Untersuchungsausschuss wirft Trump schwere Straftaten vor, fordert Anklage

Trump-Anhänger erklimmen die Mauer des Kapitols am 6. Januar 2021 [Photo: Flickr.com/Blink O’fanaye]

Der Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses zum Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 tagte am Montag letztmalig. Einstimmig erwartet der Ausschuss nun vom US-Justizministerium, dass Donald Trump zur Rechenschaft gezogen wird in vier Fällen von schweren Straftaten, die der Ausschuss feststellen konnte.

Dies ist das erste Mal in der amerikanischen Geschichte, dass die Strafverfolgung eines Ex-Präsidenten wegen krimineller Handlungen offiziell empfohlen wird. Im Falle einer strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung drohen Trump eine lange Gefängnisstrafe sowie der Ausschluss von der Ausübung öffentlicher Ämter.

Zu den vier Anklagepunkten gegen Trump gehören Anstiftung und Beihilfe zum Aufstand, Behinderung eines Bundesverfahrens (der Bestätigung der Wahl durch den Kongress am 6. Januar), Verschwörung gegen die Bundesregierung und Verschwörung zur Abgabe falscher Erklärungen (indem er falsche Wahlmänner Erklärungen ausfüllen ließ, dass sie tatsächlich von ihren Bundesstaaten gewählt worden seien).

In einer besonders bemerkenswerten Passage wird in der Zusammenfassung des Berichts, auf dem die Anklageempfehlung beruht, Trumps Plan dargelegt, den Mob am 6. Januar ins Kapitol zu führen. Dies wurde nur durch den Widerstand seiner Geheimdienstmitarbeiter verhindert, die es für zu gefährlich hielten und ihm daher nicht erlaubten, das Weiße Haus zu verlassen, um sich einem bewaffneten Mob anzuschließen:

[D]er Präsident hatte tatsächlich die Absicht, sich persönlich am Unterfangen am 6. Januar im Kapitol zu beteiligen, er wollte allen voran das Wahlergebnis kippen, entweder aus dem Repräsentantenhaus selbst heraus, oder von einer Bühne außerhalb des Kapitols oder auf andere Weise ... Alle vorliegenden Beweise lassen keinen Zweifel daran, dass Präsident Trump diese Absicht hatte.

Die Strafanzeige vonseiten des Ausschusses zeigt, dass sich die politische Krise in den USA verschärft und nicht abschwächt. Dies gilt trotz gegenteiliger Behauptungen des Weißen Hauses unter Präsident Biden und der selbstgefälligen Medienanalysten nach den Zwischenwahlen, bei denen Trump-Unterstützer in vielen umkämpften Wahlbezirken unterlagen.

Trump und seine Unterstützer im Kongress und in der Republikanischen Partei haben die Strafanzeige und andere vom parlamentarischen Untersuchungsausschuss geforderte Konsequenzen sofort verurteilt. Dazu gehört auch die Überstellung von vier republikanischen Kongressmitgliedern an den Ethikausschuss des Repräsentantenhauses, weil sie sich weigerten, Vorladungen in den Untersuchungsausschuss als Zeugen der Ereignisse vom 6. Januar Folge zu leisten.

Eine Mehrheit der Republikaner, die am 3. Januar 2023 die Kontrolle über das Repräsentantenhaus übernehmen werden, stimmte vor zwei Jahren dafür, Bidens Wahlsieg nicht zu bestätigen. Der Vorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, hat erklärt, er werde zu Beginn der neuen Sitzungsperiode nicht den Aufstand untersuchen lassen sondern eine Untersuchung zur Rechtmäßigkeit des Untersuchungsausschusses einleiten.

Die stellvertretende Ausschussvorsitzende, die Republikanerin Liz Cheney, schien die anhaltenden explosiven Spannungen anzusprechen, als sie zu Beginn der letzten Sitzung darauf hinwies, dass ihr Urgroßvater im Bürgerkrieg in der Unionsarmee gekämpft habe, um die verfassungsmäßige Struktur der USA zu verteidigen. Diese Struktur habe immer noch Bestand, weil jeder amerikanische Präsident die Macht friedlich an einen gewählten Nachfolger übergeben habe – mit einer Ausnahme: Donald Trump. Ihre Äußerungen beinhalten die eindeutige Warnung, dass die Vereinigten Staaten von einem Bürgerkrieg bedroht sind.

Cheney selbst verlässt den Kongress, nachdem ihre eigene Partei einen Trump-Anhänger in ihrem Wahlbezirk aufgestellt hatte. Drei weitere Mitglieder des Ausschusses haben entweder auf eine erneute Kandidatur verzichtet oder unterlagen bei den Wahlen, so dass nur fünf der neun Ausschussmitglieder, die am Montag für den Strafantrag gestimmt haben, in zwei Wochen noch Abgeordnete im Kongress sind.

Der Ausschuss selbst löst sich mit Vorlage seines Abschlussberichts am heutigen Mittwoch auf. Die Zusammenfassung des Berichts wurde am Montag veröffentlicht, und Tausende von Seiten mit Abschriften von Zeugenaussagen werden zusammen mit anderen Beweisen veröffentlicht und dem US-Justizministerium übergeben, wo ein Sonderstaatsanwalt, Jack Smith, bereits mit der Untersuchung beauftragt wurde.

Die Strafanzeige ist nicht auf Trump beschränkt, sondern nennt mehrere seiner Rechtsberater sowie den ehemaligen Stabschef des Weißen Hauses Mark Meadows und den ehemaligen hochrangigen Vertreter des Justizministeriums Jeffrey Clark als potenzielle Zielpersonen für eine Strafverfolgung. Die Empfehlung deutet auch darauf hin, dass neben den vier gegen Trump aufgezählten Straftaten noch weitere begangen wurden. Das Dokument des Untersuchungsausschusses überlässt es aber dem Justizministerium zu entscheiden, welche Personen angeklagt werden sollen.

Smith wurde vor einem Monat von Generalstaatsanwalt Merrick Garland ernannt, um die Biden-Regierung von den politischen Konsequenzen einer Entscheidung über die Fortsetzung oder Einstellung der Strafverfolgung von Trump und anderen hochrangiger Regierungsvertreter zu entlasten. Smith ist nicht verpflichtet, auf den Strafantrag des Ausschusses hin tätig zu werden.

Im Mittelpunkt der abschließenden einstündigen Anhörung und der 154-seitigen Zusammenfassung stand die persönliche Rolle Trumps. Die gesellschaftlichen und politischen Wurzeln der Krise, die am 6. Januar in Gewalt ausartete, oder die Handlungen von Institutionen der amerikanischen Regierung, vor allem des Militärs und der Geheimdienste, spielten in der Untersuchung keine Rolle.

„Diese Beweise haben zu einer eindeutigen und klaren Schlussfolgerung geführt: Die zentrale Ursache des 6. Januar war ein Mann, der ehemalige Präsident Donald Trump, dem viele andere folgten“, heißt es in der Zusammenfassung. „Ohne ihn wäre keins der Ereignisse des 6. Januar eingetreten.“

Es besteht kein Zweifel, dass Trump im Zentrum stand, aber er war nicht nur der Kopf einer faschistischen Verschwörung. Er war auch der Führer der Republikanischen Partei und der Oberbefehlshaber einer riesigen Militär- und Geheimdienstmaschine. Kein Bericht über die Ereignisse vor und während des allerersten Versuchs eines US-Präsidenten, seine eigene Niederlage bei einer Präsidentschaftswahl zu revidieren, kann diese Tatsache ignorieren.

Doch von Anfang an bestand die Aufgabe des Untersuchungsausschusses zum 6. Januar darin, die Rolle des kapitalistischen Staates und der republikanischen Partei zu verschleiern und den Fokus auf Trump als Individuum und seine nicht-staatlichen Mitverschwörer, die Anwälte und politischen Akteure, zu verengen. Diese wiederum hielten Trumps Verbindungen zum faschistischen Milieu aufrecht, zu dem auch bewaffnete Gruppen wie die Proud Boys und Oath Keepers gehören, die an dem gewaltsamen Angriff auf das Kapitol beteiligt waren.

Diese Vertuschung war die Absicht der Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, als sie den Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses einrichtete, und sie wurde von Liz Cheney, der Tochter von Dick Cheney, dem ehemaligen US-Vizepräsidenten und nie angeklagten Kriegsverbrecher, unterstützt. Beide sind glühende Verfechter des Militär- und Geheimdienstapparats.

Aus diesem Grund hat sich der Untersuchungsausschuss nie öffentlich mit den Gründen befasst, warum das Pentagon die Entsendung der Nationalgarde zum Schutz des Kapitols um 199 Minuten verzögerte. Dies geschah, nachdem die Nationalgarde von Kongressmitarbeitenden und Polizeibeamten angefordert worden war, als der Mob im Kapitol randalierte. General a.D. William Walker, der damalige Chef der Nationalgarde von Washington, wurde nie als Zeuge in eine öffentliche Ausschusssitzung geladen, um zu erläutern, warum er das Pentagon mehrfach bitten musste, Truppen entsenden zu dürfen.

Der Ausschuss untersuchte auch nicht die Gründe, warum die Nachrichtendienste und die Strafverfolgungsbehörden keine Vorbereitungen trafen, obwohl sie bereits im Vorfeld zahlreiche Hinweise auf Pläne für einen gewaltsamen Angriff am 6. Januar hatten, einschließlich der Besetzung des Kapitols. Stattdessen wird in der Zusammenfassung argumentiert, dass sie die spezifischen Ereignisse des 6. Januar nicht vorhersehen konnten, so etwa Trumps plötzlichen und angeblich „nie schriftlich gefassten“ Aufruf an seine Anhänger, von der Kundgebung am Weißen Haus zum Capitol Hill zu marschieren, und sein Versprechen, sie zu begleiten.

Eine weitere wichtige Institution, die für den Ausschuss offenbar tabu war, war der Oberste Gerichtshof der USA. Mindestens zwei Richter standen direkt mit den Putschisten in Verbindung. Die Ehefrau von Richter Clarence Thomas, Virginia „Ginni“ Thomas, ist eine langjährige republikanische Aktivistin, die eine wichtige Rolle bei Aspekten von Trumps Wahlputsch spielte. Dies beinhaltete auch Versuche, die Gesetzgeber in den Bundesstaaten dazu zu bringen, die von den Wählern ihres Staates bestimmten Wahlleute abzusetzen.

Richter Samuel Alito sollte die Bestätigung der Wahlleute durch den Kongress aussetzen, falls Vizepräsident Mike Pence nicht Trumps Anweisung befolgen würde, den Prozess zu stören und entsprechend die Wahlleutestimmen von wichtigen „umkämpften“ US-Bundesstaaten wie Arizona und Pennsylvania nicht zu akzeptieren. Der ultrarechte Richter hielt sich mit einer Entscheidung zurück, beobachtete den Angriff des Mobs und ließ den Vorschlag erst fallen, als Trump seinen faschistischen Anhängern gesagt hatte, sie sollten nach Hause gehen.

In der Zusammenfassung wird korrekt erklärt, dass Trump „damals glaubte und auch heute noch glaubt, er stehe über dem Gesetz und sei nicht an unsere Verfassung und deren ausdrückliche Kontrollen der präsidialen Autorität gebunden“.

Weiter heißt es: „Wenn Präsident Trump und die Mitarbeiter, die ihn bei dem Versuch unterstützt haben, das rechtmäßige Ergebnis der Wahl 2020 zu kippen, nicht letztendlich nach dem Gesetz zur Rechenschaft gezogen werden, kann ihr Verhalten zu einem Präzedenzfall und einem gefährlichen Beispiel für künftige Wahlen werden ... Ein Versäumnis, sie jetzt zur Rechenschaft zu ziehen, kann letztlich zu künftigen rechtswidrigen Bemühungen führen, unsere Wahlen zu kippen, und damit die Sicherheit und Lebensfähigkeit unserer Republik bedrohen.“

Doch gegen diese Bedrohung durch eine Diktatur haben die Demokraten und Republikaner im Ausschuss nichts als eine „Bösewicht“-Theorie anzubieten. Die amerikanische Demokratie würde wie ein Garten blühen, wenn die Schlange Trump nicht eine Pause von seinen Immobiliengeschäften in Manhattan und seinen Unternehmungen im Reality-TV eingelegt hätte, um sich einzuschleichen.

In Wirklichkeit erwächst die Gefahr autoritärer Herrschaft organisch aus der Krise des amerikanischen und des Weltkapitalismus, in der eine winzige Minderheit von Superreichen zunehmend die Vorherrschaft in der Gesellschaft beansprucht.

Die herrschende Elite in den USA, deren wichtigste politische Instrumente die Republikanische und die Demokratische Partei sind, hat im Ausland einen Kurs des Krieges und im Inland einen Kurs der Unterdrückung eingeschlagen: Zu nennen sind die immer stärkeren Konflikte mit Russland und China und der Einsatz des kapitalistischen Staates gegen die Arbeiterklasse im Inland, wie z.B. das parteiübergreifend im Kongress verabschiedete Verbot eines Eisenbahnerstreiks.

Die Biden-Regierung ist eifrig bemüht, sich von den Schlussfolgerungen des Untersuchungsausschusses zu distanzieren. Sie nennt die Mitverschwörer der Republikanischen Partei von Trump ihre „Kollegen“, da ihre Unterstützung beim Kriegskurs im Ausland erforderlich ist.

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