Covid-19 verschärft den Klassenkampf in Australien

Cheryl Crisp ist die nationale Sekretärin der Socialist Equality Party (Australien). Sie war 1972 Gründungsmitglied der Socialist Labour League, der Vorläuferorganisation der SEP, und spielt seit mehr als vierzig Jahren eine führende Rolle in der trotzkistischen Bewegung in Australien. Sie hielt die folgende Rede auf der Internationalen Maikundgebung 2021, die von der WSWS und dem IKVI am 1. Mai abgehalten wurde.

Rede von Cheryl Crisp auf der internationalen Maikundgebung 2021

Im Namen der SEP Australien begrüße ich die Zuhörer auf der ganzen Welt.

Das letzte Jahr war außergewöhnlich. Die Ausbreitung von Covid-19 hat das Leben von Milliarden Menschen weltweit verändert. Mehr als 3 Millionen sind gestorben. Die Ereignisse in Indien, Brasilien, den USA und Europa zeigen, dass die Pandemie bis Ende 2020 bei weitem nicht unter Kontrolle war. In diesem Jahr hat sich das Virus noch rasanter ausgebreitet, es ist tödlicher geworden, und die Lebensbedingungen der Arbeiterklasse weltweit haben sich weiter verschlechtert. Das war nicht unvermeidlich, sondern das Ergebnis der bewussten Politik kapitalistischer Regierungen.

Australien und Neuseeland werden dafür gepriesen, dass ihre Regierungen die Krankheit besiegt hätten. Das ist ein gewaltiger Irrtum. Die konservative Morrison-Regierung hat dieselbe Corona-Politik wie alle anderen umgesetzt. Sie verhängte nur Lockdowns und Quarantänemaßnahmen aufgrund der Forderungen der Arbeiter und aus Angst, dass sich breiterer Widerstand entwickelt.

Cheryl Crisp

Die niedrige Infektionsrate in Australien könnte sich über Nacht verändern. Die jüngsten Ausbrüche in allen Hauptstädten der australischen Bundesstaaten sind eine Warnung. Das Impfprogramm der Regierung liegt in Scherben. Nur 5 Prozent der Bevölkerung haben ihre erste Dosis erhalten, und es gibt keine Zahlen über die vollständig Geimpften. Und trotz der unkontrollierten Ausbreitung von neuen Virusvarianten fordert die herrschende Klasse, dass die bundesstaatlichen und nationalen Grenzen geöffnet werden.

Diese Regierung ist äußerst schwach. Im Januar 2020, am Beginn der Pandemie, war sie in weiten Teilen der Bevölkerung verhasst, weil sie angesichts der schweren Folgen der schlimmsten Buschfeuer in der Geschichte Australiens mit krimineller Ignoranz reagierte. Morrison und seine Regierung waren nicht in der Lage, die Notsituation der Coronakrise zu bewältigen.

Tatsächlich bestand eine der ersten Handlungen der Regierung darin, ein nationales Kabinett aus Vertretern der Bundesregierung und allen Bundesstaaten und Territorien zu bilden, von denen die Mehrheit der Labor Party angehört. Dieses Kabinett ersetzte das Parlament, das 2020 bloß sechs Monate lang tagte.

Zu dieser faktischen nationalen Einheit gehören Labor und besonders die Gewerkschaften, die sich unter dem Vorwand der Pandemie zur Zusammenarbeit mit der Regierung verpflichtet haben. Sally McManus, die Sekretärin der ACTU, des Dachverbands der Gewerkschaften in Australien, arbeitete täglich mit den Ministern der Regierung zusammen, um elementare Errungenschaften der Arbeiterklasse zu zerstören, darunter Gehaltszuschläge, geregelte Arbeitszeiten und Lohntarife.

Das Parlament tagte jedoch lange genug, um vier Konjunkturpakete zu verabschieden, mit denen mehr als 400 Milliarden Dollar aus öffentlichen Kassen an Konzerne und Großkapital transferiert wurden. Das war zehnmal mehr als während der Finanzkrise 2008–2009. Die SEP warnte, dass die Konjunkturpakete zurückgezahlt werden würden, indem die Ausbeutung und die unerbittlichen Angriffe auf die Arbeiterklasse verschärft werden. Das hat sich bestätigt.

Die Pandemie gab den Anlass zu einem kometenhaften Anstieg der Aktienmärkte international und ebenso hier. Nicht nur die Zahl, sondern auch die Vermögen der australischen Milliardäre nahmen zu. Während die Quote der Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung auf 26 Prozent stieg, ein Rekordniveau seit der Depression von 1930, wuchs das Vermögen der 10 reichsten Australier seit 2019 um mehr als 44 Prozent, die Zahl der Milliardäre stieg um 25 Prozent.

Nachdem die Regierung die JobKeeper-Zuschüsse Ende März 2021 beendet hat, sank die Lohnsumme in den ersten 14 Tagen um 3,1 Prozent. Die Zahl der Festanstellungen ging um fast 2 Prozent zurück. Das sind nur die ersten Folgen der Abschaffung der völlig unzureichenden Zuschüsse und der Kürzung der Sozialleistungen.

Damit werden Entwicklungen verschärft, die schon seit Jahrzehnten im Gange sind. Die ACTU hat diese Woche einen Bericht veröffentlicht, der ihre eigene Rolle entlarvt. Er skizziert die Auswirkungen der Angriffe auf die Löhne in den letzten 40 Jahren.

Darin heißt es: „Das Lohnwachstum ... ist jetzt auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen. … Wäre die Lohnquote auf dem Niveau der 1970er Jahre geblieben, hätte sie 2019 um 200 Milliarden Dollar höher gelegen oder ein zusätzliches Einkommen von durchschnittlich 15.000 Dollar für jeden einzelnen beschäftigten Australier bedeutet.“

Mitten in diesem Sparkurs hat Morrison die Militärausgaben um fast 30 Prozent auf eine Rekordsumme von 575 Milliarden in den nächsten zehn Jahren erhöht. Zugleich schürt er antichinesische Stimmungen als Teil der Kriegsvorbereitungen gegen China.

Aber hier, wie auch in vielen anderen Ländern, setzen sich Arbeiter gegen diese Bedingungen zur Wehr. Das kam im vergangenen November deutlich zum Ausdruck, als die Supermarktkette Coles, einer der größten Konzerne Australiens, 350 Lagerarbeiter in Smeaton Grange in Sydney aussperrte. Coles plant die Schließung des Lagers.

Damit begann ein 14-wöchiger Kampf, bei dem die Arbeiter mehr als zehnmal gegen ein Angebot der Gewerkschaft und des Unternehmens stimmten. Die United Workers Union weigerte sich, einen Streikfonds zu organisieren, sodass die Arbeiter während des mehr als dreimonatigen Lockouts nur rund 200 Dollar erhielten. Die Gewerkschaft isolierte den Konflikt – sogar von anderen Coles-Arbeitern.

Nur durch die World Socialist Web Site und die SEP erfuhren die Arbeiter in Coles-Filialen in anderen Bundesstaaten von dem Lockout. Die SEP kämpfte für einen Bruch mit der Gewerkschaft und die Gründung unabhängiger Aktionskomitees, zur Koordinierung eines vereinten Kampfs mit anderen Arbeitern in Australien und weltweit, wie den Lagerarbeitern von Hunts Point in New York.

Gegen die Coles-Arbeiter wurde alles unternommen, um sie zurück zur Arbeit zu treiben. In einem entlarvenden Videoauftritt erklärte einer der Coles-Manager, Matthew Swindells, eine Verlängerung der Aussperrung als Vergeltung gegen das Nein-Votum der Arbeiter. Er richtete seine Wut gegen sie und die SEP, weil sie gegen den Verrat der Gewerkschaft gekämpft hatten.

Swindells sagte: „Wegen dem Nein-Votum gibt es keinen Plan. Die einzigen, die einen alternativen Plan haben, sind die extremen Sozialisten, die den Konflikt unterwandert haben. … Sie schlagen diese größere Agenda vor, die sich gegen das Großkapital und die Banken richtet. Sie treiben die Agenda jetzt voran. … Das sind gesichtslose Leute, die nicht einmal Teil der Gewerkschaft sind. In Wirklichkeit sind das gewerkschaftsfeindliche Leute, die unten an den Streikposten stehen und Flugblätter verteilen.“

Mit anderen Worten: Swindell, Top-Manager einer der größten australischen Konzerne, verteidigt die Gewerkschaft gegen sozialistische Kritik. Seine Kommentare zeigen, dass die Unternehmensleitung die UWU als wichtigen Partner bei der Durchsetzung ihrer Agenda betrachtet.

Unbeabsichtigt enthüllte Swindells das Bündnis zwischen Gewerkschaft und Unternehmen gegen die Arbeiter. Diese Verschwörung findet an allen Arbeitsplätzen weltweit statt. Die Gewerkschaften sind keine Arbeiterorganisationen. Sie sind die Polizisten des Kapitalismus gegen ihre eigenen Mitglieder. Ohne einen vollständigen Bruch mit diesen Wachhunden der Konzerne bleiben die Arbeiter an die Interessen ihrer nationalen herrschenden Klasse gekettet.

Das Internationale Komitee der Vierten Internationale ruft deshalb zur Gründung der Internationalen Arbeiterallianz der Aktionskomitees auf, um ein Instrument zu schaffen, mit dem Arbeiter für ihre unabhängigen Interessen kämpfen können. In den Komitees können Arbeiter in ihrer gesamten Branche, landesweit und international zusammenarbeiten und sich organisieren. Anwohner können in ihren Vierteln und Nachbarschaften diskutieren und koordinieren, wie sie auf die Krise reagieren.

Dieser Kampf muss international geführt werden und sich gegen das System richten, das diese Katastrophe geschaffen hat: den Kapitalismus. Nur das IKVI kämpft für die sozialistische Umwandlung der Gesellschaft. Ich rufe Euch auf, dieser Partei beizutreten.

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