Marktchaos und drohender Credit Suisse-Kollaps nach der Silicon Valley Bank-Pleite

Die Folgen der Insolvenz der Silicon Valley Bank (SVB) durchdringen das US-Finanzsystem und schlagen weltweit Kapriolen. Infolgedessen sah sich selbst die globale Schweizer Großbank Credit Suisse mit einer möglichen Zahlungsunfähigkeit konfrontiert.

Credit-Suisse-Display auf dem Parkett der New York Stock Exchange [AP Photo/Seth Wenig]

Am Mittwoch weigerte sich die saudi-arabische Nationalbank, einer der Hauptinvestoren der Credit Suisse, der Großbank weitere Finanzhilfen zu gewähren. Daraufhin sah sich die Schweizerische Nationalbank gezwungen, in die Bresche zu springen, um der Credit Suisse die notwendige Liquidität zur Verfügung zu stellen. Dieses Hochfinanz-Drama führte jenseits des Atlantiks zu erheblichen Verwerfungen der US-Finanzmärkte.

Der Leitartikel des Wall Street Journal brachte die Situation auf den Punkt: „Die Märkte für die sichersten und liquidesten Vermögenswerte der Welt, der Staatsanleihen der USA und anderer reicher Länder, gerieten am Mittwoch, nach einer Woche der Sorge um die Gesundheit der globalen Banken, unter immensen Druck.“

Die Biden-Regierung beschloss im Zusammenspiel mit den US-Finanzbehörden, die vermögenden, nicht versicherten Einleger der SVB und der gescheiterten Signature Bank unter Berufung auf „systemische Risiken“ zu retten. Die Entscheidung der amerikanischen Notenbank Fed, mehr Liquidität bereitzustellen, hat zwar vorübergehend eine Krise gestoppt, aber gleichzeitig eine neue ausgelöst.

Die Schwankungen waren so ausgeprägt, dass der Handel mit mehreren Zinskontrakten auf dem Terminmarkt vorübergehend ausgesetzt wurde. Die Rendite der zweijährigen Staatsanleihe, die am stärksten auf die Zinserwartungen reagiert, ist von 5 Prozent in der letzten Woche auf unter 4 Prozent gefallen. Eine derartige Bewegung hat es seit dem Börsenkrach im Oktober 1987 nicht mehr gegeben.

Einer der Gründe für die drastische Abwärtsbewegung war die Erwartungshaltung der Spekulanten, dass der Kurs der Anleihen fallen würde, wenn die Zinssätze steigen. Sie hatten infolgedessen Leerverkäufe getätigt (Anleihen und Zinssätze bewegen sich gegenläufig), und waren nun gezwungen, ihre Positionen zu decken, da die Anleihen-Preise zu steigen begannen, als die Zinssätze fielen.

Das Wall Street Journal zitierte Matt Smith, Investment Director bei der Londoner Vermögensverwaltung Ruffer, der feststellte, dass die Schritte der Regierung zwar die Verunsicherung der nicht versicherten Einleger bei der SVB beseitigen, sie aber andernorts verschärfen würde.

„Ein Sprichwort besagt, dass man die Volatilität nie völlig unterbinden, sondern nur in eine andere Richtung lenken kann“, sagte Smith.

Die Aktionen von Finanzspekulanten und -händlern sind nur der unmittelbare Ausdruck tiefer liegender Ursachen: die Befürchtung, dass die US-Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert, und dass der Zusammenbruch der SVB nur der Anfang einer Kernschmelze im Finanzsystem sein könnte.

Ein Anlageverwalter formulierte es folgendermaßen: „Niemand will von der nächsten Silicon Valley Bank- oder der nächsten Credit Suisse-Krise erwischt werden.“

Die zunehmende Unsicherheit führte zu einem Liquiditätsengpass auf dem US-Staatsanleihenmarkt, dem Grundpfeiler des globalen Finanzsystems. Unter Liquidität versteht man hier die Leichtigkeit, mit der Geschäfte getätigt werden können, ohne dass es dabei zu größeren Marktverschiebungen kommt.

Ein vom Wall Street Journal zitierter Index zeigt, dass die Volatilität am Anleihemarkt auf den höchsten Stand seit drei Jahren stieg, höher als während der Finanzkrise im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie. Damals konnte der Marktstillstand nur durch eine massive 4 Billionen Dollar Geldspritze der Fed gerettet werden.

Der ehemalige Präsident der Fed in Boston, Eric Rosengren, wies in einem Tweet auf die Verflechtung zwischen den Finanzmärkten und der Gesamtwirtschaft hin:

„Finanzkrisen verursachen eine Vernichtung der Nachfrage. Banken reduzieren die Kreditverfügbarkeit. Verbraucher zögern Großeinkäufe hinaus. Firmen verschieben ihre Ausgaben“, schrieb Rosengren, und er forderte die Fed auf, mit den Zinserhöhungen zu pausieren, „bis das Ausmaß der Nachfrageunterbrechung klar eingeschätzt werden kann“.

Die Credit Suisse hatte schon seit mehreren Jahren Probleme. Sie hat besonders infolge der Zahlungsunfähigkeit des Fonds Archegos Capital und des Zusammenbruchs des Finanzdienstleisters Greensill Dutzende Milliarden Dollar verloren. Dadurch ist sie zu einem sehr schwachen Glied in der Kette des europäischen Bankensystems und zu einer der ersten Banken geworden, auf die sich die Turbulenzen bei der SVB auswirkten.

Gleichzeitig verschärft die Nachricht, dass die Credit Suisse, eine weltweit tätige Bank mit umfangreichen US-Geschäften, die Unterstützung der Nationalbank benötigt, die Krise in den USA.

In der gemeinsamen Erklärung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) und der Schweizerischen Nationalbank heißt es, es gebe „keine Anzeichen für eine unmittelbare Ansteckungsgefahr für Schweizer Institute infolge der gegenwärtigen Turbulenzen auf dem US-Bankenmarkt.“

Wenn das tatsächlich der Fall ist, wieso wurde dann die Erhöhung der Liquidität überhaupt angeboten?

Interessanterweise erwog die Europäische Zentralbank einem Bericht der Financial Times zufolge, eine Erklärung abzugeben, um die Märkte zu beruhigen. Sie entschied sich jedoch dagegen, da sie befürchtete, noch mehr Panik damit zu schüren.

Die Financial Times zitiert einen Finanzanalysten mit der Aussage: „Alles sieht danach aus, dass die Schweizerische Nationalbank intervenieren und eine Rettungsleine auswerfen muss.“ Die Nationalbank und die Regierung seien sich „voll und ganz bewusst, dass der Ausfall der Credit Suisse oder auch nur Einleger-Verluste den Ruf der Schweiz als Finanzplatz zerstören würden“.

Die Credit Suisse war durch ihre vorangegangenen Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe schon stark in Mitleidenschaft gezogen. Dazu kam ein am Dienstag veröffentlichter Bericht, der nachwies, dass die Kontrollen der Finanzberichterstattung „erhebliche Mängel“ aufgewiesen hätten, was zu einer Verzögerung bei der Publikation des Jahresberichts in der letzten Woche geführt habe.

Obendrauf kam noch das Interview des Vorsitzenden der saudischen Nationalbank mit Bloomberg TV, worin er mitteile, man werde keine weiteren Gelder mehr zur Verfügung stellen, da es aufsichtsrechtliche Bedenken gebe, sollten die Anteile über 10 Prozent steigen.

Der Aktienwert der Bank fiel am Mittwoch zu Beginn um 30 Prozent und schloss mit einem Minus von 24 Prozent. Damit beträgt der Gesamtrückgang in diesem Jahr 39 Prozent und in den letzten zwei Jahren satte 85 Prozent.

Ein Konkurs der Credit Suisse oder auch nur weitere gravierende Probleme der Bank hätten größere wirtschaftliche Auswirkungen als der Konkurs der SVB.

Die Credit Suisse ist hinter der UBS die zweitgrößte Schweizer Bank und ein wichtiger globaler Finanz-Akteur mit umfangreichen Aktivitäten in den USA. Sie verfügt über ein Vermögen von 580 Milliarden Dollar, doppelt so viel wie die gescheiterte SVB. Daher wird sie als „systemrelevantes Finanzinstitut“ eingestuft. Die Credit Suisse muss nach den Vorschriften, die nach dem Konkurs von Lehman Brothers aufgestellt wurden, mehr Eigenkapital vorhalten als andere Banken.

Prognosen gehen davon aus, dass die Ereignisse der vergangenen Woche - angefangen beim Zusammenbruch der Krypto-Bank Silvergate über die SVB und Signature (die zweit- und drittgrößte US-Bankenpleite), bis hin zum Rettungspaket für die Credit Suisse - alles nur die Vorhut einer globalen Finanzkrise darstellen.

BlackRock-Chef Larry Fink warnte Anleger in einem Brief davor, dass das US-Finanzsystem nach dem SVB-Kollaps in eine „schleichende Krise“ gerate, und dass „weitere Pfändungen und Schließungen“ bevorstünden.

Er erklärte, der Zusammenbruch der SVB sei ein Beispiel für den „Preis, den wir für Jahrzehnte des günstigen Geldes zahlen müssen“.

Die Wahrheit aber ist, dass Fink zusammen mit dem Rest der Finanzoligarchie und ihren Komplizen enorm vom „lockeren Geld“ der Fed profitiert hat, wodurch sein Reichtum über alle irdischen Maßstäbe hinaus in die Stratosphäre wuchs.

Eins steht angesichts des drohenden Zusammenbruchs des finanziellen Kartenhauses heute schon fest: Weder Fink noch seinesgleichen werden auch nur einen einzigen Cent verlieren. Man wird ihnen wie 2008 aus der Patsche helfen, und Bidens Vorgehen verdeutlicht, dass es sich genauso wieder abspielen wird.

Zur Kasse werden wieder die Arbeiter und ihre Familien gebeten, und zwar in Form von Angriffen auf die Löhne, verschärfter Ausbeutung, von Arbeitsplatzzerstörung und durch Kürzung der Sozialausgaben. Genau wie es nach 2008 geschah, nur noch schlimmer!

Die herrschende Klasse reagiert auf die globale Krise des Profitsystems, indem sie die Kosten gänzlich den Arbeitern aufbürdet. Um dieses Ziel zu erreichen, wird sie vor nichts zurückschrecken.

Daher steht die Arbeiterklasse vor der Aufgabe, ihre eigene unabhängige, politische Bewegung im Kampf für ein sozialistisches Programm zu entwickeln. Der erste Schritt ist die Überführung der Banken und des Finanzsystems in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle. Nur auf einer solchen Grundlage kann ein neues Wirtschaftssystems aufgebaut werden, das den menschlichen Bedürfnissen - nicht den privaten Profitinteressen - dienen wird.

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