Macron verteidigt Rentenkürzungen ohne Parlamentsbeschluss

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hielt am Mittwochnachmittag eine Fernsehansprache, in der er seine Entscheidung verteidigte, die von 80 Prozent der französischen Bevölkerung abgelehnte Rentenkürzung ohne Abstimmung im Parlament durchzusetzen. Er kündigte außerdem eine Reform des Einwanderungsrechts an, durch die das Asylrecht eingeschränkt und Abschiebungen beschleunigt werden sollen.

Macrons Rede straft die französischen Gewerkschaften, die Partei La France insoumise (Unbeugsames Frankreich, LFI) und all diejenigen Lügen, die für sinnlose Appelle an Macron plädieren, das soeben beschlossene Gesetz nicht anzuwenden. Es ist offensichtlich, dass Macron keine Rücksicht auf grundlegende demokratische und soziale Rechte nehmen wird, obwohl sich am Donnerstag erneut Millionen an Protesten und Streiks beteiligten.

Macron wählte für seine Ansprache bewusst eine Uhrzeit, zu der wenige Arbeiter sie sehen würden. Die Rede bestätigte, dass es im Kampf gegen Macron keinen „demokratischen“ Weg vorwärts gibt. Er setzt sich über die öffentliche Meinung hinweg, um das Diktat der Banken durchzusetzen. Er möchte Milliarden Euro aus den Rentenkassen abschöpfen, um Bankenrettungen und die Aufrüstung für den Krieg gegen Russland zu finanzieren. Sein Vorgehen hat die „Demokratie“ in Frankreich als nackte Diktatur der kapitalistischen Oligarchie entlarvt, die die Massen durch Präsidentenerlasse und Polizeigewalt in Armut zwingt.

Vor seiner Fernsehansprache erklärte Macron gegenüber Mitgliedern seiner Partei Rennaissance in provokantem Ton, die Bevölkerung habe kein Recht, sich gegen seine Regierung zu stellen: „Wenn Sie an die demokratische und republikanische Ordnung glauben, gewinnen Unruhen nicht die Oberhand über die Volksvertreter. Der Mob hat keine Legitimität gegenüber dem Volk, das sich durch seine gewählten Vertreter ausdrückt.“

Dieser Vorstellung von Wahlen könnte jeder Diktator zustimmen. Laut Macrons Argumentation kann sich der Präsident zwischen den Wahlterminen ungehindert über den Willen der Bevölkerung hinwegsetzen. Massenproteste mit überwältigendem Rückhalt in der Bevölkerung müssten sich dem Diktat des Präsidenten und seiner Horden von schwer bewaffneten Bereitschaftspolizisten beugen.

Während des Interviews bekräftigte Macron seine demokratiefeindliche Haltung und behauptete absurderweise, die Rentenkürzung und die Verschlechterung des Lebensstandards diene der Verteidigung der Demokratie gegen das Volk: „Die Reform wird auf demokratischem Wege fortgesetzt ... Diese Reform ist notwendig, es gibt keine 36 Lösungen ... Ich bin bereit, mich unbeliebt zu machen.“

Auf die Frage, ob er irgendetwas bereue oder lieber anders gemacht hätte, erklärte Macron, er bereue, „die Menschen nicht von der Notwendigkeit der Reform überzeugt zu haben“.

In Wirklichkeit kann Macron die Bevölkerung deshalb nicht überzeugen, weil seine Rechtfertigungen für die Kürzungen allesamt gelogen sind. Das gilt vor allem für die Behauptung, das Rentensystem sei bankrott und es sei kein Geld mehr da. In Wirklichkeit ist die Rentenkasse ausgeglichen; dass kein Geld mehr da ist, liegt daran, dass Macron die Militärausgaben für den Rest des Jahrzehnts um fast 100 Milliarden Euro erhöhen will, während seine milliardenschweren Hintermänner wie Bernard Arnault faktisch keinen Cent Steuern zahlen.

Nachdem er zugegeben hatte, dass die Bevölkerung seine Kürzungen für zerstörerisch hält und der Regierung von Premierministerin Elisabeth Borne mit erbitterter Feindschaft gegenübersteht, versprach Macron, Borne im Amt zu halten, und kündigte einen „Gewaltmarsch“ bei Maßnahmen wie dem drakonischen Einwanderungsgesetz an.

Zuletzt verteidigte sich Macron gegen Kritik der Presse an seiner provokanten Äußerung, er besitze mehr demokratische Legitimität als drei Viertel der französischen Bevölkerung. Er verglich die Arbeiter, die gegen seine Kürzungen streiken, mit den Neonazis, die den Putschversuch des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump am 6. Januar 2021 unterstützten, und mit den Offizieren, die letztes Jahr während der Wahl in Brasilien einen Putsch geplant hatten.

Er beschimpfte Arbeiter, die ihr Verfassungsrecht auf Streiks und Proteste ausüben, als „Agenten der Aufwiegelung“ und erklärte: „Angesichts dessen, was die USA am Kapitol durchgemacht haben, und was Brasilien durchgemacht hat, müssen wir sagen: ‚Wir haben Respekt und hören zu.‘ Aber wir können weder Aufwiegler noch Rebellenfraktionen dulden.“

Das stellt die Realität auf den Kopf. Trump wollte bei seinem Putschversuch die Bestätigung seiner Wahlniederlage durch den Kongress verhindern und sich über das Wahlergebnis hinwegsetzen. Die brasilianischen Militärs versuchten einen Putsch nach Trumps Vorbild und arbeiteten eng mit dem scheidenden Präsidenten Jair Bolsonaro zusammen, der ebenfalls die Wahl verloren hatte.

Macron ist derjenige, der sein Amt und seine Kontrolle über die riesige französische Polizeistaatsmaschinerie benutzt, um sich über den Willen der Bevölkerung hinwegzusetzen. Dutzende Millionen Arbeiter in Frankreich lehnen seine Rentenkürzungen und die Verschlechterung ihres Lebensstandards ab.

Die Klassenspannungen verschärfen sich im Vorfeld der eintägigen Proteste gegen die Rentenkürzungen rapide. Macron mobilisiert weiterhin schwer bewaffnete Bereitschaftspolizei gegen die Demonstranten und für Angriffe auf die Streikposten von Raffineriearbeitern und Müllwerkern.

Die Arbeiterklasse kann diese Konfrontation mit dem kapitalistischen Staat und Macron nur gewinnen, wenn sie den Gewerkschaftsbürokratien und der Pseudolinken die Kontrolle über die Kämpfe entreißt. Diese Kräfte binden die Arbeiter unter der betrügerischen Begründung, sie sei demokratisch, an die kapitalistische Staatsmaschinerie. Die schwache und feige Reaktion des politischen Establishments auf Macrons Rede zeigt, dass sie bankrott und organisch an die kapitalistische Staatsmaschinerie gebunden sind.

LFI-Parteichef Jean-Luc Mélenchon erklärte, Macron habe „in der ihm eigenen Verachtung“ gegenüber der Öffentlichkeit agiert. Er warf Macron vor, „außerhalb jeder Realität zu leben“, und fragte: „Wie ist es möglich, mit solcher Arroganz zu lügen, während das Land in eine Sackgasse steuert?“

Einer der Gründe, warum Macron mit solcher Arroganz lügen kann, ist seine Gewissheit, dass Mélenchon und seine Verbündeten keinen ernsthaften Versuch unternehmen werden, Widerstand gegen ihn zu mobilisieren. Während der Präsidentschaftswahl 2022 erhielt Mélenchon fast acht Millionen Stimmen, darunter Mehrheiten in den Arbeitervierteln fast aller großen französischen Städte. Nun, da zwei Drittel der französischen Bevölkerung einen Generalstreik gegen Macron unterstützen, könnte die LFI mit der Forderung nach einem Generalstreik die Macron-Regierung schnell zu Fall bringen.

Doch Mélenchon versucht stattdessen, die Arbeiter vor den Karren der Gewerkschaftsbürokratie und ihrer ohnmächtigen Perspektive zu spannen, eine Verhandlungslösung mit der kapitalistischen Staatsmaschinerie anzustreben.

Am Mittwoch verwahrte sich der Vorsitzende des stalinistischen Gewerkschaftsbunds CGT dagegen, dass seine Gewerkschaft für Aktionen verantwortlich gemacht werden könnte, zu denen Arbeiter aus Wut über Macrons Äußerungen womöglich greifen: „Diese Bemerkungen werden den Zorn schüren. Er hat weder unsere Warnungen noch die Wut berücksichtigt. Die Gewerkschaften haben ihn aufgefordert, uns zu Gesprächen einzuladen. Wir haben auf die explosive Lage hingewiesen.“

Martinez klagte, Macron weigere sich, Gewerkschaftsführer einzuladen, und ignoriere die Entschlossenheit der Arbeiter.

Martinez und andere hochrangige CGT-Bürokraten haben nicht zur breiteren Mobilisierung der Arbeiter aufgerufen, um die Raffineriearbeiter und Müllwerker gegen Macrons Polizei zu verteidigen.

Der Kampf der Arbeiter kann nur erfolgreich sein, wenn sie ihn in die eigenen Hände nehmen und von den Gewerkschaftsbürokratien unabhängige Aktionskomitees aufbauen. Dies ist ein wichtiger Schritt zu sofortigen Streiks, der Koordination von Solidaritätsaktionen zur Verteidigung von Arbeitern, die von der Polizei angegriffen werden, und zur Mobilisierung der Wut, die sich in der Arbeiterklasse auf Macron und das kapitalistische System entwickelt.

Damit dieser Kampf Erfolg hat, müssen die Massenstreiks in Frankreich mit der Explosion des Klassenkampfs, der sich in ganz Europa und der Welt entfaltet, zu einem revolutionären Kampf für den Sozialismus vereint werden. Macron hat einmal mehr deutlich gemacht, dass es mit ihm oder den Banken nichts zu verhandeln gibt. Die entscheidende Aufgabe besteht darin, die Macht von dem bankrotten kapitalistischen Staat an die Kampforganisationen der Arbeiter zu übertragen und in Frankreich und der Welt eine sozialistische Revolution zu verwirklichen.

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