Nato vergrößert schnelle Eingreiftruppe auf 40.000 Soldaten

Die Nato-Verteidigungsminister beschlossen auf ihrem Gipfel in Brüssel am Mittwoch und Donnerstag die Vergrößerung ihrer schnellen Eingreiftruppe von momentan 13.000 Mann auf 40.000. Vor dem Treffen hatte der US-Verteidigungsminister Ashton Carter die Stationierung Hunderter amerikanischer Panzer, Militärfahrzeuge und schwerer Artillerie in den baltischen Staaten sowie Polen, Rumänien und Bulgarien bekannt gegeben.

Die Aufrüstung ist Teil einer langfristigen Umorientierung der Nato gegen Russland. Der Kreml kann aus diesen bedrohlichen Schritten und aggressiven Maßnahmen nur eine Schlussfolgerung ziehen: Washington und seine europäischen Verbündeten bereiten einen Krieg gegen Russland vor. Es kann kein Zweifel bestehen, dass Russland seine eigenen entsprechenden Vorkehrungen trifft.

Der polnische Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak machte am Rande der Nato-Manöver in Polen letzte Woche die Konsequenzen dieser Politik deutlich. Er erklärte: „Die friedliche Periode nach dem Zweiten Weltkrieg ist vorüber. Wir können unseren europäischen 'Way of Life' nicht verteidigen, wenn wir nicht bereit sind, mehr für unsere Verteidigung zu tun.“

Die internationale Arbeiterklasse sollte diese Aussage als eine Warnung verstehen. Wenn die friedliche Nachkriegsperiode zu Ende ist, dann haben die Vorbereitungen auf einen dritten Weltkrieg begonnen.

Bei der Eröffnung des Treffens in Brüssel am Mittwoch erklärte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nicht gerade sehr glaubwürdig, die Nato suche keine „Konfrontation“ und „kein neues Wettrüsten”. Er behauptete, die Stationierung von Nato-Kräften in Osteuropa sei eine rein defensive Reaktion auf Russlands „Aggression“ in der Ukraine. Wir verfolgen „Russlands Vorgehen sorgfältig“ fügte er hinzu, „bis hin zu seinen nuklearen Aktivitäten”.

Stoltenberg rief die Mitglieder der Allianz auf, ihren Verpflichtungen vom Nato-Gipfel in Wales im September letzten Jahres nachzukommen. Dort hatten sich die Nato-Staaten darauf geeinigt, die Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anzuheben. Das Militärbündnis veröffentlichte am Montag Zahlen, die belegen sollen, dass die Mehrheit der Mitgliedsländer diese Schwelle bei weitem nicht erreicht. In dem Bericht heißt es, dass die gesamten Verteidigungsausgaben der Nato 2015 um 1,5 Prozent auf 893 Milliarden Dollar zurückgehen werden. Die Vereinigten Staaten, Polen, Estland, Großbritannien und Griechenland seien die einzigen Länder in der Allianz, die das Zwei-Prozent-Ziel erreichen.

Die Vergrößerung der schnellen Eingreiftruppe ist nur eine von zahllosen Initiativen, die in Brüssel vereinbart wurden. Die Verteidigungsminister beschlossen abschließend, sechs neue Nato-Kommandozentralen zu errichten, und zwar in Estland, Lettland und Litauen, sowie in Polen Rumänien und Bulgarien.

Die neuen Zentren, die anfänglich mit je vierzig Mann ausgestattet werden, sollen der strategischen Planung und der Unterstützung von Manövern dienen und die Stationierung der neuen superschnellen Eingreiftruppe (VJTF) organisieren. Die VJTF soll in der Lage sein, innerhalb weniger Tage gegen Russland loszuschlagen, wenn sie den Befehl dazu bekommt.

Am Montag gab der amerikanische Verteidigungsminister bekannt, dass Washington Bomber, Kampfflugzeuge, Aufklärungsdrohnen, Sondertruppen und andere militärische Ausrüstung zur VJTF beisteuern werde.

Die Verteidigungsminister kamen überein, dem alliierten Oberkommandierenden der Nato-Truppen in Europa, US-General Phillip Breedlove, die Vollmacht zu geben, Truppen viel kurzfristiger in den Einsatz zu rufen, um das Funktionieren der VJTF sicherzustellen.

Das Treffen in Brüssel unterstrich die wachsende Gefahr eines Konflikts mit Russland, der sich zu einem Atomkrieg ausweiten kann. Die versammelten Minister berieten in Gesprächen am Rande der offiziellen Beratungen über die Nuklearstrategie der Nato im Lichte der kürzlich bekannt gewordenen Pläne Russlands, vierzig zusätzliche ballistische Interkontinentalraketen anzuschaffen. Ein weiteres Thema waren die amerikanischen Vorwürfe, Moskau habe das Abrüstungsabkommen über atomare Mittelstreckenwaffen (INF)verletzt.

Der britische Guardian zitierte einen anonymen Sprecher, der davor warnte, dass die russischen Äußerungen die „Einsatzschwelle von Atomwaffen herabgesetzt“ hätten. Die Quelle fügte hinzu, dass die Nato „die Frage sorgfältig als Bestandteil der gesamten Beobachtung der russischen Aktivitäten in Europa im Auge behalte, und überlege, wie wir, zumindest innerhalb der Nato, darauf bedauerlicherweise reagieren müssen“.

Es wird davon ausgegangen, dass sich die Nukleare Planungsgruppe der Nato im späteren Verlauf des Jahres treffen wird. Dem Guardian zufolge soll unter anderem über eine „verstärkte Rolle von Atomwaffen bei Nato-Manövern“ diskutiert werden.

US-Nato-Botschafter Doug Lute erklärte gegenüber Reportern, dass Washington und die Nato, „alle möglichen Konsequenzen dessen abzuschätzen, was Russland über seine Atomwaffen sagt“ und was es tatsächlich tut.

Anfang des Monats erklärte Vizeverteidigungsminister, Robert Scher, vor dem Kongress, dass das Pentagon mehrere Optionen prüfe, wie auf die angebliche Verletzung des INF-Vertrags durch Russland zu reagieren sei. Eine Option seien präventive Schläge gegen Atomraketen in Russland.

Zu den kürzlichen Äußerungen Moskaus bemerkte der ehemalige US-Nato-Botschafter, Ivo Daalder: „Die Menschen sollten sich vorsehen. Wir sind jetzt in einer Situation, in der eine militärische Konfrontation nicht mehr undenkbar ist. Diese Prahlereien tragen zu der Möglichkeit von Fehleinschätzungen bei.“

Lukasz Kulesa, Forschungsdirektor des European Leadership Network sagte dem Wall Street Journal, die Nato solle rhetorisch abrüsten und dafür außerhalb des Blickfelds der Öffentlichkeit in Manövern atomwaffenfähige B-52 über die baltischen Staaten fliegen lassen. „Auf diesem Weg kann Russland signalisiert werden, dass die Vereinigten Staaten auch zu einem Atomschlag in der Lage sind“, erklärte er.

Vergangene Woche flog zum ersten Mal eine amerikanische B-52 im Rahmen des Manövers „Saber Strike“ (Säbelschlag) über Lettland. Sie warf eine Bombenattrappe bei einem simulierten Luftangriff ab, der von lettischen Soldaten angefordert worden war. Der Angriff fand bei Adazi statt, weniger als 320 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Amerikanische Fallschirmjäger probten in dem Manöver die Einnahme litauischer und polnischer Flughäfen.

Loading