Deutschland ist europäischer Spitzenreiter bei den täglichen Corona-Toten

Deutschland ist mittlerweile europäischer Spitzenreiter bei den täglichen Corona-Toten. Am Mittwochmorgen meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 1019 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden. Das ist annähernd so hoch wie der bisherige Rekord vom 30. Dezember, als im Laufe eines Tages 1129 Menschen an der Pandemie starben.

Dabei dürften die wirklichen Zahlen noch deutlich höher liegen. Das RKI selbst warnt, dass es wegen der Weihnachts- und Neujahrsfeiertage bisher nur unvollständige Zahlen erhalten habe. Worldometers, das sich auf andere Quellen stützt, meldete am Mittwochmorgen sogar 1198 Todesopfer. Selbst Großbritannien, wo die Infektionszahlen durch die Decke gehen, hat derzeit weniger Opfer zu beklagen. Worldometers registrierte dort am Dienstag 830 Tote und am 30. Dezember 981. Allerdings dürften die Zahlen auch dort bald wieder steigen.

Wie konnte es soweit kommen?

In den ersten Monaten der Pandemie schien Deutschland besser als seine Nachbarn durch die Krise zu kommen. Aufgrund der katastrophalen Lage in Italien hatte die Regierung relativ früh erste Schutzmaßnahmen ergriffen. Doch weder die Bundes- noch die Landesregierungen waren bereit, die Bevölkerung konsequent gegen die Gefahr zu schützen, über deren Ausmaß sie sich voll bewusst waren. Die Interessen der Wirtschaft, d.h. die Profite der Konzerne und Banken, hatten stets Vorrang vor dem Leben der Menschen.

Das zeigte sich bereits im März, als die Regierung ein 756-Milliarden-Notpaket verabschiedete, von dem 600 Milliarden an Großunternehmen gingen, während für Arbeiter, Selbständige und Kleinunternehmen nur Almosen abfielen. Zusammen mit den Billionen, die die Europäische Zentralbank in die Finanzmärkte pumpte, hat dies dazu geführt, dass die Aktienmärkte inmitten der tiefsten gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Krise von Rekord zu Rekord klettern. Während sich in den Leichenhallen die Särge stapeln, knallen in den Börsensälen die Sektkorken.

Seither richtete sich das Hauptaugenmerk der Regierung darauf, die Wirtschaft am Laufen zu halten, um die Milliardengeschenke an die Reichen auf den Knochen der Arbeiter wieder hereinzuholen. Die Stilllegung nicht lebenswichtiger Betriebe wurde nicht einmal in Betracht gezogen, obwohl damit nicht nur die Ansteckungsgefahr in den Betrieben selbst, sondern auch in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln erheblich reduziert worden wäre. Lediglich Dienstleistungsbetriebe mit viel öffentlichem Publikumsverkehr – Gaststätten, Kaufhäuser, Friseursalons und dergleichen – wurden zeitweise geschlossen.

Voraussetzung für die Fortsetzung der Produktion war das Offenhalten der Schulen, damit die Eltern weiterhin zur Arbeit gehen konnten. Während Politiker, die das Bildungswesen systematisch kaputtgespart haben, Krokodilstränen über die mangelnden Bildungschancen armer Kinder vergossen, wurden die Schulen in Verwahranstalten und Infektionsherde verwandelt.

Ein kleiner Bruchteil der Milliardengeschenke an die Reichen hätte ausgereicht, um die Schulen sicherer zu machen sowie die notwendigen elektronische Geräte anzuschaffen und genügend Tutoren einzustellen, die unter der Anleitung erfahrener Lehrer einen qualitativ hochstehenden Heimunterricht gewährleisten können. Doch dafür gab es kein Geld. Entsprechende Initiativen von Lehrern, Eltern und Schülern wurden systematisch abgewürgt.

Die Öffentlichkeit wurde systematisch belogen. Obwohl früh bekannt war, dass Kinder und Jugendliche zwar weniger Symptome zeigen, das Virus aber ebenso stark verbreiten wie Erwachsene, behaupteten Politiker, Journalisten und selbst einige käufliche Wissenschaftler stur, von Kindern gehe keine Gefahr aus, ja, sie seien sogar eine Virusbremse. Inzwischen widerlegen zahlreiche wissenschaftliche Studien diese Lüge, die aber trotzdem weiter verbreitet wird.

Ende Dezember veröffentlichte die Fachzeitschrift Science die Studie eines internationalen Teams von der University of Oxford, das anhand der Infektionsdaten aus 41 vorwiegend europäischen Ländern die Wirksamkeit von Anti-Corona-Maßnahmen während der ersten Infektionswelle errechnete. Die Studie gelangt zum Schluss, dass die Schließung von Schulen und Universitäten sowie die Beschränkung von Treffen auf maximal zehn Personen die Reproduktionszahl des Virus um jeweils bis zu 40 Prozent reduzieren konnten. Die Schließung von nicht unbedingt nötigen Geschäften, Restaurants und Kneipen senkte die Reproduktionszahl um 25 Prozent, zusätzliche Ausgangssperren dagegen nur um maximal zehn Prozent.

Auch der international renommierte Berliner Virologe Christian Drosten hält die offenen Schulen für einen Haupttreiber der Pandemie. In seinem jüngsten Podcast erklärt er, die hochansteckende Mutante des Virus, die als erstes in England entdeckt wurde, habe sich mit hoher Wahrscheinlichkeit über die Schulen verbreitet. Das Ganze sei „mit sehr viel Rückenwind in den Schulen“ losgegangen und habe sich von dort „in die normale Bevölkerung weiterverteilt“.

Mehr als tausend europäische Wissenschaftler haben den Aufruf „WissenschaftlerInnen fordern europäische Strategie zur raschen und nachhaltigen Reduktion der Covid-19-Fallzahlen“ unterzeichnet, der für einen radikalen, europaweiten Lockdown eintritt, um die Sieben-Tage-Inzidenz (die Zahl der Infektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche) unter 10 zu senken und so hunderttausende Menschenleben zu retten. Zu den deutschen Unterzeichnern zählen u.a. RKI-Präsident Lothar Wieler, Max-Planck-Präsident Martin Stratmann, der Präsident der Deutschen Nationalakademie Gerald Haug, die Virologen Sandra Ciesek und Christian Drosten sowie die Präsidenten mehrerer Forschungsorganisationen.

Doch die Regierungen und ihre Stichwortgeber in der Wirtschaft behandeln diese wissenschaftlichen Empfehlungen mit Verachtung. Sie sind buchstäblich bereit, über Leichen zu gehen. Die Konferenz der Kanzlerin und der Regierungschefs der Länder hat am Dienstag lediglich beschlossen, die völlig ungenügenden Maßnahmen vom Dezember bis Ende Januar zu verlängern. Die Produktion in den Betrieben läuft uneingeschränkt weiter. Schulen und Kitas bleiben zwar offiziell geschlossen, aber mit derart vielen Ausnahmen, dass der Betrieb praktisch uneingeschränkt weitergeht.

Selbst die bescheidenen Maßnahmen, die die Lage von Eltern erleichtern sollen, erweisen sich bei näherem Hinsehen als Betrug. So haben die Regierungschefs versprochen, dass Eltern mit bis zu zwölfjährigen Kindern jeweils 10 Tage und Alleinerziehende 20 Tage bezahlten Sonderurlaub bekommen, um ihre Kinder zu betreuen.

Doch die Bezahlung beläuft sich nur auf 67 Prozent des Nettogehalts und wird nur geleistet, wenn es keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit für die Kinder gibt. Als zumutbare Betreuungsmöglichkeit gilt bereits, wenn ein Elternteil im Home-Office zuhause arbeitet. Auch wenn die Kita eine Notbetreuung anbietet, müssen die Eltern diese annehmen und die Kinder und sich selbst dem Infektionsrisiko aussetzen.

Mittlerweile hat in Politik und Medien ungeachtet der bekannten Gefahren auch die Kampagne wieder volle Fahrt aufgenommen, Kitas und Schulen so rasch wie möglich vollständig zu öffnen.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) forderte am Mittwoch im Deutschlandfunk eine möglichst schnelle Rückkehr zum Schul- und Kitabetrieb. Die Einschränkungen seien für den Januar beschlossen worden, „und ich finde, dabei muss es auch bleiben“. Wenn es zu Lockerungen komme, müssten sie sich zuallererst auf die Kinder in den Kitas und in den Schulen beziehen.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte an, Grundschulen und Kitas bereits ab 18. Januar wieder ganz zu öffnen. Unterstützt wurde er von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU), einer vehementen Verfechterin des Präsenzunterrichts in Grundschulen.

Die Tagesthemen der ARD luden am Dienstag den Epidemiologen Klaus Stöhr zu einem ausführlichen Interview ein, um die zahlreichen Wissenschaftler anzugreifen, die sich für einen radikalen Lockdown einsetzen. Löhr sprach sich dagegen aus, die Sieben-Tage-Inzidenz unter 120 zu senken. Die letzten Wochen hätten gezeigt, „dass 120 bis 130 Fälle pro 100.000 gehandhabt werden konnten“. Die Krankenhäuser seien nicht flächendeckend überlastet gewesen und die wirtschaftlichen Auswirkungen solcher Lockdowns seien „zweifelhaft nicht unerheblich“.

Stöhr wurde nicht zufällig ausgewählt. Er hat jahrelang für den Schweizer Pharmariesen Novartis gearbeitet, der mit der Gesundheit von Menschen Milliarden verdient. 2019 erzielte Novartis bei einem Umsatz von 47,4 Milliarden einen Reingewinn von 11,7 Milliarden USD. Noch Mitte Oktober hatte Stöhr in der Zeit die mörderische Strategie der Herdenimmunität verteidigt und Schweden als Vorbild empfohlen, obwohl die katastrophalen Folgen des schwedischen Wegs schon damals bekannt waren. Mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 400 zählt das Land inzwischen zu den europäischen Spitzenreitern.

Am 22. Dezember bezeichnete Stöhr auf ntv die Pandemieentwicklung als „Naturereignis“, das „nicht aufzuhalten“ sei. Er empfahl, die Reproduktionszahl, also die Ansteckungsrate, solle nicht höher als 1 sein, „aber auch nicht viel niedriger“. Er finde es „unvernünftig, Schulen und Kindergärten zu schließen, wenn man weiß, dass die Hauptauswirkungen bei den Alten liegen“. Hätte man im Sommer nicht so viele Maßnahmen getroffen, gäbe es jetzt viel mehr junge Menschen, die nicht mehr infektiös sind.

Diese mörderische Politik der Herdenimmunität, die den Tod Zehntausender kaltblütig in Kauf nimmt, ist die Politik der gesamten herrschenden Klasse. Sie wird von sämtlichen im Bundestag vertreten Parteien unterstützt und in den Länderregierungen in die Tat umgesetzt. Linke, Grüne und SPD gehen dabei nicht weniger rücksichtslos vor als FDP, CDU und CSU.

Die AfD spielt, wie schon in der Flüchtlingspolitik, die Rolle des Vorreiters. Sie – und die von ihr unterstützten Corona-Demonstrationen – dienen den anderen Parteien als Alibi, um immer weiter nach rechts zu rücken.

Unter Eltern, Lehrern und Schülern wächst der Widerstand gegen die Politik der offenen Schulen und Kitas. Aber um erfolgreich dagegen zu kämpfen, brauchen sie eine unabhängige Perspektive.

Die entscheidende Aufgabe besteht darin, ein zusammenhängendes Netzwerk unabhängiger Aktionskomitees für Sicherheit aufzubauen. Diese Aktionskomitees müssen dafür kämpfen, alle Arbeiter – Lehrer, Schulbusfahrer, Hausmeister sowie Arbeiter in der Produktion, im Gesundheitswesen, in der Logistik, im Einzelhandel und in der Lebensmittelverarbeitung – zu einem landesweiten Generalstreik zu vereinen, um den Regelbetrieb an den Schulen und die Produktion in nicht lebenswichtigen Betrieben zu stoppen.

Macht mit bei den Aktionskomitees für sichere Bildung und schließt Euch der Sozialistischen Gleichheitspartei an, die für ein sozialistisches Programm und die internationale Einheit der Arbeiterklasse kämpft.

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