Brutaler Polizeieinsatz gegen Anti-Genozid-Protest an der FU Berlin

Die herrschende Klasse in Deutschland geht immer brutaler gegen jede Kritik an Israels Völkermord im Gazastreifen vor.

Am Donnerstag besetzten rund 60 Studierenden um die Gruppe „Students for a free Palestine“ einen Hörsaal an der Freien Universität Berlin. Politik und Medien reagierten darauf mit einem massiven Polizeieinsatz und einer Hetzkampagne sowie der Forderung nach drakonischen Strafen.

Die International Youth and Students for Social Equality (IYSSE), die Jugendbewegung der Sozialistischen Gleichheitspartei und der Vierten Internationale, verurteilen das Vorgehen auf das Schärfste und rufen zu einer Fortsetzung und Ausweitung der Proteste auf.

Bereits in den Wochen zuvor hatte es an der Freien Universität (FU) sowie an Universitäten in ganz Deutschland Kundgebungen und andere Proteste von Studierenden gegeben, die sich gegen den Völkermord in Gaza und die einseitige Positionierung der Universitäten richteten. Die Studierendengruppe an der FU stellte bereits im Vorhinein vier Forderungen an die Universitätsleitung. Diese umfassten u.a. „für einen dauerhaften Waffenstillstand einzutreten“ und „einen menschrechts- und faktenbasierten Diskurs über Palästina/Israel zu fördern“.

Students for Free Palestine zufolge ging die Universitätsleitung auf diese Forderungen nicht ein und weigerte sich, Möglichkeiten für einen Diskurs über Palästina/Israel zu schaffen. Die Gruppe erklärt in ihrem Pressestatement, dass die Besetzung vom 14. Dezember eine Reaktion auf diese Weigerung sei und der Versuch „einen Raum für einen faktenbasierten und kritischen Diskurs über Palästina/Israel zu schaffen“. Für den Zeitraum der Besetzung, die am Donnerstag Vormittag begann, wurden verschiedene Vorträge in dem Hörsaal gehalten – darunter von mehreren jüdischen Rednern.

Gegen Nachmittag rief die Universitätsleitung die Polizei, um den Hörsaal räumen zu lassen. Laut einer Sprecherin der Studierendengruppe hatte der Berliner Senat selbst die Universitätsleitung dazu aufgefordert. Die Polizei erschien mit einem Großaufgebot von über 100 Beamten und ging – wie mehrere Videos in den sozialen Medien zeigen – mit äußerster Brutalität vor. Studierende wurden im Schmerzgriff von Polizisten aus dem Hörsaal entfernt.

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Politik und Medien reagieren auf die Besetzung mit einer aggressiven Hetzkampagne. Bild und Berliner Zeitung titelten „Juden-Hasser besetzen Hörsaal in Berliner Uni“ und t-online.de warf den Studierenden die Relativierung des Holocausts vor.

Führende Politiker aller Regierungsparteien stießen ins gleiche Horn. Kai Wegner (CDU), regierender Bürgermeister Berlins, bezeichnete die Besetzung auf X (vormals Twitter) als „widerliche Aktion“ und schimpfte: „Antisemiten haben in Berlin keinen Platz.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte gegenüber der Welt am Sonntag: „Universitäten sind Orte geistiger Freiheit.“ Antisemitismus, Judenhass, politischer Islamismus oder religiöser Fanatismus hätten dort nichts verloren. Er gehe „davon aus, dass strafrechtliche Ermittlungen durchgeführt und angemessene Strafen verhängt werden“.

Und Alexander Throm (CDU), innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, drohte: „Solche Aktionen müssen Konsequenzen für die Täter haben.“ Auch schlug er die Prüfung von weiteren Schritten, wie Hausverboten oder Exmatrikulation, vor.

Die nominell „linken“ Partien äußerten sich entsprechend. So unterstütze Marcel Hopp, Senatsabgeordneter für die SPD, die Räumung, da „jüdische Studierende bedrängt“ worden seien. Unter anderem forderte er, ein Hausverbot zu prüfen: „Für Studierende der FU würde das bedeuten, dass sie hier nicht weiter studieren können.“

Tobias Schulze, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion, reihte sich ebenfalls in die Verleumdungskampagne ein. Die Freiheit der Meinungsäußerung hätte ihre „Grenzen dort, wo Antisemitismus geäußert und Terror oder der Holocaust verharmlost oder jüdische Menschen ausgegrenzt werden“.

Politik und Medien versuchen den Vorwurf des Antisemitismus gegen die Studierenden zu stützen, indem sie behaupten, jüdischen Studierenden sei der Zugang zum besetzten Hörsaal verweigert worden. „Wir dürfen nicht zulassen, dass jüdischen Studierenden der Zugang zu Hörsälen verwehrt wird, sie Anfeindungen oder gar Gewalt ausgesetzt sind“, erklärte etwa Wissenschaftsministerin Bettina-Stark Watzinger (FDP) gegenüber der Welt am Sonntag. „Wo rechtlich möglich“ dürfe „die Exmatrikulation in besonders schweren Fällen nicht ausgeschlossen sein.“

Die Behauptung, dass jüdische Studierende nicht in den Hörsaal gelassen worden seien, ist eine dreiste Lüge. Tatsächlich waren mehrere der Sprecher im Hörsaal jüdische Studierende, die ihre Erfahrungen als Angehörige von Holocaust-Opfern schilderten.

Auf der anderen Seite gab es die gesamte Besetzung über Provokationen und körperliche Angriffe von Zionisten, die außerhalb des Hörsaals Plakate herunterrissen, die u.a. Bilder von getöteten Kindern in Gaza zeigten oder Zitate von israelischen Politikern, die ihre genozidalen Absichten ausdrückten.

Aggressive Personen, die offensichtlich das Ziel hatten, die Reden im Hörsaal zu stören, wurde der Zugang vorübergehend verwehrt. Nachdem die Unileitung forderte, auch diese in den Hörsaal zu lassen, wurde jedoch selbst den Provokateuren der Eintritt gestattet, was die Situation im Hörsaal eskalierte.

Dem Narrativ, dass Studierenden auf Grund ihrer Religion oder Abstammung der Zutritt zum Hörsaal nicht gestattet wurde, musste die Unileitung schließlich selbst widersprechen. So räumte sie in ihrer Pressemitteilung vom 15. Dezember ein: „Berichte, denen zufolge Personen wegen ihres Glaubens oder ihrer Nationalität nicht in den Hörsaal gelassen wurden, treffen nicht zu.“

In Wirklichkeit macht der brutale Polizeieinsatz und die Forderung nach drakonischen Bestrafungen gegen die Studierenden erneut eines deutlich: Nicht die Studierenden, die gegen den Genozid in Gaza protestieren und unter denen sich auch viele jüdische Studierende befinden, stehen in der Tradition des Antisemitismus. Vielmehr knüpft die herrschende Klasse Deutschlands wieder an ihre dunkelsten Traditionen an.

Politiker sämtlicher Bundestagsparteien unterstützen und rechtfertigen den Genozid, den die israelische Armee an der palästinensischen Bevölkerung begeht. Und die wachsende Opposition dagegen unterdrückt sie mit Methoden, die zunehmend an die einer faschistischen Diktatur erinnern.

Gleichzeitig ist diese Brutalität nicht Ausdruck der Stärke, sondern der Schwäche der herrschenden Klasse, die sich durch die massive Opposition zunehmend in die Ecke gedrängt fühlt. Diese braucht nun eine klare politische Orientierung und Perspektive. Die IYSSE rufen Studierende dazu auf, sich an die Arbeiterklasse zu wenden und diese mächtigste soziale Kraft auf der Grundlage eines sozialistischen Programms gegen Kapitalismus, Faschismus und Krieg zu mobilisieren.

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