Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie: Entzieht der IG Metall die Kontrolle

Die Sozialistische Gleichheitspartei begrüßt die Kampfbereitschaft der Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie, die sich in den Warnstreiks der letzten Woche gezeigt hat.

Doch an dieser Stelle muss eine ernsthafte Warnung ausgesprochen werden. Die IG Metall, die zu den Warnstreiks aufgerufen hat, verfolgt grundlegend andere Ziele als ihre Mitglieder. Die Gewerkschaft steht mit beiden Beinen fest im Lager der Unternehmen und arbeitet gemeinsam mit diesen die Angriffe auf Arbeitsplätze, Löhne, Sozialleistungen und Arbeitsbedingungen aus.

Dietmar Gaisenkersting ist Kandidat der SGP zur Bundestagswahl 2021

Arbeiter müssen sich unabhängig von der IG Metall organisieren und den Kampf gegen Arbeitsplatzabbau und für eine Erhöhung ihrer Löhne, den Schutz ihrer Gesundheit und eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen in die eigenen Hände nehmen.

Die IG Metall ruft ihre Mitglieder nur deswegen zu den massiven Warnprotesten auf, weil sie der enormen Wut in den Fabriken und Betrieben die Spitze brechen will. Durch ihre zigtausenden betrieblichen Vertreter hat sie ein feines Netz gespannt, das wie ein Seismograph auf die Stimmung in den Unternehmen reagiert. Dieses Frühwarnsystem hat der IGM-Spitze signalisiert, dass die Wut nach einem Jahr Corona-Pandemie hochkocht – nach zusätzlichem jahrelangen Lohnverzicht und Arbeitsplatzabbau, der sich jetzt auch noch beschleunigt.

Die Gewerkschaften haben die Rückkehr in die Betriebe nach dem kurzen Lockdown im vergangenen Jahr vollauf unterstützt, obwohl sich an der Gefahr durch den Corona-Virus nichts geändert hatte. In der weltgrößten Fabrik – Volkswagen in Wolfsburg – begrüßten IG Metall und ihr Betriebsrat mit einem gewaltigen Spektakel, dass die Produktion wieder startet.

Die Arbeiter sind seitdem unter erschwerten Arbeitsbedingungen der ständigen Gefahr einer Infektion ausgesetzt – durch die Mutationen jetzt mehr denn je. Wie viele Tausend sich bisher infiziert haben, wie viele Arbeiter gestorben sind, wird nicht erhoben. Selbst die Beschäftigten in einem Unternehmen wissen oft nur durch Zufall, ob und wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen positiv getestet wurden oder gar gestorben sind.

Die Konzerne haben die coronabedingte Unsicherheit unter den Arbeitern genutzt, um Angriffe durchzusetzen, wie sie Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gesehen hat. Noch im Lockdown Anfang des letzten Jahres setzte die IG Metall in einem „Notvertrag“ das Einfrieren der Löhne durch, die anschließend durch Kurzarbeit nochmals empfindlich gekürzt wurden.

Die Konzerne erhalten hingegen über Kurzarbeitergeld, Kredite und sonstige Zuwendungen Milliarden aus der Steuerkasse. Gleichzeitig sind im letzten Jahr bereits zigtausende Arbeitsplätze abgebaut, Löhne gekürzt, Betriebsrenten zusammengestrichen und abgeschafft worden. Unter allen Schließungsbeschlüssen und Sozialplänen, mit denen dies durchgesetzt wird, stehen die Unterschriften der Betriebsratsvorsitzenden und IG-Metall-Vertretern. Das Ergebnis sind Milliardengewinne der Unternehmen im Coronajahr.

Doch die Arbeitsplatzvernichtung geht noch weiter. Allein in der Autoindustrie fallen weitere Hunderttausende Stellen der Profitgier zum Opfer, bei Daimler, VW, BMW, Ford, MAN und Opel, bei Continental, Bosch, ZF und Mahle.

Betriebsratsfürsten wie Bernd Osterloh (VW), Michael Brecht (Daimler), Manfred Schoch (BMW) und Athanasios Stimoniaris (MAN) erhalten im Monat, was viele Arbeiter im Jahr verdienen. Nun sitzen sie gerade mit den Konzernlenkern zusammen, um die Angriffe und damit die weitere Bereicherung der Aktionäre auf Kosten der Belegschaften durchzusetzen.

Das von den Betriebsräten ausgearbeitete Jobmassaker wird nun dreist von der IG Metall genutzt, um auch in der diesjährigen Tarifrunde den Arbeitern Lohnsenkungen zu verordnen. Nicht anders ist das Gerede der IGM-Funktionäre zu verstehen, der Fokus läge in diesem Jahr auf der Beschäftigungssicherung.

In der letzten Tarifrunde vor drei Jahren war die IG Metall mit der Forderung nach sechs Prozent in die Verhandlungen gegangen und hat mit Reallohnsenkungen abgeschlossen. Diesmal ist sie mit einer 4-Prozent-Forderung gestartet und wird mit einem noch größeren Ausverkauf als letztes Mal enden. Denn die bisherige Kooperation der Gewerkschaft und ihr Drang, die Bedürfnissen der Börsen und Kapitaleigner zu befriedigen, ermutigt die Elektro- und Metall-Unternehmen zu immer unverschämteren Forderungen .

Der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, forderte schon vor dem Start der Tarifverhandlungen im letzten Jahr eine Nullrunde sowie weitreichende Öffnungsklauseln für einzelne Betriebe, damit diese mit ihren Betriebsräten Abweichungen vom Flächentarif vereinbaren können.

Die Unternehmen haben bislang keinerlei Angebote unterbreitet, weil sie sich der Unterwürfigkeit der IG Metall vollkommen sicher sein können.

Die Wut über die IG Metall und ihre Politik, über ihre rechten Betriebsräte und deren enge Zusammenarbeit mit dem Management ist groß.

Doch aus dieser Wut müssen politische Schlussfolgerungen gezogen werden. Vertraut nicht der IG Metall und ihren Verteidigern! Es ist nicht damit getan, für den Austausch der korrupten Führung in Gewerkschaft und Betriebsräten einzutreten. Die Gewerkschaften im 21. Jahrhundert verdienen nicht den Namen Arbeiterorganisationen. Sie stehen auf der anderen Seite der Barrikade. Sie haben sich mit Haut und Haaren den Finanzmarktinteressen verschrieben.

Arbeiter der Metall- und Elektroindustrie: Weist das abgekartete Spiel der Gewerkschaften und Unternehmen in der aktuellen Tarifauseinandersetzung zurück und entzieht der IG Metall das Verhandlungsmandat. Bildet unabhängige Aktionskomitees in den Werken und Betrieben, die die Streiks selbst in die Hand nehmen und ausweiten. Ihr zählt in der größten deutschen Industriebranche fast 4 Millionen Beschäftigte. Eurem Beispiel würden weitere Millionen folgen, da könnt ihr sicher sein. Die Wut ist überall enorm.

Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass der Kapitalismus nicht mit den Interessen der Arbeiterklasse vereinbar ist. Die aktuellen Warnstreiks müssen zum Ausgangspunkt für einen europaweiten Generalstreik gemacht werden, der sich nicht nur gegen den Arbeitsplatzabbau und die drohenden Lohnsenkungen richtet, sondern auch einen Lockdown aller nicht lebensnotwendiger Industrien und sichere Arbeitsbedingungen erzwingen muss, um die Pandemie unter Kontrolle zu bringen und zehntausende Menschenleben zu retten. Betroffene Arbeiter müssen vollen Lohnausgleich erhalten. Die Rekord-Profite der Unternehmen und Großaktionäre, die Ihr mit euren Arbeitsplätzen, euren Löhnen und eurer Gesundheit bezahlt, müssen beschlagnahmt werden und den Arbeitern und ihren Familien zu Gute kommen.

Nehmt Kontakt zu uns auf, um das vorzubereiten. Unterstützt die Sozialistische Gleichheitspartei in ihrem Wahlkampf zur Bundestagswahl 2021 und helft, sie als deutsche Sektion der Vierten Internationale aufzubauen!

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