VW-Werk Zwickau-Mosel: Drohende Schließung gefährdet eine ganze Region

Dunkle Wolken hängen dieser Tage nicht nur des Wetters wegen über Zwickau in Sachsen. Das Volkswagenwerk im Ortsteil Mosel mit seinen derzeit 9500 Arbeitsplätzen ist von den Kahlschlagplänen des Konzerns besonders stark betroffen.

Das Volkswagen-Werk in Zwickau-Mosel

Nach den Plänen von VW und IG Metall sind der Audi Q4 e-tron und dessen Kombi-Variante Q4 e-tron Sportback ab 2027 die einzigen Modelle, die noch in Zwickau gebaut werden. Aktuell werden dort noch die VW-Modelle ID.3, ID.4, ID.5 und Cupra Born hergestellt. Diese wechseln dann jedoch nach Wolfsburg und Emden.

Die ungewisse Zukunft des Volkswagen-Standorts im sächsischen Zwickau-Mosel ist ein Dauerbrenner in der Regionalpresse. „Sparmaßnahmen bei Volkswagen in Zwickau: Hat der Osten wieder einmal das Nachsehen?“ titelte die Freie Presse aus Chemnitz vor einigen Tagen.

Der Ostbeauftrage der Bundesregierung, Carsten Schneider, kritisierte: „Das Ergebnis ist nicht akzeptabel. Das Werk in Zwickau leidet am meisten unter den Einsparungen.“ „Wir brauchen klare Perspektiven für Sachsen, keine Lippenbekenntnisse“, fordert der SPD-Politiker. 250.000 Jobs im Osten hängen an der Autoindustrie.

Auch der neue sächsische Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) erklärte, Sachsen leide „überproportional“ unter den Sparplänen des sogenannten „Zukunftstarifvertrags“. Zusammen mit Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) will er „zügig mit den VW-Vorständen in Wolfsburg sprechen“. „Auch mit der Führung von Audi wollen wir ins Gespräch kommen,“ so Panter weiter, „ob die Marke schon aufgrund ihrer Historie – Audi wurde immerhin in Zwickau gegründet – stärker einspringen kann.“

Für die betroffenen Arbeiter ist dies eine Sackgasse. Es geht nicht darum, den vereinbarten Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen „gerecht“ zwischen Ost und West zu verteilen, sondern ihn zu verhindern. Und das ist nur möglich, wenn sich die Belegschaften der verschiedenen Standorte nicht spalten lassen und gemeinsam den Kampf aufnehmen.

Es ist ohnehin so, dass der größte Teil der 35.000 Arbeitsplätze, die gestrichen werden sollen, auf die westdeutsche Betriebe Emden und Wolfsburg entfallen, während für die 2000 Beschäftigten in Osnabrück das Ende bereits 2027 feststeht.

Die Standortpolitik ist ein uralter Trick, mit dem Parteien und Gewerkschaften die Arbeiter spalten, den Widerstand auf ohnmächtige Proteste beschränken und jeden wirkungsvollen, gemeinsamen Kampf unterbinden. Es ist die Teile-und-Herrsche-Strategie, die die Regierungsparteien hier zu fahren versuchen. Region gegen Region, Standort gegen Standort, Stammbelegschaft gegen Befristete – all das dient nur dazu den Widerstand der Autoarbeiter zu untergraben.

Falsche Hoffnungen

Gleichzeitig wird mit kurz- und mittelfristigen Versprechungen den Arbeitern eine Karotte vor die Nase gehalten. All das ist nichts weiter als ein Sterben auf Raten“, wie es ein VW Arbeiter in Wolfsburg gegenüber der WSWS auf den Punkt brachte. Management, Regierung und Gewerkschaft spielen sich dabei gegenseitig die Bälle zu, wie sie es seit Jahrzehnten im Rahmen der sogenannten „Sozialpartnerschaft“ tun. Wurde der Klassenkampf früher vor allem durch soziale Kompromisse unterdrückt, werden heutzutage die Arbeiter zielgerichtet demoralisiert und ausverkauft.

Am Standort Zwickau-Mosel zeigt sich das beispielhaft. Wohl wissend, dass mit den wenigen Produktionslinien ab 2027 das Werk nicht mehr profitabel bewirtschaftet werden kann, setzen sie als eine Karotte Recycling, bzw. Kreislaufwirtschaft ein. Rund 1000 Arbeitsplätze sollen durch eine Batterie-Recycling-Abteilung gesichert werden, die in Mosel neu entstehen soll.

Das Netzwerk der sächsischen Automobilzulieferer, AMZ, sieht dabei sogar „Potenzial für einen beschleunigten Transformationsprozess“. „Jetzt muss die Region beschleunigen, um diese kleine Pflanze, die Volkswagen gesät hat, wachsen zu lassen und Südwestsachsen wieder zu wirtschaftlichem Erfolg zu führen,“ so das rosige Bild von AMZ-Manager Andreas Wächtler. Dabei weiß jeder Arbeiter: Wenn Manager von „Transformation“ sprechen, dann kommen ungemütliche Zeiten, Werkschließungen und Stellenabbau auf sie zu.

Eine weitere Karotte ist die Aussicht auf einen neuen Investor. Landrat Carsten Michaelis (CDU) brachte dies für Zwickau ins Gespräch. Er erklärte, man müsse „unkonventionelle Wege“ gehen, und forderte, „nach einem anderen Autobauer Ausschau zu halten“.

Wenn Zwickau verloren gehe, breche „das ganze Ökosystem“ der Zulieferer zusammen. Viele hätten im Zuge der Umstellung auf Elektromobile ihre Produktion umstellen und teils hohe Investitionen tätigen müssen. Diesen „steht das Wasser bis zum Hals“, so Michaelis. Hoffnungen auf Audi seien ihm „zu vage – wie ein Placebo, um das Werk am Leben zu erhalten“.

Vom VW-Sprecher hieß es dazu nur: „Konkrete Pläne für einen Einstieg chinesischer Investoren bei VW Sachsen und speziell in Zwickau gibt es aktuell nicht.“ Spekulationen gibt es hingegen über den Einstieg des Rüstungskonzern KNDS Deutschland. Laut Wirtschaftswoche hat der Rüstungskonzern auf die VW-Fabriken in Zwickau und Salzgitter „ein Auge geworfen“.

Erst am Mittwoch hatte KNDS den Kauf des einstigen Alstom-Werks in Görlitz abgeschlossen. Von den einst über tausend Arbeitern sollen etwa 350 bei KNDS weitermachen können. Statt Eisenbahnwagen bauen sie in Zukunft Panzer. Der Ausverkauf des traditionsreichen Görlitzer Werkes ist eine Lehrstunde für die „Tod auf Raten“-Politik, die Management und Gewerkschaft jetzt auch in Zwickau verfolgen.

Politiker und Manager können mit Tausenden Arbeitsplätzen und dazu gehörigen Standorten munter feilschen und schachern. Für die Arbeiterklasse steht ihre Existenz auf dem Spiel.

Automobiltradition Zwickau

Die Tradition des Automobilbaus in Zwickau geht rund 120 Jahre zurück und beginnt mit der Gründung des Horch- bzw. Audi-Konzerns. August Horch hatte die späteren Horchwerke 1904 in Zwickau gegründet. Nach Streitigkeiten schied er aus dem Unternehmen aus und gründete 1910 die Audi Automobilwerke. Beide Unternehmen fanden sich 1932 in der Auto Union wieder und stehen neben DKW und Wanderer für zwei der vier Audi-Ringe.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen die Werke im Osten auf den VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau über. Der für die DDR so typische Trabant wurde in Zwickau über 3 Millionen Mal gebaut. Die traditionellen Automarken Audi und Horch gingen auf die 1949 in Ingolstadt neugegründete Auto Union über. 1966 wurde sie dann von Volkswagen übernommen.

Während das alte Werksgelände in der Zwickauer Innenstadt heute vor allem als August-Horch-Museum dient, wurde in Mosel von 1979 bis 1989 ein neues Montage- und Gelenkwellenwerk errichtet, aus dem sich der heutige VW-Standort entwickelte. Das GKN-Gelenkwellenwerk hat die IG Metall bereits 2023 ausverkauft. 2026 werden die Tore geschlossen und die Produktion nach Ungarn verlagert. Der über hundertjährigen Tradition des Automobilbaus in Zwickau droht daher ein Ende.

Bis heute ist Sachsen ein Zentrum der Autoindustrie in den ostdeutschen Bundesländern. Von den insgesamt 273 Betrieben und 82.500 Beschäftigten entfallen 44 bzw. 59 Prozent auf Sachsen. Auch 59 Prozent des Umsatzes von insgesamt rund 42 Milliarden Euro entfallen auf Sachsen. Das VW-Werk Zwickau-Mosel ist dabei, neben dem neuen Tesla-Werk bei Grünheide, einer der mit Abstand größten Standorte.

Die IG Metall hat Ende Januar die ausführliche Studie „Die Automotive-Industrie in Ostdeutschland – Struktur, Verflechtungen, Potenziale“ herausgegeben, laut der „jeder vierte Industriearbeitsplatz in Ostdeutschland“ von der Autoindustrie abhängt.

Die von IG Metall beauftragte Unternehmensberatung Sustain Consult erklärt darin unverblümt, dass westdeutsche Autohersteller und Zulieferbetriebe in der einstigen DDR „Werke übernommen oder neu errichtet“ haben, um ihre Produktionskapazitäten zu „günstigen Kostenbedingungen“ zu erweitern.

Oft wurde die Produktion dabei in kleinste Einheiten zerstückelt, um die Arbeiter zu isolieren und zu schwächen. Von den Zulieferbetrieben im Osten hat rund ein Drittel weniger als 50 Mitarbeiter und rund 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Betrieben mit weniger als 250 Mitarbeitern. Durch „geringe Fertigungstiefe und dichte Zulieferverflechtungen“ bei gleichzeitiger „begrenzter Entwicklungs- und Entscheidungskompetenz“ blieben jedoch auch die größeren Standorte wie Mosel immer austauschbare Zahnräder im Getriebe.

Mit dem Ansteigen der Löhne in Ostdeutschland wichen die Autokonzerne weiter nach Osteuropa aus. In der Studie heißt es: „Die Belieferung deutscher Autowerke durch heimische Zulieferer hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren, stattdessen importieren Autobauer verstärkt aus Osteuropa, während Zulieferer immer mehr exportieren. Die Autowerke in Ostdeutschland werden außerdem stark durch andere Werke der betreffenden Autobauer beliefert.“

Die Zahlen sprechen dabei eine deutliche Sprache. Von 2008 bis 2023 hat sich der Wert aller Importe von Zulieferteilen insgesamt verdoppelt. Die Importe aus den neuen EU-Mitgliedsländern sind mit 157 Prozent besonders stark gestiegen und machen mittlerweile die Hälfte aller Importe aus. Während in Deutschland die Umsätze der Zulieferindustrie seit 2008 um 25 und in West- und Südeuropa um 13 Prozent stiegen, betrug der Zuwachs in Osteuropa 154 Prozent.

Für die Profitgier der Autokonzerne war und ist Ostdeutschland also kaum mehr als ein Sprungbrett zu den noch billigeren Löhnen Osteuropas. Umgekehrt dienten diese als Hebel, um auch die Lohnkosten in den westdeutschen Standorten zu drücken. All dies geschah mit Unterstützung der IG Metall, die gerade in der Autoindustrie mit ihren Aufsichtsratsmandaten großen Einfluss ausübt.

Politischer Nährboden für die AfD

Noch 2010 waren laut DGB fast 60 Prozent aller Beschäftigten in der Region Zwickau zu Niedrig- und Armutslöhnen beschäftigt. Knapp 30 Prozent der Beschäftigten bezogen damals Löhne und Gehälter, die unter der offiziellen Armutslohnschwelle von 50 Prozent des durchschnittlichen Bruttoeinkommens lagen.

Bahnhof Mosel

Auch ein Blick auf die Entwicklung der Arbeitslosenquote in Zwickau zeigt, dass Arbeit nicht vor Armut schützt. So sank die Arbeitslosigkeit zwischen 2000 und 2020 zwar deutlich von 18,5 auf 6,0 Prozent. Doch die Armut sank im gleichen Zeitraum nur von 20 auf 17 Prozent. Die Einführung des Kapitalismus ab 1990 schuf also ausschließlich für eine kleine Minderheit die berühmten „blühenden Landschaften“, die der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) versprochen hatte.

Da SPD, PDS/Linke, CDU und Gewerkschaften diesen Kurs gleichermaßen unterstützten, konnten die Faschisten von der seit über 20 Jahren fortdauernden sozialen Krise profitieren. So zog 2004 die Neonazi-Partei NPD (aktuell „Die Heimat”) mit 9 Prozent in den sächsischen Landtag und erstmal mit einem Sitz in den Stadtrat von Zwickau ein. Zehn Jahre später trat dann die AfD an ihre Stelle.

Von 2014 bis 2024 konnte die AfD im Wahlkreis Zwickau ihren Stimmenanteil auf allen Ebenen von etwa 10 auf 30 Prozent verdreifachen. In der gleichen Zeit stürzte Die Linke von 21 auf 3 und die SPD von 15 auf 6 Prozent bei den letzten Landtagswahlen ab. Nur teilweise konnte das BSW davon profitieren, das auf 15 Prozent kam.

Dass die AfD den Automobilarbeitern nichts zu bieten hat, zeigt am deutlichsten ihre Verehrung für Elon Musk. Der Multimilliardär ist in der Regierung von Donald Trump für den Kahlschlag im öffentlichen Dienst zuständig und plant weltweit Massenentlassungen, auch in Grünheide.

In Zwickau gibt es aber nicht nur braune Traditionen. Im Gegenteil: Vor rund 100 Jahren stellten die ehemaligen Arbeiterparteien SPD und KPD die Mehrheit im Zwickauer Stadtrat.

Mit dem Aufschwung der Industrie wuchs auch die Arbeiterbewegung. Gerade Sachsen war eine Wiege der sozialistischen Arbeiterparteien. Im Jahr 1866 gründeten Wilhelm Liebknecht und August Bebel in Chemnitz die Sächsische Volkspartei. Diese ging 1869 in der in Eisenach gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei auf. Die heutige rechte Staatspartei SPD hat mit diesen Traditionen nichts mehr zu tun.

Die Arbeiter müssen an diese, ihre eigenen klassenkämpferischen Traditionen anknüpfen und die Angriffe der herrschenden Eliten mit einer eigenen Gegenoffensive beantworten.