Als im Juli zuerst der bisherige Vorstandsvorsitzende von Thyssenkrupp, Heinrich Hiesinger, und elf Tage später der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Ulrich Lehner, von ihren Posten zurücktraten, geschah dies nicht zuletzt aufgrund des Drucks der Hedgefonds, die an dem Weltkonzern mit über 155.000 Beschäftigten beteiligt sind. Lehner sprach sogar von „Psychoterror“ gegen ihn seitens der Fonds, die eine Zerschlagung des Konzerns anstreben.
Nun hat die IG Metall angekündigt, sie werde mit diesen Fonds enger zusammenarbeiten, namentlich mit dem Investor Cevian, der mit einem Anteilen von 18 Prozent nach der Krupp-Stiftung (21 Prozent) der zweitgrößte Anteilseigner an Thyssenkrupp ist.
Am Mittwoch hatte Cevian-Gründer Lars Förberg erneut Änderungen an der Konzernstruktur gefordert, dabei aber gleichzeitig betont: „Dies ist nicht die Zeit für ideologische Debatten, sondern für Diskussionen über einen erfolgreichen Wandel des Unternehmens. Dabei müssen die berechtigten Interessen der Thyssenkrupp-Arbeitnehmer umfassend berücksichtigt werden.“
IG Metall und Betriebsräte regierten positiv: „Ich nehme die Äußerung von Herrn Förberg mit Wohlwollen zur Kenntnis“, sagte Konzernbetriebsratschef Wilhelm Segerath. „Bislang hatte Cevian noch nie ein Wort darüber verloren, dass die Beschäftigten Respekt und fairen Umgang verdienen.“
Der nordrhein-westfälische IG Metall-Chef Knut Giesler erklärte: „Das ist ein wichtiges Signal an die Beschäftigten, das wir seit langem gefordert haben.“
Die Aussage Förbergs hat für die Thyssenkrupp-Beschäftigten absolut keinen Wert. Sie ist vielmehr das Ergebnis eines schmutzigen Deals, den IG Metall und Cevian offensichtlich eingegangen sind, um gemeinsam die Zerschlagung des Konzerns zu organisieren. „Bewahrt“ werden nicht die Interessen der Arbeiter, sondern der IG Metall, ihrer Betriebsräte und der Aktionäre, die die IG Metall vor noch gar nicht langer Zeit als „Heuschrecken“ bezeichnet hatte.
Der Hauptakteur in diesem Deal ist offenbar der bisherige stellvertretende Thyssenkrupp-Aufsichtsratsvorsitzende Markus Grolms von der IG Metall, der am Mittwoch kommissarisch den Vorsitz des obersten Gremiums übernahm, weil es sich nicht auf einen Nachfolger für Lehner einigen konnte.
Nach seiner Lehre zum Glaswerker hatte Grolms berufsbegleitend studiert, um 2007 in der IG Metall Karriere zu machen, zunächst als Trainee beim IGM-Vorstand in Frankfurt. Ein Jahr später holte ihn NRW-Bezirksleiter Oliver Burkhard, heute Personalvorstand bei Thyssenkrupp mit einem Jahresgehalt von rund 5 Millionen Euro, als Projektleiter nach Düsseldorf. Seitdem saß er auch im Aufsichtsrat der Thyssenkrupp AG, dessen Vorsitz er nun innehat.
Schon direkt nach Lehners Rücktritt Mitte Juli hatte Grolms angekündigt, dass er eine Grundsatzvereinbarung zwischen den zehn Aufsichtsräten der IGM und der Betriebsräte, den zwei Vertretern der Krupp-Stiftung sowie des Vertreters von Cevian, Jens Tischendorf, anstrebe. „Wir waren immer bereit, an ökonomisch sinnvollen Konzepten mitzuwirken“, sagte Grolms Mitte Juli der im Ruhrgebiet erscheinenden Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Cevian sei nun gefordert, sich klar zu den Belangen der Beschäftigten zu positionieren.
Nachdem Cevian-Chef Förberg sich in Worten dazu bekannt hatte, reagierten die IGM-Vertreter entzückt.
Die IG Metall mit ihren zehn Vertretern im Aufsichtsrat und ihren Tausenden Betriebsräten und Vertrauensleuten spielt die Schlüsselrolle bei der Umstrukturierung des Konzerns. Ihre Spitzenvertreter arbeiten hinter dem Rücken der Belegschaft eng mit dem Vorstand und den Kapitaleignern zusammen, auch mit den „Heuschrecken“. Schon während der Verhandlungen über die Fusion der europäischen Stahlbereiche von Thyssenkrupp und dem indischen Tata-Konsortium standen die Pfründe der IG Metall im Vordergrund, nicht die Bedürfnisse der Belegschaften.
Man kann davon ausgehen, dass die IG Metall und ihre Funktionäre mit jedem zusammenarbeiten, der anerkennt, dass sie ihre eigenen materiellen Interessen haben – unabhängig von denen der Belegschaft –, und der bereit ist, diese zu sichern.
Dabei wird die IG Metall auch nicht vor dem derzeit noch verteufelten Hedgefonds Elliott halt machen. Der US-Hedgefonds des Milliardärs Paul Singer hält seit Mai knapp 3 Prozent der Anteile von Thyssenkrupp.
Der Portfolio-Manager des als „äußerst aggressiv“ und „aktivistisch“ bekannten Hedgefonds, Franck Tuil, hatte vor drei Tagen im Gespräch mit der Welt erklärt, er habe keine Zerschlagung von ThyssenKrupp gefordert. Die Firma solle sich auf ihre Stärken konzentrieren, sagte „die Nummer zwei von Elliott in Europa“. Die Veräußerung kleinerer Unternehmensteile könne aber Teil einer sinnvollen Strategie sein. Der Hedgefonds habe die Absicht, „durchaus langfristiger bei Thyssenkrupp investiert zu sein“.
So sind die Thyssenkrupp-Arbeiter mit einer breiten Front aus Aktionären und Gewerkschaft konfrontiert, die die Zerschlagung des Konzerns planen. Denn auch die Krupp-Stiftung, die seit Januar von Ursula Gather geführt wird, Professorin und Rektorin der Technischen Universität Dortmund, hat insbesondere in den letzten Monaten angedeutet, weitere Verkäufe von Unternehmensteilen zu unterstützen. Vor zwei Jahren hatte Gather sogar Sondierungsgespräche mit dem finnischen Konkurrenten Kone über einen möglichen Verkauf der ThyssenKrupp-Aufzugssparte geführt.
Grolms hatte Gather zuletzt aufgefordert, sich klar gegen eine Zerschlagung des Konzerns auszusprechen. Dies hat Gather inzwischen halbherzig befolgt.
Die immer offenere Front gegen die Beschäftigten wird massive Proteste und Kämpfe provozieren. Damit sie erfolgreich sind, muss die IG Metall als das betrachtet werden, was sie ist: als Vertreterin der Kapitalinteressen gegen die Belegschaft.
Nur die Arbeiter können die Zerschlagung des Konzerns, den sie aufgebaut haben, und die Vernichtung weiterer Tausender Arbeitsplätze verhindern. Dazu müssen sie sich europa- und weltweit vereinen und für ein sozialistisches Programm kämpfen, das die gesellschaftlichen Bedürfnisse über die Profitinteressen der Reichen stellt.
Als erster notwendiger Schritt müssen sie sich aus der Zwangsjacke der IG Metall und ihrer Betriebsfunktionäre befreien, die hinter dem Rücken der Belegschaften gemeinsam mit den Aktionären die Zerschlagung der Konzerne organisieren, und unabhängige Betriebskomitees aufbauen.
Siehe auch: ThyssenKrupp: Zerschlagung des Konzerns bedroht Tausende Arbeitsplätze