Am Freitag kündigte die Daimler AG den Abbau von mehr als 10.000 Arbeitsplätzen in den nächsten zwei Jahren an. Daimler ist durch seine Premium-Marke Mercedes-Benz auf der ganzen Welt bekannt.
Arbeitsdirektor Wilfried Porth, der auch Mitglied im Vorstand ist, erklärte: „Die Zahl wird weltweit fünfstellig.“ In einer Telefonkonferenz mit den Medien betonte Porth, der Stellenabbau müsse bis Ende 2022 abgeschlossen sein.
Nur zwei Wochen vor dieser Ankündigung hatte der Vorstandsvorsitzende Ola Källenius in London vor begeisterten Investoren erklärt, das Unternehmen werde ein Sparprogramm umsetzen, um die Personalkosten um 1,4 Milliarden Euro zu senken. Nach zwei Gewinnwarnungen in den letzten Monaten hatte Källenius den Aktionären und Investoren versprochen, er werde alle notwendigen Maßnahmen einleiten, um ihre Renditen zu erhöhen.
Das Unternehmen Daimler-Benz AG, das 1928 in Stuttgart gegründet wurde, beschäftigt heute weltweit 300.000 Menschen, 180.000 davon in Deutschland. Baden-Württemberg, das Zentrum der deutschen Autoindustrie, wird von den Maßnahmen besonders hart getroffen werden. Zahlreiche Zulieferfirmen wie Bosch sind von der Autoproduktion abhängig. Alleine in Baden-Württemberg arbeiten 460.000 Menschen in der Auto- und Zulieferindustrie.
Die Ankündigung ist Teil eines Angriffs auf die Arbeitsplätze in der deutschen und internationalen Autoindustrie. In Indien und China wurden alleine in diesem Jahr 570.000 Arbeitsplätze gestrichen. Letzten Dienstag kündigte die VW-Tochter Audi den Abbau von 9.500 Stellen in den nächsten fünf Jahren an. Am Mittwoch verkündete BMW Kürzungen in Höhe von 12 Milliarden Euro bis 2022; Bosch gab am Donnerstag Pläne für den Abbau von weiteren 500 Stellen in Reutlingen bekannt.
VW hat in den letzten drei Jahren 30.000 Arbeitsplätze abgebaut. Ford streicht momentan 12.000 Stellen in Europa und 7.000 in Nordamerika. Nissan baut weltweit 12.500 Arbeitsplätze ab. General Motors schließt vier Werke in den USA und in Kanada und streicht 8.000 Stellen.
Immer mehr Arbeiter auf der ganzen Welt leisten diesen Angriffen Widerstand. In Matamoros, Mexiko, streikten Anfang des Jahres Zehntausende von extrem ausgebeuteten Arbeitern der Zulieferindustrie mehrere Wochen lang. Ihr Protest richtete sich sowohl gegen die Konzerne als auch gegen die Gewerkschaften. Auch in den USA haben Autoarbeiter kürzlich gestreikt: Am längsten Streik in der US-Autoindustrie der letzten 50 Jahre beteiligten sich im Oktober 48.000 GM-Arbeiter. Auch in Indien, China, Rumänien, Ungarn, der Tschechischen Republik, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern fanden Streiks der Autoarbeiter statt.
Doch überall, wo diese militanten Kämpfe ausbrechen, geraten sie sofort in Konflikt mit der Gewerkschaftsbürokratie, die sie isoliert und verrät. Die deutsche IG Metall, die amerikanischen United Auto Workers (UAW) und die anderen Gewerkschaften sind seit Langem keine Arbeiterorganisationen mehr, die für soziale Verbesserungen und Reformen kämpfen. Stattdessen erfüllen sie als Unternehmens-Polizei in den Betrieben die Aufgabe, die Forderungen des Managements umzusetzen.
Die Autobauer und die Gewerkschaften rechtfertigen den Angriff auf Arbeitsplätze und Löhne mit dem globalen Rückgang der Absätze und der Umstrukturierung in der Autoindustrie durch die Einführung von Elektroautos und selbstfahrenden Fahrzeugen. Daimler erklärte in einer Stellungnahme: „Die Automobilindustrie steckt in der größten Transformation ihrer Geschichte. Die Entwicklung hin zur CO2-neutralen Mobilität erfordert hohe Investitionen.“
IG Metall und Betriebsrat unterstützen diese drastischen Maßnahmen, die verheerende Folgen für das Leben von Hunderttausenden Arbeitern und ihren Familien haben werden. Hinter dem Rücken der Arbeiter haben sie zusammen mit den Unternehmen die Details der Entlassungen ausgearbeitet. Als Porth die Entlassungen bei Daimler bekanntgab, erklärte er stolz: „Mit den jetzt gemeinsam mit dem Betriebsrat beschlossenen Eckpunkten zur Verschlankung des Unternehmens können wir dieses Ziel bis Ende 2022 erreichen.“
Porth gab keine weiteren Details über das Abkommen mit der IG Metall und dem Betriebsrat bekannt. Er erklärte nur, die Umsetzung der Eckpunkte werde in den kommenden Wochen ausgearbeitet.
Laut Medienberichten haben sich Daimler und der Betriebsrat jedoch neben den Verschlankungsmaßnahmen auch auf die weitere Absenkung von Personalkosten geeinigt. Unter anderem soll den Beschäftigten eine Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit angeboten werden. Arbeiter mit einer 40-Stunden-Woche würden damit gezwungen, weniger Stunden für weniger Geld zu arbeiten. Die auslaufenden Verträge von befristet Beschäftigten in der Verwaltung sollen nur in sehr begrenztem Umfang verlängert werden. Einschränkungen wird es auch für die 40-Stunden-Verträge von fest angestellten Kräften geben.
Zwei Daimler-Arbeiter erklärten gegenüber der World Socialist Web Site, sie hätten erst aus den Medien von den Kürzungen erfahren. Beide berichteten, dass das Management und die IG Metall intensive Verhandlungen führen, seit Källenius vor sechs Monaten die Stelle als Vorstandsvorsitzenden angetreten hat. Die Arbeiter waren überzeugt, dass das Unternehmen die Kürzungen bewusst am Freitag bekanntgegeben hat, um Unruhe unter den Fabrikarbeitern zu verhindern. Die IG Metall hat für Montag eine Betriebsversammlung in der Hans-Martin-Schleyer-Halle organisiert, einer der größten Versammlungshallen in Stuttgart.
Daimler verlässt sich für die Durchsetzung seiner Pläne auf die IG Metall. Letzten Freitag organisierte sie einen „Aktionstag“ auf dem Schlossplatz in der Stuttgarter Innenstadt, um die Wut der Arbeiter abzuleiten, die sich zunehmend auch gegen die Gewerkschaft und ihre Betriebsräte richtet. Doch selbst hier konnten die Bürokraten die Tatsache nicht verbergen, dass sie als Mitverschwörer des Unternehmens bei der Planung und Umsetzung der Angriffe fungieren.
Der Bezirksleiter der IG Metall, Roman Zitzelsberger, bot die Zusammenarbeit der Gewerkschaft an: „Alle Arbeitgeber müssen wissen: Zukunftsgestaltung geht nur gemeinsam … Der Wandel kommt, und wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken.“
Zitzelsberger ist Mitglied im Aufsichtsrat von Daimler und hat letztes Jahr 213.700 Euro verdient. Momentan ist er der Chefunterhändler der IG Metall bei den Verhandlungen mit dem Industrieverband Südwestmetall über Kostensenkungsmaßnahmen und Personalabbau in 160 Metallunternehmen in Baden-Württemberg.
Der stellvertretende Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, Ergun Lümali, machte deutlich, dass die Gewerkschaft die Massenentlassungen vollauf unterstützt. Ihr geht es nur darum, dass die Umstrukturierung so effektiv wie möglich umgesetzt wird: „Wir wollen keine reine Debatte über Köpfe führen – der Fokus der Personalkostenreduzierung muss auf der Verbesserung von Prozessen und Abläufen liegen.“
Die Massenentlassungen bei Daimler und die Rolle der Gewerkschaften bei der Umsetzung dieser Angriffe verdeutlichen einmal mehr, wie notwendig es ist, dass die Arbeiter ihre eigene unabhängige Antwort auf die Arbeitsplatzvernichtung in der internationalen Autoindustrie entwickeln müssen.
Die World Socialist Web Site veröffentlichte vor Kurzem eine Perspektive, in der es hieß: „Die Ankündigung der Volkswagentochter Audi, in den nächsten fünf Jahren 9500 Arbeitsplätze in Deutschland abzubauen, zeigt einmal mehr, dass Arbeiter eine internationale Strategie und ein sozialistisches Programm brauchen, um ihre Arbeitsplätze, Löhne und sozialen Rechte zu verteidigen. Sie sind nicht nur mit den global operierenden Autokonzernen und ihren milliardenschweren Aktionären konfrontiert, sondern auch mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten, die die Angriffe gemeinsam mit den Unternehmensvorständen ausarbeiten und durchsetzen. Ohne mit diesen gekauften Apparaten zu brechen, unabhängige Aktionskomitees aufzubauen und sich international zu vernetzen, lässt sich kein einziger Arbeitsplatz verteidigen.“
Die Entwicklungen bei Daimler zeigen aufs Deutlichste, wie korrekt diese Perspektive ist. Jetzt hängt alles von der unabhängigen Initiative und Organisation der Arbeiter ab.