Boris Johnson, sozialer Mord und der Kampf gegen die Labour- und Gewerkschaftsbürokratie

Den folgenden Beitrag hielt Chris Marsden am 1. Mai 2021 auf der Online-Maikundgebung der World Socialist Web Site und des Internationalen Komitees der Vierten Internationale. Marsden ist der nationale Sekretär der Socialist Equality Party (SEP) in Großbritannien.

Chris Marsden

Der Aufruf des Internationalen Komitees der Vierten Internationale für eine Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees wird in jedem Land eine Resonanz hervorrufen. Was in unserer Erklärung steht, spiegelt die Lebenserfahrungen der Arbeiterklasse auf der ganzen Welt.

Erstens sind da die mörderischen Kosten der Pandemie, die tödliche Gleichgültigkeit der herrschenden Elite und die Art, wie die Kapitalistenklasse die Krise nutzt, um uns auszuplündern, die Ausbeutung zu steigern und unsere Existenzgrundlagen und unser Leben zu zerstören.

Zweitens stehen die sozialdemokratischen Parteien und Gewerkschaften den Arbeitern als feindliche Kraft gegenüber, als Agenten der Finanzoligarchie und der Konzerne. Es ist notwendig, mit ihnen zu brechen.

Großbritanniens verhasster Premierminister Boris Johnson ist angeschlagen, seitdem der Fraktionskampf in seiner Verbrecher-Regierung ans Licht brachte, was er am 30. Oktober letzten Jahres während eines Streits über die Einführung eines vierwöchigen zweiten Teillockdowns gesagt hatte: Er hatte ausgerufen: „Keine verdammten Lockdowns mehr, sollen sich doch die Leichen zu Tausenden türmen!“

Diese Aussage ist das moderne Äquivalent der Marie-Antoinettes zugeschriebenen Reaktion, als sie erfuhr, dass die Bauern kein Brot hatten: „Lasst sie Kuchen essen!“ Aber im Unterschied dazu ist Johnsons Aussage verbürgt, d.h. er hat dies tatsächlich gesagt und noch mehr.

Anfang September bestand er darauf, dass er das Coronavirus lieber „durchmarschieren“ lassen würde, als einen zweiten Lockdown einzuleiten. Er drückte sein Bedauern darüber aus, dass er dem ersten Lockdown zugestimmt hatte, und verglich sich selbst mit dem „wahren Helden“ aus dem Film Der weiße Hai – dem Bürgermeister von Amity, der anordnet, dass die Strände offen bleiben, obwohl ein großer weißer Hai Menschen frisst.

Millionen von Arbeitern sind angewidert, aber nur wenige sind schockiert. Die bevorzugte Politik der Tory-Regierung war immer die der „Herdenimmunität“. Die Angst vor Massenprotesten hatte die Regierung nochmals vom präferierten Kurs abgebracht, aber nun wird diese „Durchmarsch“-Politik umgesetzt, und die Leichen werden sich in der Tat „zu Tausenden türmen“.

Der Kampf gegen die Pandemie ist ein politischer Kampf gegen diese Architekten des gesellschaftlichen Mordes, die eine Zahl von 150.000 Toten und mehr zu verantworten haben. Es ist ein Kampf gegen die Konzerne, denen sie dienen.

Diese Offensive kann nicht geführt werden, wenn man sich nur gegen die Johnson-Regierung stellt. Man muss sich auch gegen diejenigen wenden, die letztlich die Regierung decken und jede Offensive gegen sie verhindern wollen: die Labour Party und die Gewerkschaften.

Seit mehr als einem Jahr agiert der Vorsitzende der Labour Party, Sir Keir Starmer, im Namen der „nationalen Einheit“ als de-facto-Koalitionspartner von Johnson – als „konstruktiverr Kritiker“. Allerdings ist Starmer nur deshalb Labour-Vorsitzender, weil sein Vorgängers Jeremy Corbyn das von Millionen Arbeitern und jungen Menschen erteilte Mandat nicht wahrnahm und sich weigerte, entschlossen gegen den rechten Flügel in seiner Partei vorzugehen.

Die ganze Zeit haben sich dabei Corbyn und Starmer, wie auch Johnson selbst, auf die Gewerkschaftsbürokratie verlassen, um den Klassenkampf zu unterdrücken.

Der britische Gewerkschaftsdachverband Trades Union Congress (TUC) und die ihm angeschlossenen Gewerkschaften stellen einen riesigen Apparat dar. Diese privilegierte Kaste widmet sich seit fast vier Jahrzehnten der Aufgabe, die Arbeiterklasse zu verraten und in Niederlagen zu führen.

Im Jahr bis März 2020 zählten die britischen Gewerkschaften ein Vermögen von fast 2,3 Milliarden Pfund. Das Durchschnittsgehalt der 29 bestbezahlten Gewerkschaftsführer betrug 153.935 Pfund. Frances O'Grady, Generalsekretärin des TUC, erhielt 166.461 Pfund, Tim Roache, Generalsekretär der GMB, 160.000 Pfund. Mick Cash, von der Rail, Maritime, and Transport Workers, mit nur 81.370 Mitgliedern, 159.944 Pfund. Sie alle gehören alle zu den Spitzenverdienern, befinden sich in den oberen 3 Prozent der Einkommensskala.

Die Streikaktivität in Großbritannien bewegt sich auf einem historischen Tiefstand, mit in der Regel weniger als 100 Streiks pro Jahr, an denen weniger als 40.000 Arbeiter beteiligt sind. Im letzten Jahr hat die Bürokratie praktisch alle Streikaktivitäten während der Pandemie eingestellt.

Weil die Gewerkschaften keine Verteidigung der Arbeiterklasse auf die Beine stellen, ist der Großteil der 32 Millionen britischen Arbeiter nicht mehr in Gewerkschaften organisiert.

Die größte Gewerkschaft Großbritanniens, Unite, hat beispielsweise 1,4 Millionen Mitglieder. Im vergangenen Jahr organisierte sie 245 Urabstimmungen über irgendeine Form des Arbeitskampfes, aber nur 25 davon resultierten entweder in einem Streik oder, häufiger, in Maßnahmen, die noch weit von einem Streik entfernt waren.

Und was passiert, wenn sich Arbeiter wehren? In diesem Jahr gab es eine Flut von Streiks, die gegen die Bemühungen der Gewerkschaften durchgesetzt wurden. Diese gingen von Arbeitern aus, die mit brutalen Lohnkürzungen und hohem Arbeitsdruck konfrontiert waren, ausgelöst durch Entlassungs- und Entlassungsprogramme. Viele sind bereits verraten und verkauft worden.

Im Januar begannen die Mitglieder der Gewerkschaft GMB bei British Gas einen 43 Tage andauernden Streik gegen einen Vertrag über Entlassung und Wiedereinstellung. Ihre entschlossene Haltung wurde verraten. Die meisten wurden gezwungen, den neuen Vertrag zu akzeptieren, einschließlich einer 15-prozentigen Lohnkürzung, und Hunderte wurden entlassen, weil sie sich weigerten zu unterschreiben.

Die pseudolinken Gruppen sind nur der Gewerkschaftsbürokratie gegenüber loyal. Selbst als die GMB empfahl, den neuen Vertrag zu unterzeichnen, sagte die Socialist Party, dass dies aus Sorge um die Arbeiter geschehe, „um sie vor Entlassung zu schützen“! Die Socialist Workers Party ihrerseits bestand diesen Monat darauf, dass die Arbeiter immer noch Labour wählen sollten, weil „die Partei durch ihre Verbindungen zu den Gewerkschaftsführern einige verwelkte Verbindungen zu den Organisationen der Arbeiterklasse beibehält“.

Der Würgegriff der Gewerkschaften fordert einen grausamen Preis. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die reichsten 100 Menschen in Großbritannien haben so viel Geld wie die ärmsten 18 Millionen Menschen, und Großbritannien hat die fünftmeisten Milliardäre weltweit. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der Kinder, die von Armut betroffen sind, mit drei Millionen in den letzten sechs Jahren um mehr als eine halbe Million gestiegen. In 649 Stadtteilen im ganzen Land lebt schätzungsweise mindestens die Hälfte der Kinder unterhalb der Armutsgrenze.

So kann es nicht weitergehen. „Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Victor Hugo sagte, dass eine solche Idee alle Armeen der Welt überwinden kann.

Das IKVI geht von diesem Verständnis aus. Aber wir verstehen auch, dass Ideen erkämpft und bewusst und organisiert zum Ausdruck gebracht werden müssen. Die Arbeiterklasse steht einer herrschenden Klasse gegenüber, die die Staatsmacht ausübt. Arbeiter werden auf Schritt und Tritt von einem bösartigen bürokratischen Apparat ausgebremst.

Deshalb müssen die Arbeiter ein globales Netzwerk von Aktionskomitees aufbauen, und deshalb müssen die besten von ihnen, die weitsichtigsten und mutigsten, sich dem Aufbau der Weltpartei der sozialistischen Revolution widmen: dem IKVI.

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