Perspektive

Pfizer macht Rekordprofite, arme Länder erhalten keine Impfstoffe

Fünf Monate, nachdem in den USA die erste Notfallzulassung für einen Covid-19-Impfstoff erteilt wurde, stellt sich die Impfaktion in den Entwicklungsländern als Katastrophe dar.

Wohlhabende Länder haben mehr als 87 Prozent der weltweit verteilten Covid-19-Impfstoffe erhalten, während die „einkommensschwachen“ ehemaligen Kolonialländer laut Weltgesundheitsorganisation weniger als 1 Prozent erhalten haben.

Vorbereitung zur Verabreichung des russischen Impfstoffs Sputnik V in der philippinischen Hauptstadt Manila, 4. Mai 2021 (AP Photo/Aaron Favila)

In Afrika hat weniger als 1 Prozent der Bevölkerung auch nur eine einzige Dosis des Impfstoffs erhalten. In Indien, dem Epizentrum der weltweiten Pandemie, wo die Krematorien nonstop laufen und die Menschen auf den Straßen sterben, haben weniger als 10 Prozent der Bevölkerung eine einfache Impfung erhalten.

Trotz des weltweiten Impf-Desasters war die Einführung des Impfstoffs ein Glücksfall für den US-Medikamentenhersteller Pfizer, der am Dienstag bekannt gab, dass er seine Umsatzprognose um 73 Prozent übertroffen hat.

Da die Preise für den Impfstoff etwa 20 Prozent über den Entwicklungs- und Produktionskosten liegen, konnte das Unternehmen allein im ersten Quartal fast eine Milliarde Dollar Gewinn mit dem Impfstoff erzielen. Pfizer erwartet, in diesem Jahr Impfstoffe im Wert von 26 Milliarden Dollar zu verkaufen und damit etwa 5 Milliarden Dollar Gewinn zu erzielen.

Der Aktienkurs von Pfizer ist seit letztem Jahr um fast 50 Prozent gestiegen, während sein deutscher Partner BioNTech in nur wenigen Monaten von einem Startup zu einem Multimilliarden-Dollar-Unternehmen aufgestiegen ist, das Milliardengewinne für wohlhabende Aktionäre erwirtschaftet.

Der Aktienkurs des Pfizer-Konkurrenten Moderna hat sich in den letzten 12 Monaten mehr als vervierfacht, und Firmenchef Stéphane Bancel verfügt über ein Vermögen von fast 5 Milliarden Dollar.

Die enorme Bereicherung dieser privaten Unternehmen und ihrer Aktionäre wird durch massive Investitionen der Regierungen ermöglicht, insbesondere von Seiten der Vereinigten Staaten, die über 10 Milliarden Dollar für die Entwicklung der von Pfizer und Moderna monetarisierten Impfstoffe ausgegeben haben.

Die von diesen beiden Unternehmen entwickelten mRNA-Impfstoffe basieren auf einer Schlüsselentdeckung des National Institute of Health's (NIH) Vaccine Research Center, das das Patent dafür hält, wie das Spike-Protein des Virus im Impfstoff stabilisiert wird.

Während mehrere Unternehmen das NIH-Patent lizenziert haben, nutzt Moderna die NIH-Entdeckung, ohne dafür Lizenzgebühren zu zahlen.

Mit anderen Worten: Ohne das Patent der NIH gäbe es keine Impfstoffe von Pfizer und Moderna. Dennoch hat sich die US-Regierung geweigert, die von Wissenschaftlern als enormes Druckmittel gegenüber den Impfstoffherstellern bezeichneten Mittel einzusetzen, um eine gerechte globale Verteilung zu gewährleisten.

„Dass die NIH den weltweiten Zugang nicht sichergestellt haben, ist eine Vernachlässigung ihrer Pflicht, die öffentliche Gesundheit der Vereinigten Staaten zu schützen“, sagt James Krellenstein, Vorsitzender und Mitbegründer von PrEP4All, einem Verein für den gerechten Zugang zu Gesundheitsleistungen und Medikamenten, gegenüber der Washington Post .

Die New York Times bemerkt, dass „reiche Länder die Chance, die Welt zu impfen, verspielt haben“, und schreibt: „Indem sie sich mit den Pharmakonzernen zusammentaten, kauften sich westliche Führer in die erste Reihe. Aber sie ignorierten auch jahrelange Warnungen - und ausdrückliche Aufforderungen der Weltgesundheitsorganisation - Vertragsklauseln aufzunehmen, die Dosen für arme Länder garantiert hätten oder die Unternehmen ermuntert hätten, ihr Wissen und die Patente, die sie kontrollieren, zu teilen.“

Die Weltgesundheitsorganisation hat die Regierungen aufgefordert, auf Impfstoffpatente zu verzichten, damit alle weltweiten pharmazeutischen Produktionskapazitäten genutzt werden können, um der Pandemie ein Ende zu setzen. Wie WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus schreibt:

Von den 225 Millionen Impfstoffdosen, die bisher verabreicht wurden, entfiel die überwiegende Mehrheit auf eine Handvoll reicher und impfstoffproduzierender Länder, während die meisten Länder mit niedrigem und mittlerem Pro-Kopf-Einkommen zuschauen und abwarten. Ein ‚Ich zuerst‘-Ansatz mag kurzfristigen politischen Interessen dienen, aber er ist selbstzerstörerisch.

Der Verzicht auf Patentrechte würde es jedem Hersteller auf der Welt ermöglichen, billige, generische Kopien bestehender Impfstoffe herzustellen, die weltweit dringend benötigt werden.

Aber dieser Schritt wurde bisher von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und der Europäischen Union blockiert.

Die US-Medien führen eine hysterische Kampagne gegen Angriffe auf das „geistige Eigentum“ der Arzneimittelhersteller. Am Montag veröffentlichte die Washington Post einen Leitartikel mit dem Titel „Ein patentfreier 'Volksimpfstoff' ist nicht der beste Weg, um armen Ländern zu helfen“ und wandte sich gegen jegliche Eingriffe in das Vorrecht auf Profit der Pharmariesen.

Impfstoffe freier und gleichmäßiger verfügbar zu machen, „indem man jetzt das geistige Eigentum angreift, könnte zukünftige Innovationen verhindern“.

Die Post hält ihre Leser offensichtlich für dumm. Die „Innovationen“, die diese Unternehmen zu klingender Münze machen, stammen aus Laboren und von Forschern, die mit öffentlichen Geldern finanziert wurden. Das einzig „Private“ an ihnen sind die Gewinne und die Rechte zur Herstellung und zum Vertrieb der Impfstoffe. Nach Ansicht der Post müssen die USA jedoch die absolute Kontrolle über die Produktion und den Vertrieb eines medizinisch notwendigen Impfstoffs gegen eine globale Pandemie behalten, die inzwischen mehr als 3,2 Millionen Menschen weltweit getötet hat.

Die Biden-Regierung hatte sich bisher geweigert, irgendwelche Maßnahmen zu ergreifen, um die Patente für Covid-19-Impfstoffe aufzuheben. Auch die jüngste Ankündigung der US-Handelsbeauftragten Katherine Tai, im Rahmen der WTO möglcherweise ein Abkommen zur Aussetzung der Patente auszuhandeln, zielt auf die Sicherung der Profite der Pharmaindustrie. Anthony Fauci, der leitende medizinische Berater des Präsidenten, sagte am Montag in einem Interview: „Ich respektiere die Bedürfnisse der Unternehmen, ihre Interessen zu schützen, um sich im Geschäft zu halten.“

Dies ist eine Absurdität. Was als „geistiges Eigentum“ bezeichnet wird, ist nur ein Euphemismus für die Gefährdung des Lebens der Weltbevölkerung zur Bereicherung der kapitalistischen Oligarchie. Millionen von Menschenleben sind in Gefahr! Alle Ressourcen der Gesellschaft müssen mobilisiert werden, um so viele Leben wie möglich zu retten. Zur Hölle mit den Profiten der Oligarchen!

Am 13. März 2020 veröffentlichte die World Socialist Web Site eine Perspektive mit dem Titel: „Kapitalismus im Kriegszustand mit der Gesellschaft“. Nichts demonstriert diese Realität so sehr wie die Bereicherung der Pharmariesen, während die die indische Bevölkerung um Luft ringt.

Die totale Gleichgültigkeit der kapitalistischen Regierungen gegenüber der Mehrheit der Weltbevölkerung zeigt im Brennglas die kapitalistische Gesellschaftsordnung, die die Bedürfnisse der Gesellschaft der Bereicherung einer Finanzoligarchie und den räuberischen Interessen des Imperialismus unterordnet. Deshalb ist der Kampf zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie untrennbar verbunden mit dem Kampf zur Abschaffung der kapitalistischen Gesellschaftsordnung, an deren Stelle der Sozialismus tritt.

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