Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung verabschiedet Resolution zur Verteidigung von David O’Sullivan

Das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung trat am Montag vor dem Hintergrund einer bundesweiten Öffnungskampagne zusammen, die das Leben und die Gesundheit unzähliger Schüler und ihrer Familien bedroht. Mit ihren Ankündigungen, an den Schulen schnellstmöglich wieder zu Präsenzunterricht und Regelbetrieb zurückzukehren, drohen die Kultusminister von Bund und Ländern, das vorübergehende Sinken der Fallzahlen in Deutschland zu sabotieren.

Das Infektionsgeschehen bewegt sich nach wie vor auf einem weit höheren Niveau als auf dem Höhepunkt der ersten Welle. Erzieher, Lehrer und Eltern sind überwiegend ungeimpft, während für Kinder und Jugendliche so gut wie gar kein Impfstoff verfügbar ist.

Jeder, der sich gegen diese Durchseuchungspolitik zur Wehr setzt, muss mit Konsequenzen rechnen, die bis zur Entlassung reichen. Dies verdeutlicht das Schicksal des Londoner Busfahrers David O’Sullivan, Mitbegründer des Londoner Busfahrer-Aktionskomitee in Cricklewood. Er wurde von seinem Arbeitgeber Metroline unter Mithilfe der Gewerkschaft Unite entlassen, nachdem er seine Kollegen über die Ansteckungsgefahr auf dem Betriebshof informiert und gewarnt hatte.

Zu David O’Sullivans Verteidigung verabschiedete das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung ohne Gegenstimme die folgende Resolution, die seine sofortige Wiedereinstellung fordert:

Das Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Bildung verurteilt die Entlassung des Londoner Busfahrers David O’Sullivan durch die Metroline Verkehrsbetriebe unter Mithilfe der Gewerkschaft Unite auf das Schärfste. David O’Sullivan wurde gefeuert, weil er mutig dafür gekämpft hat, seine Kollegen vor der Ansteckungsgefahr in den Bussen zu warnen. Als das Londoner Busfahrer-Aktionskomitee in Cricklewood im Januar zu einer Arbeitsniederlegung aufrief, hatten die 26.000 Busfahrer Londons schon 45 tote Fahrer und hunderte infizierte Beschäftigte der TFL zu beklagen.

Der Kampf für sichere Bildung ist untrennbar mit den Kämpfen der Bus- und Bahnfahrer verbunden. Wie die TUC in Großbritannien, so haben auch Gewerkschaften wie die GEW alles getan, um den Widerstand gegen die profitorientierte Durchseuchung zu blockieren. Wir solidarisieren uns deshalb mit den mutigen Busfahrern in London und fordern, dass David O‘ Sullivan bei vollständiger Entschädigung unverzüglich wieder eingestellt wird. Wir werden die Kampagne zu seiner Verteidigung nach Kräften unterstützen und unter Lehrern, Schülern und Eltern bekannt machen. Schickt uns Solidaritätsadressen und macht mit beim Aufbau der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze und Bildung.

Der Verabschiedung der Resolution war eine rege Diskussion vorausgegangen, in deren Zentrum die Perspektive einer unabhängigen Bewegung der internationalen Arbeiterklasse gegen die globale Pandemie und ihre Profiteure stand.

Katja Selin von der Sozialistischen Gleichheitspartei (SGP) betonte in ihrem einleitenden Beitrag, dass die Zahl der Neuinfektionen vor allem aufgrund der geschlossenen Schulen und der Impfungen zurückgegangen sei. Diese Entwicklung werde jedoch durch die von allen etablierten Parteien vorangetriebene Öffnungsorgie gefährdet. So hat das von der Linkspartei regierte Thüringen einen Entwurf für eine veränderte Pandemieverordnung vorgelegt, der vorsieht, dass Gaststätten, Kneipen und Bars bereits bei einer Inzidenz unter 50 auch ihre Innenräume öffnen dürfen. Außerdem sollen Hotels, Saunen, Fitnessstudios und Schwimmhallen ihren Betrieb wieder aufnehmen können. Mehrere Bundesländer wollen ihre Schulen noch vor den Sommerferien wieder vollständig öffnen. Katja Selin stellte fest:

„Wie im gesamten Verlauf der Pandemie zielt auch die jetzige Öffnungspolitik der herrschenden Klasse darauf ab, auf Kosten der Gesundheit und des Lebens von zigtausenden Familien die Profite der Wirtschaft zu erhöhen. Die bislang 15 Monate der Pandemie haben eines bewiesen: Was für Arbeiter und ihre Familien Tod und Elend bedeutete, bescherte einer kleinen Elite an der Spitze der Gesellschaft einen Goldregen. Die Milliardäre haben ihr Vermögen weltweit um mehr als 60 Prozent vermehrt. Für sie ist die Pandemie ein gutes Geschäft. Wie die World Socialist Web Site treffend erklärt hat, mästen sich DAX und Wall Street regelrecht am Tod.“

Als Nächstes sprach Thomas Scripps, der stellvertretende Vorsitzende der Socialist Equality Party in Großbritannien und Autor für die World Socialist Web Site. Wie er betonte, ist die europäische Arbeiterklasse „an einem entschiedenen Punkt in der Pandemie angelangt“:

„Während nur 15 Prozent der Europäer vollständig geimpft sind, streichen die europäischen Regierungen die grundlegendsten Hygiene-Maßnahmen. Das hat katastrophale Folgen. In Großbritannien stieg die Zahl der Fälle in Verbindung mit der ‚indischen‘ Variante, innerhalb einer Woche um 160 Prozent und ist hierzulande mittlerweile wohl der dominierende Virusstamm.“

Er fügte hinzu: „Die Mutation eines Virus ist zwar ein natürlicher, biologischer Prozess. Doch es sind die politischen Entscheidungen der britischen herrschenden Klasse und anderer Regierungen auf der ganzen Welt, die das Virus in die Lage versetzten, sich zu entwickeln; die zugelassen haben, dass es sich über den Planeten ausbreitet; und die es nun zulassen, dass es sich innerhalb von bestimmten sozialen Gruppen mit einer großen Geschwindigkeit ungehindert überträgt.“

Katja Selin und Thomas Scripps schlussfolgerten, dass die nur eine Intervention der internationalen Arbeiterklasse auf der Grundlage eines sozialistischen Programms in der Lage sei, der Pandemie ein Ende zu setzen. Um eine rationale und international koordinierte Gesundheitspolitik durchzusetzen, sei in jedem Land ein politischer Kampf gegen die herrschende Klasse und den Kapitalismus notwendig.

Zahlreiche weitere Teilnehmer sprachen über die sozialen Verheerungen der Pandemiepolitik der Regierung, die Bedeutung der Resolution und die Notwendigkeit eines auf einer Klassengrundlage vereinten Vorgehens.

Nadine aus Niedersachsen berichtete von dem enormen Druck, der auf Eltern ausgeübt wird, um die Schüler zurück in die Schulen zu schicken. Eltern, die ihre Kinder zu schützen versuchen, würden „mit allen möglichen Mitteln daran gehindert“. Obwohl sie „Zahlen, Daten, Studien und Paragrafen“ angeführt habe, sei es ihr nur unter größten Anstrengungen gelungen, ihre gefährdeten Kinder vom Präsenzunterricht zu befreien. Trotzdem habe ihr Sohn nun aufgrund von ‚Fehlzeiten‘ eine Hauptschulempfehlung erhalten. Seit Dezember, so Nadine, müsse sie den Unterricht ihrer Kinder selbst auffangen, da die technische Ausstattung der Schule nicht für digitales Lernen ausreiche.

Beatrix, die ebenfalls in Niedersachsen lebt, unterstützte diese Erfahrung, versicherte ihre Vorrednerin aber zugleich, dass sie nicht allein in ihrer Lage sei. Die Zukunft unzähliger Kinder, stellte sie fest, werde durch die Folgen der Corona-Politik der herrschenden Klasse zerstört. So hätten einer britischen Studie zufolge bislang rund 7 Prozent aller minderjährigen Infizierten sogenannte „Long-Covid“-Symptome entwickelt. In Deutschland mussten bis zum 16. Mai 2021 insgesamt 1.522 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren wegen Long-Covid ins Krankenhaus eingeliefert werden – fünf Prozent mussten intensivmedizinisch behandelt werden.

Mehrere Jugendliche betonten in der Diskussion die Bedeutung von Aktionskomitees an Schulen. Schülerinnen und Schüler, berichteten sie, würden durch die Aufrechterhaltung des Leistungsdrucks erpresst, um in die Schule zu kommen. So erhielten etwa Abiturienten außerhalb des Präsenzunterrichts kaum Unterstützung bei der Vorbereitung auf ihre Abschlussprüfungen.

Andere Teilnehmer betonten, dass die Krise noch lange nicht vorbei ist. Dies zeigen die Ereignisse in England, wo sich die Virusmutante B.1.617 trotz einer hohen Impfquote rasant ausbreitet. Die gegenwärtige Beseitigung von Schutzmaßnahmen werde außerdem dazu führen, dass sich die ansteckenderen Virusstämme auf Weltebene weiterverbreiten.

In seinem abschließenden Beitrag nahm SGP-Mitglied K. Nesan noch einmal Bezug auf die Resolution und erläuterte die Rolle der Aktionskomitees im internationalen Klassenkampf. „Es ist für die internationale Arbeiterklasse eine strategische Frage, sich für die bedingungslose Einstellung von O’Sullivan einzusetzen.“ Nesan, der zudem Gründungsmitglied des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze ist, stellte fest, dass die Pandemie ein globales Problem ist, auf das es keine individuelle Antwort geben kann:

„Die Bedeutung der Komitees besteht darin, allen Arbeiterinnen und Arbeitern, die sich isoliert fühlen, eine Perspektive zu bieten. Die Probleme, von denen meine Vorrednerinnen berichtet haben, widerspiegeln die Probleme von Millionen Menschen weltweit. Die Mehrheit der Arbeiter ist gegen die Politik der Regierungen – aber die wichtigste Stütze der Regierungen sind die Gewerkschaften.“ Entscheidend sei daher, die reaktionäre Rolle der Gewerkschaften aufzudecken, die sich in Deutschland insbesondere im Kampf der WISAG-Arbeiter gegen Entlassungen und Lohnraub gezeigt habe.

„Das sind Entwicklungen, die weltweit stattfinden: In Sri Lanka haben Plantagenarbeiter mehrere Aktionskomitees gegründet und ihre Forderungen durchgesetzt. In den USA haben in den letzten Wochen Aktionskomitees von Volvo-Arbeitern in einem offenen Brief an die UAW erklärt, dass sie nicht mehr bereit sind, die Politik der Gewerkschaft zu akzeptieren.“

Auch in Bezug auf die Kriegsgefahr, so K. Nesan, spielen die Gewerkschaften eine zentrale und üble Rolle: „Die Strategie der Bourgeoisie besteht darin, Krieg gegen ihre Konkurrenz zu führen. Die USA bereiten einen Krieg gegen China und Russland vor. In Deutschland planen alle Parteien, wie sie nach der Wahl den Kriegskurs fortsetzen und verschärfen können. Ebenso wie in den bisherigen und künftigen Klassenkämpfen kommt den Gewerkschaften dabei die Aufgabe zu, den wachsenden Widerstand der Arbeiterklasse zu sabotieren. Die Komitees dienen dazu, Arbeitern ihre eigene Stimme zu verleihen, um ihre Interessen zu verteidigen. Bewaffnet mit einer sozialistischen Perspektive, müssen Arbeiter und Jugendliche beginnen, selbst aktiv zu werden.“

Das nächste Treffen des Netzwerks der Aktionskomitees für sichere Bildung wird am 16. Juni um 19:30 Uhr gemeinsam mit dem Netzwerk der Aktionskomitees für sichere Arbeitsplätze stattfinden. Werdet Mitglied unserer Facebook-Gruppe und registriert euch für den Aufbau von Aktionskomitees an euren Schulen und Einrichtungen!

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