Erklärung des Internationalen Komitees der Vierten Internationale
Wie die Workers Revolutionary Party den Trotzkismus verraten hat 1973 – 1985

Eine Mission für S. Michael

Um einen völlig opportunistischen Schwenk zur vollen Unterstützung eines iranischen Sieges zu Rechtfertigen, musste Healy die Analyse des IK angreifen und durch eine falsche Einschätzung des Klassencharakters des Khomeini-Regimes ersetzen. Dieser Plan wurde insgeheim, ohne irgendwelche Diskussion innerhalb Internationalen Komitees, von Healy und seinem persönlichen Bevollmächtigten in Athen, Savas Michael, ausgearbeitet. Michael war der von Healy ausgesuchte Generalsekretär des Internationalistischen Arbeiterbunds, der im Oktober 1985 mit dem IKVI brach und sich danach in Griechische Revolutionäre Arbeiterpartei umbenannte.

S. Michael erklärte sich bereit, in den Iran zu gehen und dort einen antimarxistischen Reisebericht für Healys Verwendung anzufertigen, der auf der Grundlage seiner subjektiven Eindrücke und revisionistischen Soziologie beweisen würde, dass die Islamische Republik dabei war, sich in eine sozialistische Republik der „Massen“ zu verwandeln. Ebenso wenig wie sich Healy um die Verfolgung von Mitgliedern der irakischen KP kümmerte, störte sich S. Michael an der Tatsache, dass seine Reise in den Iran mit der grausamen Unterdrückung jeder linken Strömung in diesem Land zusammenfiel. Der Höhepunkt seiner Reise war sogar ein Auftritt im Fernsehen, womit er öffentlich seine Solidarität mit der Unterdrückung durch das Regime bekundete. Seit der srilankische LSSP-Verräter Colvin R. da Silva 1958 im sowjetischen Fernsehen aufgetreten war, um die Repressionen der ungarischen Bürokratie gutzuheißen, hatte kein Mensch, der sich als Trotzkist bezeichnet, einen derart schamlosen Klassenverrat begangen. Diese Aktion untergrub die Glaubwürdigkeit der Vierten Internationale in den Augen zahlloser iranischer Arbeiter.

Die in der News Line im Februar und März 1983 veröffentlichten Artikel von Michael waren eine Karikatur des politischen Journalismus. Ihr krasser Impressionismus und ihre theoretische Unwissenheit wurden nur durch Mitchell übertroffen.

Michael wies alle Behauptungen, es gäbe im Iran staatliche Unterdrückung, unter Hinweis auf seine touristischen Beobachtungen zurück:

Einem Besucher aus dem Westen, besonders aus einem Land wie Griechenland, wo Jahrzehnte lang rechte Polizeistaaten und Diktatur herrschten, fällt eine Tatsache sofort auf: Nirgendwo sieht man einen Polizisten. Auch Panzerwagen, die in Pahlewis Zeiten üblich waren bzw. unter verschiedenen polizeilich-militärischen Regierungen auf allen fünf Kontinenten noch üblich sind, kann man nirgends erblicken. (24. Februar 1983)

Dies sollte vermutlich heißen, dass der bürgerliche Staat bereits zerschlagen war. Diese tiefe politische Einsicht wurde durch eine weitere auffallende Beobachtung bestätigt:

Die Macht im revolutionären Iran gehört ohne Zweifel der Jugend. Mit einer Militärjacke über der bescheidenen Alltagskleidung und einer Maschinenpistole über der Schulter geben diese jungen Kinder des Volkes, die Vorhut des Volkes, mit glühendem revolutionären Eifer Anweisungen, schützen, mobilisieren und opfern sich auf.

Um nachzuweisen, dass der von ihm als „Herrschaft der Entrechteten“ bezeichnete Staat nicht bürgerlichen Charakters war, argumentierte Michael, dass das iranische Regime das beliebteste auf der ganzen Welt sei und praktisch einstimmige Unterstützung genieße. Er gründete dies auf eine abenteuerlich subjektive Konzeption der Staatsmacht:

Wenn wir das Ausmaß der Unterstützung des Volkes als ein grundlegendes Kriterium für die politische Stabilität eines Regimes anlegen, dann ist das islamische Regime in Teheran ohne Zweifel außerordentlich stabil. Zwischen den Massen und ihrer Führung, insbesondere Imam Khomeini, bestehen mächtige, im Feuer der Revolution geschmiedete Bande.

Die politische Stabilität eines gegebenen Regimes aus einer Abstraktion namens „Unterstützung des Volkes“ abzuleiten – statt aus einer wissenschaftlichen Analyse der Wechselbeziehung zwischen den Klassenkräften – ist nichts weiter als idealistische Albernheit. Trotzdem steckte ein Element der Wahrheit in Michaels Behauptung – allerdings auf einer anderen Ebene. Mit marxistischen Begriffen verstanden, spiegelte die Unterstützung des Volkes für das Khomeini-Regime die Illusionen der Massen wider – was wohl kaum eine feste politische Grundlage sein dürfte.

Folgende Quacksalberei zeigt das ganze Ausmaß seiner Zurückweisung des Marxismus: „Der Einfluss des Islam auf die Massen spielte und spielt eine wichtige Rolle dabei, diese außerordentlich festen Bande zu schmieden.“ Im Iran war es also für Marxisten nicht mehr notwendig, gegen religiöse Verdummung zu kämpfen.

In seiner Analyse des Charakters der iranischen Entwicklungen bewies S. Michael durch ein Zitat aus einer Unterhaltung mit einem iranischen Studenten, dass die Theorie der Permanenten Revolution aus dem Koran abgeleitet ist: „Die ununterbrochene Revolution ist ein grundlegendes Prinzip des Islam.“ Dann zählte Healys Bevollmächtigter fünf aufeinander folgende Revolutionen auf, die zwischen 1979 und 1982 stattgefunden hätten: erstens, der Sturz von Bakhtiar; zweitens, die Übernahme der US-Botschaft; drittens, der Sieg über Bani-Sadr; viertens, die Kulturrevolution; und schließlich die fünfte Revolution, die, „wie Imam Khomeini sagte, soziale Gerechtigkeit schaffen soll.“ „Wer die soziale Dimension der islamischen Revolution im Iran nicht erkennt,“ folgerte Michael, „wird ihre Tiefe niemals begreifen.“ (News Line, 28. Februar 1983)

Bei der Beschreibung der sozialen Revolution ging Michael einer genauen Bestimmung des Stands der Eigentumsverhältnisse und der Profite taktvoll aus dem Weg: „Im privaten Sektor gibt es immer noch kleine und mittlere Unternehmen, den Basar, verschiedene Dienstleistungen und die Landwirtschaft.“ Wenn man diese Details in die Sprache des Marxismus übersetzt, dann sieht man, dass das Privateigentum gedeiht, die Warenproduktion auf dem Land vorherrscht, und der Binnenmarkt unter der Schirmherrschaft der Basar- Händler blüht. Das kann nur heißen, dass unter der Oberfläche der iranischen Gesellschaft der Klassenkampf tobt – eine Tatsache, die Michael mit der folgenden Bemerkung zu beschönigen versuchte: „Die gesellschaftlichen Widersprüche sind natürlich noch nicht beseitigt. Aber die Revolution zielt darauf ab, sie durch die Mobilisierung der Massen radikal anzupacken.“

Im dritten Artikel, unter der Überschrift Krieg und Revolution, kam Michael endlich zur Sache und erledigte seine Hauptaufgabe – die Rechtfertigung der Invasion des Irak und der expansionistischen Kriegsziele der iranischen Bourgeoisie. Nach der Bemerkung, dass die Schlachten jetzt auf irakischem Boden stattfanden, berichtete Michael, er habe „mit verschiedenen Iranern darüber diskutiert, ob es ratsam sei, den Krieg fortzusetzen“. Er zitierte ausführlich die eigennützigen Rechtfertigungen der Anhänger des Regimes – einer von ihnen sagte, dass nach Beendigung des Kriegs soziale Unruhen ausbrechen könnten, die der Irak auszunutzen versuchen würde – und erklärte sich dann ausdrücklich mit der Fortführung der iranischen Invasion einverstanden.

In einer vollständigen Zurückweisung des Marxismus machte Savas Michael den Fortschritt der Weltrevolution von den militärischen Erfolgen der iranischen Bourgeoisie abhängig:

Eine militärische Niederlage des Regimes in Bagdad würde die gesamte Region destabilisieren. Die Iraner nehmen an, dass das Haschemiten-Regime in Jordanien wahrscheinlich das erste Opfer wäre. Die anderen reaktionären Regime würden bald folgen. Die palästinensische Frage würde zweifellos auf eine neue Grundlage gestellt.

Letzteres war, muss man anmerken, mit Sicherheit nicht die Meinung der PLO, die wiederholt erklärt hatte, die Fortsetzung des Krieges sei eine unverhüllte Katastrophe für die palästinensischen Massen.

Seit diese Artikel veröffentlicht wurden, sind nahezu eine halbe Million Iraner und Iraker abgeschlachtet worden, die wirtschaftliche Entwicklung beider Länder ist um Jahrzehnte zurückgeworfen worden und es sind enorme Hindernisse dagegen aufgebaut worden, dass das leidende Proletariat beider Länder brüderliche Bande knüpfen kann. Nur die sozialistische Revolution wird die Massen aus der blutigen Klemme führen, in die sie durch die iranische und irakische Bourgeoisie geführt worden sind.

Die Ergebnisse von Michaels billigem journalistischen Abenteuer lieferten Healy den nötigen Deckmantel, um die Erklärung des IK vom 12. Februar 1979 vollkommen zurückzuweisen. Im Herbst 1983 war die WRP bereit, ihre politische Linie drastisch zu verändern. Am 10. Oktober 1983 rief die News Line zu einem militärischen Sieg des Iran auf und benutzte dabei die Entscheidung der französischen Regierung, die Iraker mit Exocet-Raketen zu beliefern, als einen fadenscheinigen Vorwand. Das irakische Regime wurde mit den folgenden Worten denunziert:

Das irakische Regime ist militärisch besiegt und ganz und gar als Werkzeug des Imperialismus entlarvt. Es muss ohne Verzögerung von den irakischen Massen gestürzt werden. Seine fortdauernde Existenz gibt dem Imperialismus einen militärischen Stützpunkt und einen Vorwand für seine Kriegspläne.

Mit dieser Erklärung hatte die Healy-Führung wahrhaftig ihren Übergang in das Lager der Konterrevolution abgeschlossen. Sie war so weit gekommen, dass sie bereit war, gegen die grundlegendsten Prinzipien des Marxismus zu verstoßen und das Proletariat den räuberischen Kriegszielen eines bürgerlichen Staates unterzuordnen.