Volkswagen baut 2021 weitere 5000 Arbeitsplätze ab

Am Montag kündigte der Volkswagen-Konzern an, hohe Milliardenbeträge in die Elektromobilität, eine eigene Batteriezellfertigung und den Aufbau einer Ladeinfrastruktur zu investieren. Am Tag zuvor war bekannt geworden, wo die Milliarden herkommen, nämlich aus der Belegschaft.

Bereits im Dezember letzten Jahres hatte der VW-Aufsichtsrat mit den Stimmen der IG Metall und der Betriebsräte ein Sparprogramm beschlossen, um die Rendite zu erhöhen. Bis zum Jahr 2023 sollten die Fixkosten um fünf Prozent niedriger sein. Sonntag meldete das Handelsblatt, der Vorstand unter Leitung von Herbert Diess und der Betriebsrat unter dem Vorsitz von Bernd Osterloh hätten sich nun darauf verständigt, wie die Personalkosten konkret gesenkt werden.

„Voraussichtlich bis zu 5000 Arbeitsplätze“ stünden zur Disposition, so das Handelsblatt. VW in Deutschland mache beim Sparen den Anfang, die anderen Konzernmarken würden etwas später folgen. Das heißt, auch bei Audi, Skoda, Seat, Porsche und vielen anderen Marken des VW-Konzerns stehen Arbeitsplatzabbau und Einsparungen auf der Agenda.

Der Betriebsratsfürst Osterloh, der in Spitzenjahren bis zu 750.000 Euro im Jahr verdient hat, sowie die IG Metall sehen den Konzern aus derselben Sicht wie der Vorstand und die Aktionäre. Der ehemalige IGM-Funktionär und jetzige VW-Personalvorstand Gunnar Kilian erklärte am Sonntag, es bedürfe weiterhin eines strikten Kostenmanagements, „um die erforderlichen Investitionen in die Zukunft zu finanzieren, die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern und vor allem die Basis für die langfristige Beschäftigungssicherung zu erhalten“. Volkswagen stärke damit die „interne Transformation“.

Das Gegenteil ist der Fall. Der anhaltende Beschäftigungsabbau finanziert die Investitionen und sichert die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Die Arbeiter zahlen mit ihren Arbeitsplätzen die Rendite und Gewinne der Aktionäre.

Wie immer stimmt der Betriebsrat dem Abbau mit dem Hinweis zu, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen seien. Aber es gab in den letzten Jahrzehnten bei den großen Auto-, Metall-, Elektro- oder Stahlbetrieben noch nie betriebsbedingte Kündigungen. Der Abbau von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen wird seit jeher von der IG Metall mehr oder weniger geräuschlos über Abfindungsregelungen, Altersteilzeit und Frühverrentung geregelt.

Das soll jetzt nicht anders sein. Betriebsrat und Unternehmen wollen die Angebote zur Altersteilzeit jetzt auch für den Jahrgang 1964 öffnen, also für die heute 56- und 57-Jährigen. Ziel des aktuellen Personalabbaus sind nach Jahren des Abbaus in der Produktion die Beschäftigten in der Verwaltung.

Der Autokonzern erwartet, dass in diesem Jahr fast 3000 VW-Beschäftigte des Jahrgangs 1964 von dem neuen Angebot Gebrauch machen werden, berichtet das Handelsblatt. Die Altersteilzeit bei VW ist für einen maximalen Zeitraum von sechs Jahren möglich. Arbeiter gehen meistens drei Jahre bei vermindertem Lohn oder Gehalt voll arbeiten, um dann für drei Jahre bis zum Vorruhestand freigestellt zu sein.

Der Konzern hat angekündigt, dass er Arbeiter und Angestellte der Jahrgänge 1961 und 1962, die schon seit längerer Zeit in Altersteilzeit gehen können, mit Nachdruck aus dem Konzern drängen werde. Dadurch sollen noch einmal 1000 Beschäftigte aus dem Konzern geschmissen werden. Für diese Jahrgänge soll auch ein neues Vorruhestandsprogramm angeboten werden.

Allein durch den Abbau von 5000 Beschäftigten dürfte der Konzern jährlich eine halbe Milliarde Euro sparen. Das zeigt ein Vergleich mit Ford. Der Konzern hat in den vergangenen zwei Jahren etwa 10.000 Stellen abgebaut und spart dadurch jährlich etwa eine Milliarde Euro ein, wie das Handelsblatt vorrechnet.

Die Zustimmung des Betriebsrats unter Osterloh zum jetzigen Sparprogramm war im Dezember nach der Zusage des Konzerns ergangen, das Werk in Wolfsburg zu einer Fabrik für die hochautomatisierte Fertigung von Elektrofahrzeugen auszubauen. Bislang hatte VW vor allem die Werke in Brüssel, Hannover, Zwickau und Emden umgerüstet.

Damals schrieben wir: „Um die Belegschaften zu spalten und jeden Widerstand zu unterdrücken, gehen sie nach dem Sankt-Florian-Prinzip vor: ‚Verschon’ mein Haus, zünd’ and’re an!‘ Arbeitsplätze bei VW haben Vorrang vor denen in der Zulieferindustrie, Arbeitsplätze in Deutschland vor denen im Ausland und Arbeitsplätze im Stammwerk Wolfsburg vor denen an anderen Standorten.“ Auf diese Weise habe die IG Metall schon die Schließung der Opel-Werke in Antwerpen und Bochum organisiert, bevor das Stammwerk in Rüsselsheim an die Reihe kam, das jetzt scheibchenweise stillgelegt wird.

Das zeigt sich nun immer deutlicher. Der VW-Betriebsrat hat bereits angekündigt, in den nächsten Wochen und Monaten darüber zu entscheiden, ob schon länger unbesetzte Planstellen endgültig gestrichen werden. Allein bei VW soll es 5000 solcher unbesetzter Stellen geben. Wenn sie endgültig aus dem Stellenplan herausgenommen werden, sorge dies auf längere Sicht für Ersparnisse.

Zudem wies VW darauf hin, dass die aktuellen Vereinbarungen zum Stellenabbau nur für dieses Jahr gelten. Für die Jahre 2022 und 2023 müssen neue Einsparungen ausgearbeitet werden. Das hat Osterloh im Aufsichtsrat bereits gemeinsam mit den anderen Betriebsrats- und Gewerkschaftsvertretern beschlossen.

Der Abbau und die schleichende Stilllegung von Werken, geht also weiter.

Auf dem Rücken der Arbeiter wird so der brutale Konkurrenzkampf in der Autoindustrie im Zuge der Umstellung auf Elektromobilität ausgetragen. Am Montag kündigte VW den Bau von sechs Gigafabriken für Batteriezellen bis 2030 sowie die Bereitstellung von 18.000 Schnellladepunkten in Europa an. Eine neue Einheits-Batteriezelle soll für 80 Prozent aller Konzernfahrzeuge entwickelt werden. Der VW-Konzern will Milliarden investieren, um im Wettbewerb mit Tesla und den anderen großen Autoproduzenten zu bestehen.

Vor gut zwei Wochen verkündete der größte europäische Autohersteller, dass er im Corona-Jahr 2020 nach Steuern 8,8 Milliarden Euro Gewinn bei einem Umsatz von knapp 223 Milliarden Euro erzielt habe. Dies war möglich, weil VW und die anderen Marken trotz der Gefahren durch Covid-19 für die fast 700.000 Beschäftigten nur wenige Wochen, und das auch nur gezwungenermaßen, die Produktion eingestellt hatten.

Doch die knapp 9 Milliarden Gewinn dienen, anders als die Milliardeneinsparungen bei den Arbeitern, nicht der „Investition in die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens“. Der Milliarden-Gewinn wird an die Aktionäre ausgeschüttet. Obwohl Absatz, Umsatz und Gewinn coronabedingt geringer als in den Jahren zuvor waren, wird die Dividende für das abgelaufene Jahr genauso hoch sein wie in den beiden Vorjahren, 4,86 Euro je Vorzugsaktie und 4,80 Euro je Stammaktie. Mehr als die Hälfte der Stammaktien kontrolliert die Holding Porsche SE für die Eigentümerfamilien Porsche und Piëch. 20 Prozent der Stammpapiere gehören dem Land Niedersachsen, ein Staatsfonds aus Katar besitzt weitere 17 Prozent.

Obwohl also gerade Milliarden von den Beschäftigten auf die Konten der Aktionäre umverteilt werden, verlangen die Investoren schon weitere Einsparungen. Zwar habe der VW-Konzern gemeinsam mit Gewerkschaft und Betriebsrat in den letzten Jahren mehrere größere Sparprogramme aufgelegt, die in Deutschland den Abbau von fast 27.000 Jobs bedeutet haben. Doch dennoch läge die Personalkostenquote im gesamten Konzern unverändert bei 17 Prozent des Umsatzes, klagte Arndt Ellinghorst, Automobilanalyst beim US-Investmenthaus Bernstein. Andere Autohersteller wie Daimler würden derzeit deutlich konsequenter sparen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der von Betriebsrat und Gewerkschaft umgesetzte „sozialverträgliche“ Abbau von Arbeitsplätzen nicht länger genügt. Betriebsrat und Gewerkschaft werden nicht zögern, im internationalen Wettbewerb immer weitere Kürzungen auf Kosten der Belegschaft vorzunehmen, das zeigen die letzten Jahre, insbesondere das Corona-Jahr.

Um Arbeitsplätze, Löhne und Gesundheit zu schützen, ist es notwendig, selbst aktiv zu werden und sich unabhängig zu organisieren. Das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze hat die Initiative ergriffen, die wachsende Wut in den Betrieben gegen den anhaltenden Abbau von Arbeitsplätzen, Löhnen und die Gefahren durch die Corona-Pandemie zu bündeln und zu organisieren. Nehmt Kontakt zu uns auf.

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