Studierende protestieren in ganz Europa gegen den Völkermord in Gaza

Seit das israelische Militär seinen lange geplanten Angriff auf Rafah begonnen hat, breiten sich in ganz Europa Studierendenproteste aus. Sie knüpfen damit an entsprechende Demonstrationen gegen den Völkermord an den Universitäten in den Vereinigten Staaten an, bei denen sich die Studierenden der landesweiten, von der Biden-Regierung koordinierten Unterdrückung widersetzten und zu Tausenden verhaftet wurden. Nun besetzen Studierende Universitätsgebäude und -einrichtungen auf dem ganzen europäischen Kontinent. Auch an britischen Universitäten, darunter in Oxford und Cambridge, haben sich Protestcamps gegen den Völkermord gebildet.

Studierendenprotest vor der Universität La Sorbonne, Montag, 29. April 2024 in Paris (AP Photo/Christophe Ena) [AP Photo/Christophe Ena]

Die Demonstranten fordern ein Ende des von den USA und der EU unterstützten Völkermords an den Palästinensern in Gaza sowie einen sofortigen Waffenstillstand, ein Ende der Waffenlieferungen aus Europa an Israel und humanitäre Hilfe für Gaza. In einigen Ländern ist die Polizei gewaltsam gegen die Demonstranten vorgegangen und hat in den letzten Tagen europaweit mindestens 200 Personen verhaftet. In anderen Ländern lassen die Regierungen die Proteste zu – aus Furcht vor einer ähnlichen Entwicklung wie zur Zeit des französischen Generalstreiks vom Mai 1968, als das gewaltsame Vorgehen von General Charles de Gaulle gegen Studierende eine riesige Welle von Arbeiterkämpfen auslöste.

In Deutschland löste die Polizei am Dienstag auf Anordnung der Universitätsleitung ein Protestcamp von mehr als 100 Studierenden auf dem Gelände der Freien Universität Berlin brutal auf. Die Studierende trugen Kufiyas, schwenkten Palästina-Flaggen und riefen „Free, Free Palestine!“, „Shame on you Germany“ und Slogans, die Israel als terroristischen Staat anprangerten. Die Berliner Polizei meldete eine Reihe von Festnahmen wegen Volksverhetzung und Hausfriedensbruch. Ebenfalls am Dienstag ließ die Leitung der Universität Leipzig ein dortiges Protestcamp räumen. Die Studierenden hatten Zelte im Innenhof der Universität aufgestellt und Eingänge verbarrikadiert.

In Frankreich setzte die Polizei Tränengas und Pfefferspray ein, um einen Studierendenprotest gegen Völkermord an der Sorbonne aufzulösen, und nahm 86 Personen fest. Die Studierenden riefen „Free Palestine“, „Israel, verschwinde! Palästina gehört nicht euch“, „Wir sind alle Kinder von Rafah“ und „Waffenstillstand in Gaza jetzt“. Die Polizei löste auch die Demonstration an der Sciences Po, einer anderen Pariser Universität, auf.

In den Niederlanden protestierten mehrere hundert Demonstranten rund um den Campus der Universität Amsterdam (UvA) und der Vrije Universiteit Amsterdam. Innerhalb der UvA errichteten die Demonstranten Barrikaden aus Tischen und Geländern, um die zur Gracht hin liegende Seite abzusperren. Die Bereitschaftspolizei setzte einen Bulldozer ein, um die Barrikaden niederzureißen, und nahm 169 Personen fest. Der staatliche Fernsehsender NOS zeigte Bilder, auf denen zu sehen war, wie ein Bagger Barrikaden und Zelte zerstörte. Die Amsterdamer Polizei erklärte auf X, dies sei „notwendig, um die Ordnung wiederherzustellen“.

Am Tag zuvor griffen zionistische Schläger die Studierenden im Camp an der UvA an, während sich die Polizei weigerte einzugreifen. Die Szenen erinnerten an ähnliche faschistische Übergriffe gegen protestierende Studierende an der UCLA in den Vereinigten Staaten.

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Die Proteste weiteten sich auf die Schweizer Universitäten in Lausanne, Genf und Zürich aus. An der Universität Zürich stürmten Studierende den Campus und riefen „Wir sind alle Kinder von Gaza“ und beschuldigten die EU und die Schweiz, Israels Völkermord zu finanzieren. Die Demonstranten veranstalteten ein Sit-in und riefen „Free, Free Palestine'. Auch an der Universität Lausanne besetzten Studierende das Gebäude Géopolis im Anschluss an eine Protestversammlung mit rund 1.000 Teilnehmern.

In Österreich kampierten Dutzende von Demonstranten auf dem Gelände der Universität Wien, errichteten Zelte und hängten Transparente auf.

Auch in den skandinavischen Ländern sind Proteste ausgebrochen. In Finnland errichtete die Gruppe „Studierende für Palästina“ ein Camp an der Universität Helsinki. In Dänemark errichteten Studierende ein pro-palästinensisches Camp an der Universität Kopenhagen. In Schweden haben die Behörden Hunderte von Polizisten mobilisiert und Verstärkung aus Dänemark und Norwegen gerufen. Sie sind entsetzt über pro-palästinensische Demonstrationen in Malmö, der drittgrößten Stadt des Landes. Dort wird am Wochenende der Eurovision Song Contest stattfinden, an dem auch Israel teilnehmen wird.

In Italien haben Studierende der Universität Bologna am Wochenende ein Protestcamp aufgebaut. Ähnliche friedliche Proteste wurden von Gruppen von Studierenden in Rom und Neapel organisiert. Italien setzt seine Waffenexporte nach Israel fort, obwohl die Regierung unter der neofaschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im vergangenen Jahr versichert hatte, derartige Verkäufe zu stoppen.

In Griechenland protestierten Tausende mit palästinensischen Fahnen und Transparenten im Zentrum Athens gegen den Völkermord. Sie wurden von der Bereitschaftspolizei mit Schlagstöcken, Tränengas und Blendgranaten angegriffen, als sie versuchten, zum Grab des Unbekannten Soldaten unterhalb des Parlamentsgebäudes zu ziehen und dann die Tore der ägyptischen Botschaft zu überwinden. Der vom Westen unterstützte ägyptische Diktator General Abdel Fattah al-Sisi, bekannt als „Schlächter von Kairo“, ist einer der führenden Mittäter beim Völkermord, da er den Grenzübergang in Rafah geschlossen hat.

In einigen Ländern Europas nehmen die Regierungen eine Haltung ein, die ihnen den Anschein einer gewissen Sympathie mit den Palästinensern verleiht. Dort werden die Studierendenproteste für den Augenblick toleriert, während die Regierungen auch weiterhin wirtschaftliche und militärische Geschäfte mit dem zionistischen Regime machen.

Ausgehend von einem kleinen Camp an der Universität von Valencia, das letzte Woche organisiert wurde, haben sich die Proteste inzwischen auf ganz Spanien ausgeweitet. In Madrid, Barcelona, Pamplona, Malaga, Alicante und Sevilla haben Studierende Universitätsgebäude besetzt. An vielen spanischen Universitäten haben sich tausende Lehrende den Kundgebungen angeschlossen.

Die für die Universitäten zuständige Ministerin Diana Morant von der regierenden Sozialistischen Partei (PSOE) erklärte zynisch, sie sei „stolz“ auf die Demonstrationen. Parallel dazu verkauft ihre Regierung weiterhin Waffen an Israel, während diese fälschlicherweise behauptet hatte, die Verkäufe seien eingestellt worden. Morant rief die rechte Volkspartei (Partido Popular, PP), die ein hartes Durchgreifen fordert, dazu auf, mit „den Lügen, Falschmeldungen und Fehlinformationen“ aufzuhören, mit denen diese „die Studierenden schikaniert“. Weiter erklärte Morant: „Sie [die Politiker der PP] sollten aufhören zu sagen, dass Studierende eine terroristische Gruppe wie die Hamas verteidigen, denn was sie tun, ist die Verteidigung des Friedens“.

Morants Äußerungen entsprechen ganz der Linie der Regierung, die bemüht ist, Sympathie mit den Palästinensern vorzutäuschen. So fordert sie etwa die Anerkennung eines palästinensischen Staates und organisiert zusammen mit den Gewerkschaftsbürokratien „pro-palästinensische Kundgebungen“. Damit soll der weltweite Massenwiderstand gegen den Völkermord beschwichtigt werden, ohne in irgendeiner Form von der Unterstützung für das zionistische Regime abzuweichen.

Auch in Belgien, wo etwa 100 Studierenden einen Teil der Universität Gent besetzten und Proteste an der Freien Universität Brüssel begannen, forderte die Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit, Caroline Gennez, die EU-Staaten auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Die stellvertretende Premierministerin Petra De Sutter forderte in der Zeitung Nieuwsblad Sanktionen: „Es ist Zeit für Sanktionen gegen Israel. Der Bombenregen ist unmenschlich.“

Erst vor wenigen Wochen hatte Nicole De Moor, Staatsekretärin für Asyl und Migration, den Flüchtlingsstatus von Mohamed Khatib, dem europäischen Koordinator des Samidoun-Netzwerks, der von den belgischen Behörden als „Hassprediger“ bezeichnet worden war, aufgehoben. Die belgische Polizei hat die Proteste von Samidoun verboten.

Studierende in den Vereinigten Staaten und Europa beziehen mutig Stellung. Der Kampf gegen Völkermord, Krieg und Militarismus kann sich jedoch nicht auf die Forderung beschränken, dass Universitäten ihre Beziehungen zu israelischen Universitäten abbrechen oder sich aus der Zusammenarbeit mit Banken und Unternehmen, die Israel unterstützen, zurückziehen. Um die polizeiliche Repression zu überwinden, Waffenlieferungen an Israel zu blockieren und den Völkermord in Gaza zu stoppen, muss die Arbeiterklasse zum Kampf mobilisiert werden, wie im Mai 1968 in Frankreich. Die Arbeiter müssen die Proteste der Studierenden verteidigen, deren Kampf gegen Militarismus und Unterdrückung für die Arbeiterklasse lebenswichtig ist.

Der Kapitalismus sinkt in eine tödliche internationale Krise hinab. Die imperialistischen NATO-Länder treiben die Menschheit in eine nukleare Katastrophe, indem sie den Krieg gegen Russland in der Ukraine unerbittlich eskalieren. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich diskutieren öffentlich über Raketenangriffe und einen „Landkrieg“ gegen Russland, während russische Regierungsvertreter vor einem nuklearen Gegenschlag gegen NATO-Länder warnen.

In allen Ländern müssen Massenproteste organisiert werden, um das Ende des Völkermords in Gaza, den Abzug der NATO-Truppen aus der Ukraine und ein sofortiges Ende des Konflikts zu fordern. Die von den Studierenden aufgeworfenen Fragen können nicht an den Universitäten gelöst werden, sondern nur in den Fabriken, Lagerhäusern, bei der Bahn und in den Häfen. Die Arbeiterklasse, die mächtigste gesellschaftliche Kraft des Planeten, die durch ihre Arbeit allen Reichtum schafft, muss ihre Macht nutzen, um ein Ende von Völkermord und Krieg zu erzwingen. Sie muss der kapitalistischen Barbarei mit dem Programm der sozialistischen Weltrevolution entgegentreten.

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