Deutsche Bahn kündigt den Abbau von 30.000 Arbeitsplätzen an

Am Donnerstag kündigte der Bahn-Vorstand auf seiner Bilanzpressekonferenz den massiven Abbau von Arbeitsplätzen an. „Wir wollen in den nächsten fünf Jahren den Personalbedarf um etwa 30.000 Vollzeitpersonale reduzieren“, sagte Bahn-Finanzchef Levin Holle bei der Vorstellung der Halbjahresbilanz.

Zug der Deutschen Bahn [Photo by Mirkone / wikimedia / CC BY-SA 4.0]

Als Begründung gibt die Bahn hohe Verluste in fast allen Geschäftsfeldern an. In den ersten sechs Monaten des Jahres habe das Unternehmen einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro eingefahren. Das sei nicht hinnehmbar. Als Ursache nannte Vorstandschef Richard Lutz als erstes die Streikwellen der vergangenen Monate und sprach dann auch über Großbaustellen und Extremwetter als zusätzliche Kostenfaktoren.

In Wahrheit ist das angekündigte Arbeitsplatzmassaker eine gezielte politische Entscheidung der Ampelregierung. Die Bahn AG ist hundertprozentiger Staatsbetrieb. Im Vorstand und Aufsichtsrat sitzen jede Menge Staatssekretäre, und alle wichtigen Entscheidungen laufen über das Bundesverkehrsministerium, in dem die FDP den Ton angibt. „Die Bilanzzahlen zeigen den dringenden Handlungsbedarf,“ kommentierte denn auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Zahlen. „Die Bahn muss wirtschaftlicher und wettbewerbsfähiger werden,“ betonte er.

Der angekündigte Arbeitsplatzabbau ist Teil eines umfassenden Rationalisierungsplans, der auch die Stilllegung so genannter „unrentabler Strecken“ einschließt. Vor allem im ländlichen Bereich und in strukturschwachen Gebieten soll das Angebot der Bahn weiter reduziert werden. Zwar hat Lutz vor der Presse am Donnerstag erklärt, über den Abbau von unrentablen Strecken sei bisher nichts entschieden. Aber Der Spiegel berichtete von einem „Geheimpapier“ und nannte bereits einige konkrete Bahnstrecken, deren Einstellung geplant werde.

Mit anderen Worten: Während die Auswirkungen des Klimawandels immer drastischer werden und das Deutschland-Ticket zeigt, dass viele Menschen – auch aus Gründen des Umweltschutzes – Bahn fahren wollen, ruinieren die Bundesregierung und der Bahnvorstand das umweltfreundlichste Verkehrsmittel im Namen von Profit und persönlicher Bereicherung. Gleichzeitig verschärft der Rationalisierungsplan die soziale Spaltung im Land, indem abgelegene Gebiete noch weiter abgehängt und Pendler sich selbst überlassen werden.

Dazu kommt, dass ein derart umfassender Personalabbau die Arbeitsabläufe verändert, die Arbeitshetze steigert und die Gefahr von katastrophalen Unfällen für Beschäftigte und Fahrgäste erhöht. Schon in den vergangenen Monaten hat die Zahl von tödlichen Arbeitsunfällen bei der Bahn deutlich zugenommen.

Kein Zweifel: Der angekündigte Arbeitsplatzabbau und die geplanten Streckenreduzierungen sind Bestandteil eines umfassenden Angriffs auf die Arbeiterklasse. Die gewaltige Steigerung der Rüstungskosten wird auf ihre Kosten finanziert.

Mit derselben Rücksichtslosigkeit, mit der die Ampelregierung die Energiepreise in die Höhe getrieben hat und eine ruinöse Industriepolitik verfolgt, geht sie jetzt auch bei der Bahn vor. Die angekündigten Entlassungen müssen im Zusammenhang mit dem anhaltenden Jobmassaker in allen Industriebereichen gesehen werden. Allein in den letzten Tagen wurde der Abbau von 14.000 Stellen bei ZF, 500 bei Bosch, 4.000 beim Batterie-Hersteller Varta und 10.000 bei SAP angekündigt.

Und wie überall stützen sich die Bundesregierung und die Bahn bei ihrem Angriff auf die Beschäftigten auf die Gewerkschaften.

Der Stellenabbau werde „sozialverträglich gestaltet“ und betriebsbedingte Kündigungen würden „nach Möglichkeit vermieden“, heißt es. Das bedeutet, dass der Abbau bereits mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten besprochen und vereinbart ist.

Auch die Ankündigung, dass „zunächst vor allem“ im Angestelltenbereich rationalisiert werde, ist Teil eines abgekarteten Spiels. Bei den Entlassungen in der Verwaltung stützt sich der Vorstand auf die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), die seit langem den Verwaltungsapparat als „aufgeblähten Wasserkopf“ denunziert. Werden die die Entlassungen dann auch auf die Lokführer ausgedehnt, stützt sich der Vorstand auf die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die den Lokführern vorwirft, sie versuchten sich Privilegien zu verschaffen.

Die GDL erklärte denn auch in einer ersten Stellungnahme, sie empfinde die Stellenstreichungen als gerechtfertigt. Allerdings nur, „wenn sie in der Verwaltung stattfinden und nicht im direkten Bereich”, so ein GDL-Sprecher.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) kritisierte dagegen den Umfang der geplanten Entlassungen, stellte aber klar: Es spreche nichts dagegen, „Prozesse und Strukturen im Unternehmen auf den Prüfstand zu stellen und zu hinterfragen”.

Beide Gewerkschaften arbeiten auf das Engste mit dem Management zusammen und spielen eine Schlüsselrolle dabei, die Beschäftigten gegeneinander auszuspielen und zu spalten, um einen gemeinsamen Kampf zur prinzipiellen Verteidigung aller Arbeitsplätze zu verhindern.

Die Bahn-Beschäftigten müssen sich auf einen Kampf vorbereiten, der sich gegen den Bahnvorstand, die Bundesregierung und beide Gewerkschaften richtet.

Auch wenn der Börsengang der Bahn aufgrund der globalen Finanzkrise schließlich scheiterte, hat ihre Umwandlung in eine profitorientierte Aktiengesellschaft zum Zerfall der Infrastruktur und der jetzigen Krise geführt.

2007 unterzogen wir die Verwandlung der Bahn von einem staatlichen Dienstleistungsunternehmen in einen profitorientierten, weltweiten Logistik-Konzern einer detaillierten Analyse. Die damalige Einschätzung hat sich völlig bestätigt. Wir schrieben:

Mit der Privatisierung soll ein staatliches Dienstleistungsunternehmen, das über Jahrzehnte hinweg mit Steuergeldern aufgebaut wurde, in ein lukratives Anlageobjekt für private Investoren und in ein global tätiges Logistikunternehmen verwandelt werden. Niedrige Löhne und Sozialstandards sind dabei unabdingbar. Die von den privaten Investoren erwarteten hohen Renditen lassen sich nur auf Kosten der Belegschaft und jener Leistungen erreichen, die die Bahn bisher im Interesse der Allgemeinheit erbracht hat.

Wir machten darauf aufmerksam, dass die Verwandlung der Staatsbahnen in international tätige Privatunternehmen eine gesamteuropäische Entwicklung ist, die unter Federführung der Europäischen Union vorangetrieben wurde und in allen Ländern katastrophale Auswirkungen hatte.

Im vergangenen Sommer unterstützte die WSWS den Aufbau des Aktionskomitees Bahn, das während des EVG-Streiks gegründet wurde und beiden Gewerkschaften das Misstrauen ausgesprochen hat. Es strebt den internationalen Zusammenschluss aller Eisenbahner an und geht davon aus, dass die Rechte und Bedürfnisse der Beschäftigten höher stehen als die Profitinteressen der Investoren, Aktionäre und Spekulanten.

Wir rufen alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner und all diejenigen, die sich am Aufbau unabhängiger Aktionskomitees beteiligen wollen, dazu auf, uns Berichte über die geplanten Entlassungen und Zustände in ihrem Bereich zu schicken und mit uns Kontakt aufzunehmen: Meldet euch per Whatsapp unter +49-163-337 8340, registriert euch über das unten stehende Formular oder schickt euren Bericht an die World Socialist Web Site.

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