinderkliniken ist bereits seit Jahren katastrophal und spitzt sich immer weiter zu. Ein großes Problem sind einerseits der Personalmangel und andererseits die fehlenden Intensivbetten in Kinderkliniken. Die tödlichen Folgen fasste Michael Sasse, leitender Oberarzt der Kinderintensivmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover, mit den Worten zusammen: „Kinder sterben, weil wir sie nicht mehr versorgen können.“

Eine Umfrage der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) von Ende November zeichnete die Situation wie folgt: „Von 110 Kinderkliniken hatten zuletzt 43 Einrichtungen kein einziges Bett mehr auf der Normalstation frei. Lediglich 83 freie Betten gibt es generell noch auf pädiatrischen Kinderintensivstationen in ganz Deutschland – das sind 0,75 freie Betten pro Klinik.“

Der Umfrage zufolge gab jede zweite von 130 Kinderkliniken an, dass sie in den letzten 24 Stunden mindestens ein Kind nach einer Anfrage des Rettungsdiensts oder der Notaufnahme nicht aufnehmen konnte. Als Folge mussten schwerkranke Kinder nach einer anderen Kinderklinik mit freien Intensivbetten suchen und weite Wege in Kauf nehmen, wodurch wichtige Zeit für die Behandlung verloren ging.

Laut dem Generalsekretär der DIVI, Florian Hoffmann, verschärft sich die Situation von Jahr zu Jahr und wird auf dem Rücken kritisch kranker Kinder ausgetragen. Das Gesundheitswesen werde seit Jahren „gegen die Wand gefahren“, sagt Jakob Maske, Bundessprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte.

Auch der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, führt die katastrophale Situation auf die „jahrzehntelange Vernachlässigung“ durch die Politik zurück. „Wegen der ausschließlich betriebswirtschaftlichen Orientierung des Systems, das auf Vollauslastung ausgelegt ist“, seien keine Verbesserungen in Angriff genommen worden.

Drei Kinderärzteverbände und mehrerer Krankenhausärzte kritisieren in einem Offenen Brief an die Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) die „unverantwortlichen Zustände“ in Berlin. Darin heißt es: „Die Gesundheit als auch das Leben unserer Kinder und Jugendlichen ist massiv bedroht.“

Das ist tatsächlich die Realität in der Rot-Rot-Grün regierten Hauptstadt. An vielen Tagen fehlen in Berliner Kliniken freie Betten, und Eltern finden für ihr Neugeborenes keine Kinderärzte. Obendrein sind die Notaufnahmen stark überlastet. Schon am 24. Januar dieses Jahres hatte die Initiative einen ersten Brandbrief und am 20. September einen zweiten an Gote und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geschickt.

Es verwundert nicht, dass diese Appelle auf taube Ohren stoßen. Die gegenwärtige Situation ist das Ergebnis einer gezielten Politik, die über Jahre und Jahrzehnte von den etablierten Parteien bewusst betrieben wurde.

Gerade die rot-grüne Bundesregierung von 1998 bis 2005 hat mit der Einführung der Fallpauschalen (DRG-System) für die miserable Lage im Gesundheitswesen gesorgt. Ein Architekt und Befürworter der Einführung der Fallpauschalen war Karl Lauterbach.

Die Folgen dieses Systems für die Kinderkliniken beschreibt Dominik Schneider vom Klinikum Dortmund so: „In den letzten dreißig Jahren, auch mit Einführung des Fallpauschalensystems in Deutschland, ist die Zahl der Kinderkliniken um ein Fünftel und die Zahl der Betten um ein Drittel gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der Kinder, die stationär behandelt werden müssen, um etwa zehn Prozent gestiegen.“

Als Konsequenz der katastrophalen Situation in den Kinderkliniken fordert Lauterbach zynisch, dass die bereits am Limit arbeitenden Pflegekräfte anderer Klinikbereiche in den Intensivstationen der Kinderkliniken einspringen sollen. Jakob Maske kritisiert diesen Vorschlag zur Verlegung von Personal zurecht als „völligen Humbug“, da der Einsatz im Kinderbereich spezielle Kenntnisse erfordert.

Zudem plant Gesundheitsminister Lauterbach die Personalbemessungsgrenze für Pflegekräfte außer Kraft zu setzen, was zu einer noch größeren Unterbesetzung auf den Stationen führt und auf eine weitere Überbelastung der Pflegekräfte hinausläuft. Durch den Personalmangel und die Verlegung vorhandener Pflegekräfte auf Kinderstationen werden vielerorts geplante Operationen verschoben.

In der vergangenen Woche hat die Ampel-Koalition von SPD, Grünen und FDP ein Gesetzespaket zur Entlastung von Pflegekräften und Kliniken beschlossen. Herausgekommen ist ein neues Instrument zur Personalbemessung in Kliniken, das vage bleibt und erst 2025 umgesetzt werden soll. Die Gewerkschaft Verdi, die zuletzt mit sogenannten Entlastungstarifverträgen in mehreren Bundesländern die prekäre Situation der Pflegekräfte für die nächsten Jahre zementiert hat, war maßgeblich an der Ausarbeitung beteiligt

Darüber hinaus wurde eine geringe finanzielle Entlastung für Kinderkliniken beschlossen. Diese sollen 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Das ist nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein, nachdem die Kliniken und Stationen in diesem Bereich über Jahrzehnte ausgeblutet wurden.

Medienwirksam verkündete Lauterbach jüngst, das Fallpauschalen-System in Kinderkliniken abzuschaffen. „Nicht mehr ökonomischer Zwang, sondern medizinische Notwendigkeit“ solle künftig in den Kliniken über die Behandlung entscheiden. Er selbst bezeichnete seine Reformen als „Revolution“.

Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Das DRG-System wird nicht angetastet, das zentrale Element der Reform besteht in der Reduzierung stationärer Aufenthalte. Das bedeutet nicht nur eine sinkende Versorgungsqualität, sondern auch eine Verschlechterung der finanziellen Situation gerade kleiner und mittlerer Kliniken. Am Ende wird also noch mehr „ökonomischer Zwang“ herrschen.

Welchen Stellenwert Leben und Gesundheit der Bevölkerung für die Regierungen in Bund und Ländern haben, zeigen nicht nur die über 158.000 Todesopfer der skrupellosen Profite-vor-Leben-Politik in der Pandemie, sondern auch der von der Bundesregierung beschlossene Haushalt 2023. Während die Militärhausgaben von knapp 50 auf 58,6 Milliarden Euro steigen, wird der in der Pandemie zeitweilig erhöhte Gesundheitsetat von 64,3 auf 24,5 Milliarden Euro zusammengestrichen.

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