Politik und Medien hetzen gegen Pflegerinnen und Pfleger

Die Pandemie nimmt in 2021 immer katastrophalere Ausmaße an. Seit Jahresbeginn hat Covid-19 in Deutschland offiziell 12.673 Todesopfer gekostet. Die vergangenen zwei Wochen waren die tödlichsten im gesamten Verlauf der Pandemie. Am Mittwoch erreichte die Zahl der Covid-19-Todesopfer in Deutschland mit über 1200 einen weiteren historischen Höchststand. Seit Montag sind laut den Zahlen der Washingtoner Johns-Hopkins-Universität täglich mehr als 1000 Menschen an dem Virus gestorben.

Inmitten dieses beispiellosen Massensterbens, das bereits zu völlig überlasteten Krematorien geführt hat, sind Millionen Menschen mit einer mörderischen Regierungspolitik konfrontiert, die sich strikt weigert, die Profite der Oligarchen zugunsten eines lebensrettenden Shutdowns zu beschneiden.

Laut der jüngsten repräsentativen Befragung von ARD-Deutschlandtrend befürwortet eine absolute Mehrheit von 53 Prozent die „Corona-Maßnahmen vom Dezember“, die in den Medien als „harter Lockdown“ bezeichnet wurden. Weitere 30 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die beschlossenen Maßnahmen „nicht weit genug“ gehen, um das Sterben zu beenden. Die angeblich wirkungsvolleren „Corona-Maßnahmen nach dem 10. Januar“ wollen sogar 32 Prozent der Befragten „verschärfen“.

Die Zahlen machen deutlich, dass neben der sofortigen Schließung aller Schulen, Kitas und nicht lebensnotwendigen Betriebe auch ein massiver weltweiter Ausbau der Produktionskapazitäten für kostenlose Impfstoffe in Angriff genommen werden muss. Ein solches global koordiniertes Vorgehen würde zweifellos Millionen Menschenleben retten.

Doch weil die herrschende Klasse dazu weder willens noch in der Lage ist, reagiert sie stattdessen mit einer Desinformationskampagne und üblen Hetze gegen Pflegerinnen und Pfleger, die in der Pandemie an vorderster Front stehen. Während sie täglich unzählige Leben schützen, werden sie von der Regierung seit Jahr und Tag belogen und betrogen.

Den Auftakt machte SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach bereits im vergangenen Jahr. Gegenüber den notorisch rechten Blättern der Funke Mediengruppe kritisierte er Mitte Dezember die „große Zurückhaltung“ und angeblich „geringe Impfbereitschaft“ unter dem „medizinischen Personal“. Als mögliche Gründe nannte Lauterbach nicht etwa mangelnde Aufklärung über etwaige Nebenwirkungen, sondern unterstellte egoistische Motive – darunter „die Einschätzung vieler Mediziner und Pflegekräfte, nicht zur Hochrisikogruppe zu gehören“.

Seitdem vergeht kaum ein Tag, ohne dass in großen Zeitungen herablassende Kommentare über die „Impfbereitschaft der Pfleger“ erscheinen oder führende Politiker mediale Angriffe gegen Pflegerinnen und Pfleger lancieren. So erschien Die Zeit am 6. Januar mit der Schlagzeile „Gefährliche Impfskeptiker in deutschen Krankenhäusern“, und machte Arbeiter in Kliniken und Heimen dafür verantwortlich, „dass das Virus Patientinnen befallen kann, die ohnehin schon schwer krank sind“.

Nur drei Tage später brachte der Spiegel unter dem Titel „Querdenker in Weiß“ eine Kolumne seines Redakteurs Alexander Neubacher, der darin verunsicherte Pfleger als „skrupellose Zocker“ bezeichnet, „die das Leben von Schutzbefohlenen aufs Spiel setzen“ und „im Operationssaal oder am Pflegebett nichts zu suchen“ hätten: „Nur wer einen Impfnachweis hat, wird auf Kranke und Alte losgelassen. (…) Ich wünschte, die Krankenhäuser und Heime könnten sie zum Impfen zwingen.“

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte zuletzt von einer „hohen Impfverweigerung unter Pflegekräften in Alten- und Pflegeheimen“ gesprochen und eine „Impfpflicht“ für bestimmte „Gruppen“ gefordert.

Am übelsten trat einmal mehr Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) in Erscheinung, der in den vergangenen Monaten selbst regional begrenzte Shutdowns der Wirtschaft stets strikt abgelehnt und stattdessen die Durchseuchungspolitik der schwedischen Regierung umarmt hat. In einem Deutschlandfunk-Interview vom 5. Januar schob er die Schuld für die Folgen des von ihm verantworteten Mangels an Infektionsschutz und Klinikpersonal darauf, „dass sich ein Teil der Mitarbeiter einfach nicht impfen lässt“.

Es handelt sich um einem durchsichtigen Versuch, Pflegekräfte – nach Ausländern, „Reiserückkehrern“ und Jugendlichen – zum nächsten Sündenbock zu erklären, um von den verheerenden Folgen der Politik der herrschenden Klasse abzulenken. Grundlage der gesamten Propaganda ist eine nicht repräsentative Online-Umfrage von DIVI und DGIIN, an der 2305 Ärzte und Pfleger teilgenommen hatten und die von jedem beantwortet werden konnte, der zufällig in den Besitz des Teilnahmelinks kam.

Während Pflegekräfte zum Sündenbock erklärt und verleumdet werden, weigern sich Bund und Länder, die zentralen Treiber der Pandemie – Schulen, Fabriken, Büros und Kitas – zu schließen und einen europaweit koordinierten Lockdown zu organisieren, wie er von über 1000 Wissenschaftlern aus ganz Europa gefordert wird. Auch eine allgemein verpflichtende Schutzimpfung – verbunden mit einer umfassenden Informationskampagne unter transparenter wissenschaftlicher Aufsicht – wird von allen Parteien strikt abgelehnt.

Der Grund dafür ist, dass die Impfbereitschaft der Bevölkerung in Wirklichkeit viel höher ist als die derzeitige Impfrate. Dies ist in keinem Bundesland so augenfällig wie in Thüringen, das mit 1,03 Impfdosen pro 100 Einwohner nach wie vor die zweitniedrigste Impfrate unter allen Bundesländern aufweist. Bundesweit wurden auch drei Wochen nach Impfstart laut den Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) pro 100 Einwohner erst 1,26 Impfdosen verabreicht.

Die Befragung des Deutschlandtrends belegt außerdem, dass Millionen Menschen sich sofort impfen lassen würden – wenn es denn möglich gemacht würde. Demnach möchten fast 75 Prozent der Befragten eine Immunisierung erhalten, sobald sie an der Reihe sind. Eine absolute Mehrheit der Befragten bezeichnet das „Impftempo in Deutschland“ als „zu langsam“ – lediglich 8 Prozent der Befragten bezeichnet es als „zu schnell“.

Ein Bericht des MDR stellt fest, dass „keine validen Daten zur aktuellen Impfbereitschaft unter Pflegepersonal“ existieren, dass jedoch die Mehrheit der befragten Landesgesundheitsministerien von einem gegenteiligen Trend berichtet. So gibt etwa Sachsen-Anhalt an, „dass die Impfbereitschaft der Pflegenden in den Altenheimen um circa 20 bis 30 Prozent angestiegen“ sei und sich unter dem medizinischen Personal bei einer derzeitigen Bereitschaft von „50 bis 60 Prozent“ nach wie vor „eine steigende Tendenz“ abzeichne. Sachsen spricht „von einer hohen Bereitschaft“ in der Pflege mit „bis zu 80 Prozent in Leipzig“.

In Thüringen, so der MDR, sei „eine abschließende Entscheidung“ darüber, „wie dazu Daten gesammelt werden könnten“, „noch nicht getroffen worden“. Ramelows Unterstellungen entbehren also jeder Faktengrundlage. Der Bericht des MDR stellt insgesamt fest, dass „sich die Impfbereitschaft unter medizinischem und Pflegepersonal schon seit Jahren nicht wesentlich von der in der Gesamtbevölkerung zu unterscheiden“ scheint. In internen Papieren der Bundesregierung, über die die Welt im Dezember berichtete, wird für „Mitarbeiter im Gesundheitswesen“ und „Stationäre Krankenhausbehandlung/Pflege“ von einer Impfbereitschaft von 80 Prozent ausgegangen.

Die mediale Hetzkampagne gegen Pflegekräfte ist Bestandteil von Versuchen, das kriminelle Versagen der Bundes- und Landesregierungen zu verschleiern und unter Arbeitern zugleich die größtmögliche Verwirrung zu stiften. Dies umfasst neben falschen Behauptungen über angebliche „Impfunwilligkeit“ auch die Forderung nach einer „Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen“ und die Diskussion über „Privilegien für Geimpfte“.

Bereits im Herbst hatte das Bundesfamilienministerium von Franziska Giffey (SPD) Pflegekräfte aufs Übelste verunglimpft. Unter dem Titel „Ehrenpflegas“ ließ es für 700.000 Euro eine mehrteilige Miniserie mit mehreren Netflix-Jungstars produzieren, die im Oktober auf Youtube veröffentlicht wurde. Die Serie besteht aus einer Aneinanderreihung übler Klischees und wurde von Pflegerinnen und Pflegern zurecht als Beleidigung aufgefasst, die mit der Realität in Kliniken und Altenheimen nichts zu tun hat.

Wie das Nachrichtenmagazin Focus kürzlich unter Berufung auf ein Regierungsgutachten feststellte, fehlen in den Alten- und Pflegeheimen mindestens 120.000 Pflegekräfte – in den Krankenhäusern sind es je nach Quelle mindestens 50.000. Mehr als jede dritte Pflegekraft leidet demnach unter „emotionaler Erschöpfung“ bis hin zum Burnout. Das Magazin stellt weiter fest, dass jeder zusätzliche Krankenhauspatient pro Pflegekraft das Sterberisiko statistisch gesehen um sieben Prozent erhöht.

Von der mit großem Getöse angekündigten „Corona-Prämie“ haben die meisten Pflegekräfte derweil nie etwas gesehen. Der von Gesundheitsminister Spahn verabschiedete Prämienplan für Klinik-Pflegekräfte sah explizit vor, den Bonus an „höchstens 100.000 Pflegekräfte“ auszuzahlen, also weniger als ein Neuntel der Vollkräfte. Der Sozialwissenschaftler Professor Stefan Sell bezeichnet die niedrigen und ungerecht verteilten Einmalzahlungen als „toxischen Spaltpilz“, zu dem die privaten Krankenkassen kaum einen Beitrag geleistet haben.

Während Arbeiter an der Corona-Front schlecht bezahlt, verhöhnt und regelrecht verheizt werden, haben Repräsentanten des Staats und des Militärs großzügige Zahlungen erhalten. So wurde Bundesbeamten, Soldaten und freiwillig Wehrdienstleistenden bereits im November aufgrund von „zusätzlichen Belastungen“ unbürokratisch eine Corona-Prämie von bis zu 600 Euro überwiesen – abgestuft lediglich nach Einkommensgruppen.

Tatsache ist, dass alle Regierungen seit dem ersten Auftreten des Coronavirus eine „Profite-vor-Leben“-Politik verfolgen, die weltweit bereits zu über zwei Millionen Toten geführt hat. Über die knappen Heilmittel tobt zugleich ein fieberhafter Verteilungskampf unter den Großmächten, der auch die Frage umfasst, wie die sogenannten „Entwicklungsländer“ mit einem Zugang zum Impfstoff künftig erpresst werden sollen.

Ein rationaler und demokratischer Ausweg aus der globalen Coronakrise ist nur möglich, wenn Arbeiter den Spaltungsversuchen der Regierung entschlossen entgegentreten. Die Sozialistische Gleichheitsparteien und ihre Jugend- und Studierendenorganisation IYSSE kämpfen für den Aufbau von unabhängigen Aktionskomitees, um einen Generalstreik für einen wirklichen Lockdown vorzubereiten. Schulen und nicht lebensnotwendige Betriebe müssen geschlossen werden, um das Massensterben zu stoppen und die Pandemie zu besiegen.

Dabei müssen alle Arbeiter und ihre Familien vollen Lohnausgleich und wirkliche finanzielle Unterstützung erhalten. Milliarden müssen in sichere und gute Bildung und Pflege investiert werden. Um diese Forderungen durchzusetzen muss eine internationale Bewegung aufgebaut werden, die von allen Parteien und Gewerkschaften unabhängig ist. Der Regierungspolitik von Massensterben, Ausbeutung und Sozialabbau muss ein sozialistisches Programm gegenübergestellt werden, das Menschenleben über Profite stellt und sich über die privaten Profitinteressen der kapitalistischen Oligarchie hinwegsetzt.

Nehmt noch heute mit uns Kontakt auf und beteiligt euch an diesem Kampf.

Loading