Nachdem Trump die rechtsextreme religiöse Fanatikerin Amy Coney Barrett als Richterin für den Obersten Gerichtshof nominiert hat, begannen am Montag die viertägigen Anhörungen vor dem Justizausschuss des US-Senats, die aller Voraussicht nach in ihrer Bestätigung für das Amt enden.
Deutlich zeigt sich eine Weigerung der Demokraten, irgendeinen ernsthaften Widerstand gegen Barretts Ernennung zur Richterin zu leisten. Vielsagend war ihr Schweigen zum Zusammenhang zwischen der überstürzten Ernennung von Barrett noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November und Trumps erklärter Absicht, eine rechtsextreme Sechs-zu-Drei-Mehrheit am Gericht zu benutzen, um ein für ihn ungünstiges Wahlergebnis außer Kraft zu setzen, die Verfassung erfolgreich auszuhebeln und eine diktatorische Herrschaft zu errichten.
Seit einigen Tagen beschuldigen das FBI und die Behörden des US-Bundesstaats Michigan 13 Faschisten, geplant zu haben, die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer zu entführen und zu ermorden, darauf die Kontrolle über das Parlament im Bundesstaat Michigan zu übernehmen und die Regierung des Bundesstaats zu stürzen. Das Schweigen der Demokraten ist vor diesem Hintergrund politisch kriminell, denn die Verschwörer gehören zu jenen Kräften, die Trump als „sehr gute Leute“ bezeichnet.
Während seiner Debatte mit Joe Biden vergangenen Monat forderte Trump die faschistischen „Proud Boys“ auf, „einen Schritt zurückzutreten und sich bereitzuhalten“. Gleichzeitig äußert sich der US-Präsident nicht zu der Frage, ob er eine Wahlniederlage akzeptieren würde, und erfindet jetzt bereits eine Lügengeschichte über Wahlbetrug. Er weigert sich, einen friedlichen Machtwechsel zu garantieren, und verlangt jetzt schon, dass die Gerichte „sich die Stimmzettel ansehen“. Als er die Entscheidung für Barrett bekanntgab – sie ist ein Zögling des verstorbenen rechtsextremen Obersten Richters Antonin Scalia – sagte Trump: „Ich denke, dass sie [die Wahl] vor dem Obersten Gerichtshof landen wird. Wir brauchen neun Richter.“
Der Generalstaatsanwalt von Michigan bezeichnete die Verschwörung als „Spitze des Eisbergs“ einer landesweiten Verschwörung, an der bewaffnete Milizen in mehreren US-Bundesstaaten beteiligt seien. Dreh- und Angelpunkt der Verschwörung ist das Weiße Haus, und ihre treibende Kraft ist Trump.
Die Anhörungen im Senat sind von großer politischer und historischer Bedeutung. Sie finden inmitten einer beispiellosen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Krise des amerikanischen Kapitalismus statt, wie es sie seit dem amerikanischen Bürgerkrieg nicht gegeben hat. Die Situation ist durch die Coronavirus-Pandemie noch verschärft worden.
Mit Barrett wird der Oberste Gerichtshof weiter nach rechts rücken. Sie kann nicht nur eine Rolle bei einem Staatsstreich im Zuge der Wahl spielen. Sie wird auch dazu beitragen, die bahnbrechende Entscheidung Roe v. Wade zu unterlaufen oder aufzuheben, die das Recht auf Abtreibung festschreibt. Sie wird die Rechte von Homosexuellen infrage stellen, die Trennung von Kirche und Staat angreifen, Beschränkungen für Waffen aufheben und die bundesstaatliche Regulierung von Unternehmen blockieren.
Als junge Anwältin in der Firma des einflussreichen republikanischen Politikers James Baker half Barrett bei der Vorbereitung der juristischen Schriftstücke, die von George W. Bush bei jener Entscheidung des Obersten Gerichtshofs verwendet wurden, mit der die Stimmenauszählung in Florida gestoppt und die Präsidentschaftswahl im Jahr 2000 zugunsten der Republikanischen Partei entschieden wurde. Richter Scalia organisierte die Fünf-zu-vier-Entscheidung und verfasste eine Stellungnahme, in der es hieß, das amerikanische Volk habe kein durch die Verfassung verbrieftes Recht, den Präsidenten zu wählen, und die Mitglieder des Wahlmännerkollegiums könnten stattdessen von den staatlichen Gesetzgebungsorganen der Bundesstaaten gewählt werden.
Ab 2017 war Barrett Richterin am US-Berufungsgericht und erließ Urteile gegen Abtreibungsrechte, Verhütung und Waffenkontrolle. Sie stimmte für Hinrichtungen.
In ihrer einleitenden Erklärung vor dem US-Justizausschuss trat Barrett in die Fußstapfen von Scalia und erklärte ihren Widerstand gegen Sozialreformen und ihre volle Unterstützung für Unternehmensinteressen. Sie sagte:
Die Gerichte haben eine entscheidende Verantwortung für die Durchsetzung des Rechtsstaatsprinzips, das für eine freie Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist. Aber Gerichte sind nicht dazu da, jedes Problem zu lösen oder jedes Unrecht in unserem öffentlichen Leben zu korrigieren. Die politischen Entscheidungen und Werturteile der Regierung müssen von den politischen Führern getroffen werden, die vom Volk gewählt und ihm gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Öffentlichkeit sollte das nicht von Gerichten erwarten, und Gerichte sollten es nicht versuchen.
Als prominentes Mitglied der katholischen Gruppierung „People of Praise“ sagte sie:
Ich glaube an die Kraft des Gebets, und es war erbaulich zu hören, dass so viele Menschen für mich beten.
Vor zwei Jahren weigerte sich die Demokratische Partei, die demokratischen Rechte und die sozialen Errungenschaften der arbeitenden Bevölkerung zu verteidigen, als sie die Bestätigung des Trump-Kandidaten für einen Sitz am Obersten Gerichtshof Brett Kavanaugh in einen politischen Zirkus im #MeToo-Stil verwandelte. Die Demokraten konzentrierten ihre Opposition völlig auf Anschuldigungen, die ein mutmaßliches sexuelles Fehlverhalten von Kavanaugh betrafen, das allerdings bereits 36 Jahre zurücklag, als der spätere Richter selbst erst 17 Jahre alt war.
Diesmal gaben die Demokraten innerhalb weniger Tage nach Trumps Ankündigung jeden Anschein auf, sie würden Barretts Ernennung verhindern wollen. Trump hatte nur acht Tage nach dem Tod von Ruth Bader Ginsburg, der prominentesten liberalen Richterin am Obersten Gerichtshof seine Entscheidung bekannt gegeben.
In Einklang mit dem zunehmend rechtsgerichteten Wahlkampf von Joe Biden und seiner Vize Kamala Harris beschlossen die Demokraten im Senat, die Frage der Abtreibungsrechte und andere grundlegende demokratische Fragen herunterzuspielen und sich stattdessen fast ausschließlich auf die Verteidigung von Obamas Gesundheitsreform „Affordable Care Act“, auch bekannt als „Obamacare“, zu konzentrieren. Am Obersten Gerichtshof findet am 10. November, eine Woche nach der Wahl, eine mündliche Verhandlung über eine von den Republikanern unterstützte Klage statt, mit der das Gesetz für verfassungswidrig erklärt werden soll. Es ist zu erwarten, dass Barrett die Mehrheit für die Abschaffung des Programms liefert.
Trump und die Republikaner greifen die Gesundheitsreform von rechts an und versuchen die Krankenversicherung für rund 20 Millionen Menschen abzuschaffen und alle Beschränkungen für die Versicherungs-, Gesundheits- und Pharmariesen aufzuheben. Die Demokraten unternehmen jedoch keinen Versuch, die Bevölkerung gegen den Angriff auf das Gesundheitswesen zu mobilisieren, sondern nutzen stattdessen zynisch das Thema, um Stimmen für den Biden-Wahlkampf zu gewinnen.
Die Anhörung am Montag bestand aus Eröffnungsreden der Mitglieder des Justizausschusses und von Barrett. Mit Ausnahme eines kurzen Hinweises von Senator Dick Durbin aus Illinois auf Trumps beispiellose Weigerung, „sich zu einem friedlichen Machtwechsel zu verpflichten, falls er die Wahl verliert“, sagte kein einziger Demokrat auf dem Podium ein Wort über die Drohung eines Staatsstreichs im Zuge der Wahl. Mit keinem Wort wurde das faschistische Komplott in Michigan angesprochen.
Dianne Feinstein aus Kalifornien, die ranghöchste Demokratin im Ausschuss, gab mit ihrer Eröffnungsrede den Ton vor. Sie begann mit der Erklärung: „Ich möchte, dass dies eine gute Anhörung wird“, und fuhr sofort fort: „Das Wichtigste ist, dass die Gesundheitsversorgung für Millionen von Amerikanern auf dem Spiel steht.“ Sie hielt das Foto eines Wählers hoch, der nur dank Obamacare trotz Vorerkrankung versichert sein kann, und gab damit ein Muster vor, das von praktisch allen Demokraten im Folgenden wiederholt wurde.
Kamala Harris nahm sich eine Auszeit von der Wahlkampftour, um per Videoschalte aufzutreten. Sie griff Trump und die Republikaner in einer Reihe von Fragen an: Sie bezeichnete die Anhörung selbst als rücksichtslose Verletzung der Coronavirus-Richtlinien, machte die Republikaner dafür verantwortlich, dass der Kongress keinen neuen Gesetzentwurf über Hilfszahlungen während der Pandemie verabschiedet hat, verurteilte die Eile, mit der im Vorfeld der Wahl das Gericht mit einer weiteren Rechtsaußen besetzt werden soll und prangerte die Scheinheiligkeit der Republikaner an, die sich 2016 geweigert hatten, Obamas Kandidat für den Obersten Gerichtshof Merrick Garland zu berücksichtigen, und zwar mit der Begründung, es sei das Jahr der Präsidentschaftswahl.
Sie spielte jedoch die Verteidigung der Abtreibungsrechte herunter und sagte nichts über Trumps Drohung, die Wahl in einen Staatsstreich zu verwandeln, oder seine Aufwiegelung faschistischer Kräfte.
Bezeichnend für die grundlegende Feigheit der Demokratenwar ein Bericht der Washington Post am Montagmorgen: „Aus Kreisen der Demokraten hört man, ihre Senatoren seien sich einig, dass sie Barrett nicht wegen ihrer religiösen Ansichten unter Druck setzen werden – in der Hoffnung, das Missgeschick bei ihrer Anhörung für das Bezirksgericht 2017 zu vermeiden, bei der Feinstein gegenüber Barrett gesagt hatte: „Das Dogma lebt laut vernehmlich in Ihnen.“
Auf einer Pressekonferenz jener Demokraten, die dem Ausschuss angehören, im Anschluss an die Anhörung lehnte Senator Durbin sogar die symbolische Oppositionsgeste ab, die der Minderheitsführer im Senat Charles Schumer am Sonntagabend noch angekündigt hatte. Der oberste Demokrat im Senat hatte erklärt, die Demokraten würden die Stimmabgabe zur Bestätigung von Barrett sowohl im Justizausschuss als auch im Senat boykottieren, um den Republikanern die Beschlussfähigkeit zu verweigern, die zur Bestätigung der Kandidatin vor der Wahl erforderlich ist. Wie Schumer jedoch sehr wohl weiß, können die Republikaner einen solchen parlamentarischen Trick leicht umgehen.
Auf der Pressekonferenz nach der Anhörung gefragt, ob die Demokraten einen Boykott der Abstimmung über die Bestätigung geplant hätten, sagte Durbin, er habe nichts von einem solchen Plan gehört und wolle selbst im Senat seine Stimme abgeben.
Bezeichnenderweise brachte keine der beiden führenden Zeitungen, die traditionell auf der Seite der Demokratischen Partei stehen, weder die New York Times noch die Washington Post, am Montag einen Leitartikel über die Barrett-Anhörung. Im Gegensatz dazu veröffentlichte das Wall Street Journal, das Trump unterstützt, einen Leitartikel mit der Überschrift „Fristen für die Stimmabgabe und der Oberste Gerichtshof“ und einen Leitartikel mit dem Titel „Der Oberste Gerichtshof und die Ergebnisse der Wahlen“.