Kampf der WISAG-Arbeiter am Scheideweg

Die Bodenarbeiter am Frankfurter Flughafen haben mit ihrem mutigen Kampf gegen den WISAG-Konzern bereits etwas Wichtiges erreicht: Sie haben den Medien, den etablierten Parteien und der Gewerkschaft Verdi die Maske vom Gesicht gerissen und die gesellschaftlichen Verhältnisse so gezeigt, wie sie tatsächlich sind.

Die Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre, die gerne über „Sozialpartnerschaft“ und „soziale Marktwirtschaft“ schwadronieren, sind den entlassenen Arbeitern in den Rücken gefallen und haben sich hinter den WISAG-Konzern gestellt, der die Corona-Pandemie skrupellos nutzt, um qualifizierte Arbeiter zu entlassen und durch schlecht bezahlte und jederzeit kündbare Zeitarbeiter zu ersetzen.

WISAG-Arbeiter protestieren in Wiesbaden (Foto WSWS)

WISAG hat kurz vor Weihnachten am Frankfurter Flughafen rund 200 Bodenarbeitern und 31 Busfahrern gekündigt. Viele von ihnen sind erfahrene Flughafenarbeiter, die seit Jahrzehnten Schwerstarbeit zu niedrigen Löhnen leisten und unter hohem Zeitdruck, Knochenarbeit und ständigem Motorenlärm ihre Gesundheit für den Flughafenbetrieb ruiniert haben.

Doch anders als der Konzern erwartet hatte, waren die Arbeiter nicht nur schockiert, sondern kampfbereit. Sie lehnten es ab, ihre Kündigung widerstandslos hinzunehmen, und organisierten zahlreiche Demonstrationen und Kundgebungen. Ende Februar traten zwei Dutzend entlassene Arbeiter acht Tage lang in einen Hungerstreik im Terminal 1 des Frankfurter Flughafens.

Schnell wurde deutlich, dass sich weder WISAG noch Regierungspolitiker durch Protest erweichen lassen. Die Medien, die mit ihnen unter einer Decke stecken, boykottierten den Arbeitskampf weitgehend. Während sie mit einem Großaufgebot von Journalisten und Kameraleuten herbeieilen, sobald sich ein rechter Corona-Leugner mit einem Pappschild auf einen Marktplatz stellt, schwiegen sie den einwöchigen Hungerstreik am größten deutschen Flughafen tot.

Dieser Boykott hat einen einfachen Grund: Die Frankfurter Bodenarbeiter stehen für Millionen Arbeiter auf der ganzen Welt, die ähnlichen Angriffen ausgesetzt sind. Damit ihr Kampf nicht um sich greift, müssen sie isoliert und totgeschwiegen werden.

Eine kleine Schicht von Superreichen benutzt die Corona-Pandemie, um sich auf Kosten der Arbeiter noch stärker zu bereichern. Während sich in den Leichenhallen die Särge stapeln, feiern die Aktienkurse Höhenflüge. Die weltweite Zahl der Milliardäre ist im Pandemiejahr 2020 so stark gestiegen wie noch nie – von 2115 auf 2775. Ihr gesamtes Vermögen hat sich um mehr als 60 Prozent, von 8 Billionen Dollar auf 13,1 Billionen Dollar, vermehrt. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt Deutschlands von mehr als drei Jahren.

Die Kosten dieser Bereicherung bezahlt die Arbeiterklasse. Fast 3 Millionen Menschen sind weltweit gestorben, weil sich die Regierungen weigern, Betriebe und Schulen zu schließen, um die Verbreitung des tödlichen Virus zu stoppen. Sie gehen buchstäblich über Leichen, damit die Profite weiter sprudeln. In der Luftfahrt, der Autoindustrie und zahlreichen anderen Bereichen holen die Manager fertige Pläne aus den Schubladen, um Arbeitsplätze abzubauen und Löhne zu senken.

Dagegen entwickelt sich ein gewaltiger Sturm des Widerstands. Überall auf der Welt häufen sich Proteste und Streiks, auch wenn sie oft isoliert und totgeschwiegen werden. Das ist der Grund für die Feindschaft der Parteien, der Medien und der Gewerkschaften gegen die Bodenarbeiter. Sie fürchten, dass sich ihr Kampf zu einem Flächenbrand entwickelt, den sie nicht mehr kontrollieren können.

Die Sozialistische Gleichheitspartei (SGP) hat internationale Unterstützung für den Kampf der Bodenarbeiter organisiert und damit sichtbar gemacht, welches gewaltige Kampfpotential in der internationalen Arbeiterklasse steckt. Sie hat Solidaritätsadressen von Berliner und Londoner Busfahrern, von amerikanischen, britischen und türkischen Lehrern und von Aktionskomitees für Bildung in mehreren Ländern organisiert. Die World Socialist Web Site hat in mehreren Sprachen auf der ganzen Welt über den Arbeitskampf am Frankfurter Flughafen berichtet.

Die SGP ist für den Aufbau eines internationalen Netzwerks unabhängiger Aktionskomitees eingetreten. Und sie hat erklärt, dass der Kampf gegen die Entlassungen ein sozialistisches Programm erfordert, das die Bedürfnisse der Arbeiter über die kapitalistische Profitlogik stellt.

Während viele Bodenarbeiter zustimmten, reagierte die Industriegewerkschaft Luftverkehr (IGL) mit offener Feindschaft. Ihre Funktionäre hinderten Vertreter der SGP daran, weiter auf Kundgebungen der Bodenarbeiter zu sprechen, und hetzten in sozialen Medien gegen die Partei. Sie gaben die Parole aus: „Keine Politik!“

Die Spartengewerkschaft IGL hatte sich den kämpfenden Bodenarbeitern als „Retter in der Not“ angeboten, nachdem diese mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gebrochen hatten. Verdi ist keine Vertretung von Arbeitern, sondern ein korporatistischer Apparat, der im Aufsichtsrat des Flughafenbetreibers Fraport und der Lufthansa sitzt und in enger Zusammenarbeit mit dem Management die Entlassungen und Lohnkürzungen plant. Während einer Kundgebung legten die Bodenarbeiter deshalb demonstrativ einen schwarzen Totenkranz vor der Verdi-Zentrale nieder.

Doch die 2015 entstandene IGL vertritt dieselbe Perspektive wie Verdi. Sie versucht, den Kampf der WISAG-Arbeiter zu nutzen, um den Konzernen ihre Verlässlichkeit als „Tarifpartner“ unter Beweis zu stellen. Sie wirbt mit dem Slogan: „Sozialpartnerschaft im Luftverkehr neu erleben.“ Man kann nicht die Interessen der Arbeiter vertreten und gleichzeitig die „Sozialpartnerschaft“ mit WISAG, Fraport und Lufthansa pflegen.

Schon vor einem Jahr hatte die IGL bei der Lufthansa gemeinsam mit Verdi und anderen Gewerkschaften eine Loyalitätserklärung für Vorstandschef Carsten Spohr unterzeichnet, in der sie ihre „Unterstützung bei allen nötigen Maßnahmen zur Stabilisierung unseres Konzerns in diesen schwierigen Zeiten“ versprach. Die Erklärung, die die Unterschriften der IGL-Vorstände Daniel Wollenberg und Thorsten Spreu trägt, hat den LH-Vorstand zum größten Angriff aller Zeiten auf die Belegschaft ermutigt. So spart der Konzern beim eigenen Bodenpersonal, den Kollegen der WISAG-Arbeiter, in diesem Jahr 50 Prozent der Kosten ein.

Die IGL lehnt auch jede internationale Solidarität unter Kollegen ab. Am Frankfurter Flughafen ruft sie unter dem nationalistischen Motto „Stärkt den Standort Deutschland“ zu weiteren Aktionen auf. Anstatt die Arbeiter aller Länder zu vereinen, spielt sie so die Arbeiter in Deutschland gegen ihre internationalen Kollegen aus, die alle gegen dieselben internationalen Konzerne kämpfen.

Ebenso reaktionär ist ihre Parole „keine Politik“. Sie bedeutet in Wirklichkeit Unterordnung unter die Politik der SPD, der CDU, der Grünen und aller anderen Regierungsparteien, mit denen die IGL zusammenarbeitet. Dabei hat sich vom ersten Tag an gezeigt, dass die Bodenarbeiter ihre Ziele nur im Kampf gegen die Politik dieser Parteien erreichen können.

Die Arbeitsgesetze, auf die sich WISAG beim Angriff auf die Bodenarbeiter stützt, sind von der SPD und den Grünen unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgearbeitet worden. Sie dienten als Grundlage, um in Deutschland einen riesigen Niedriglohnsektor zu schaffen. WISAG-Chef Claus Wisser, der seit mehr als 60 Jahren der SPD angehört, ist dadurch reich geworden. Er hat die korrupten Netzwerke in SPD und DGB genutzt, um ein Firmenimperium aufzubauen, das von der brutalen Ausbeutung im Niedriglohnsektor lebt.

WISAG ist neben den Flughafenbodendiensten in den Bereichen Gebäudereinigung, Facility Management und Security tätig. Der Konzern nutzt Schein-, Leih- und Tochterfirmen, um Mitarbeiter zu entlassen und anschließend zu schlechteren Konditionen wiedereinzustellen. Wer sich wehrt, wird mit Hausverbot, Lohnentzug und Kündigung bestraft.

In Berlin, wo WISAG 2008 mit Unterstützung von SPD und Linkspartei die Bodendienste an den Flughäfen übernahm, spaltete es diese erst in drei Subunternehmen auf, entließ zahlreiche Arbeiter und zwang sie dann, zu deutlich schlechteren Konditionen in ein neugegründetes Unternehmen zu wechseln. Im Sommer 2020 ging die Berliner WISAG in Insolvenz, um am neuen Flughafen BER eine neue Firma aufzumachen – ebenfalls zu schlechteren Konditionen. Mindestens 350 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz. Viele wurden durch Leiharbeiter ersetzt.

Für die Familie Wisser hat sich das gelohnt. Mit einem Vermögen von 450 Millionen Euro stand sie 2020 auf Platz 281 der Liste der reichsten Deutschen des Manager Magazins. Andere Quellen nennen eine doppelt so hohe Summe. In Hessen wird Claus Wisser als Kunstmäzen gefeiert und mit staatlichen Orden und Preisen überhäuft. Auch auf dem Jahresempfang des DGB ist er regelmäßiger Ehrengast.

Die CDU und die Grünen, die in Hessen die Landesregierung stellen und in der Stadt Frankfurt mitregieren, haben ebenfalls ein unmittelbares Interesse daran, die Profite des Flughafenbetreibers Fraport auf Kosten der Arbeiter zu steigern. Fraport befindet sich mehrheitlich im Besitz von Hessen und Frankfurt. Der grüne Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir hat sich 2017 persönlich dafür eingesetzt, dass die Konzessionen am Airport von der spanischen Acciona an die WISAG übergingen.

Die WISAG-Arbeiter stehen am Scheideweg: Entweder sie folgen der IGL und lassen sich zum ohnmächtigen Bittsteller bei WISAG, der Landesregierung und den kapitalistischen Parteien degradieren – das ist der sichere Weg in den Ausverkauf und die Niederlage. Oder sie dehnen ihren Kampf aus, wenden sich an die Kollegen an anderen Flughäfen, in der Autoindustrie, in den Krankenhäusern und in der gesamten internationalen Arbeiterklasse und kämpfen um ihre Unterstützung. Das erfordert Ausdauer und Entschlossenheit, ist aber der einzige Weg, der zum Erfolg führt.

Dazu müssen sie sich in einem unabhängigen Aktionskomitee organisieren, das die Verteidigung der Arbeitsplätze in die Hand nimmt, Kontakte zu anderen Arbeitern aufbaut und sich auf einen politischen Kampf gegen den Kapitalismus, seine Parteien und die Regierung vorbereitet. Die SGP wird ihnen dabei jede mögliche Unterstützung geben.

Ein solcher Kampf erfordert ein sozialistisches Programm. Es lässt sich kein einziges gesellschaftliches Problem mehr lösen, ohne die gewaltigen Vermögen der Finanzoligarchie zu enteignen und die Gesellschaft so umzugestalten, dass sie den sozialen Bedürfnissen und nicht dem privaten Profit dient. Das gilt für die Verteidigung von Arbeitsplätzen, Einkommen und sozialen Errungenschaften ebenso wie für die Eindämmung der Corona-Pandemie, die vor allem Arbeiter und ärmere Menschen trifft.

Die SGP tritt im Herbst zur Bundestagswahl an, um für ein internationales sozialistisches Programm zu kämpfen und eine neue sozialistische Partei in der Arbeiterklasse aufzubauen.

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