Grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg verschärft Öffnungspolitik

Trotz der Warnungen von Virologen vor einem erneuten massiven Anstieg der Fallzahlen heben die Regierungen in Bund und Ländern die Corona-Schutzmaßnahmen weitgehend auf. Besonders deutlich zeigt sich das im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg.

Obwohl die Sieben-Tage-Inzidenz dort am höchsten liegt – am Mittwoch betrug sie laut RKI 27, der bundesweite Durchschnitt lag bei 21 – treibt die Landesregierung des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann die Öffnungspläne voran und provoziert damit eine neue Corona-Welle.

„Die Gefahr ist nicht weg, wir sind noch in der Pandemie“, musste Kretschmann selbst am Dienstag zugeben. Es bestehe die Gefahr, „dass die Menschen leichtsinnig werden und dass die Welle zurückkehren kann“. In Wirklichkeit liegt die Verantwortung für die nach wie vor hohen Fallzahlen im Bundesland – am Mittwoch gab es 667 Neuinfektionen und die Zahl der Toten stieg um sechs auf mittlerweile 10.036 – bei seiner Regierung.

Nachdem Grüne und CDU am 5. Mai 2021 ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht hatten, verkündeten sie als eine der ersten Amtshandlungen die neue Corona-Verordnung. Sie trat am 14. Mai in Kraft und sieht umfassende Lockerungen vor, sobald die Sieben-Tage-Inzidenz fünf Tage lang unter 100 bleibt und die Bundesnotbremse nicht mehr gilt.

Seitdem hat die Landesregierung alles darangesetzt, die Lockerungen auszuweiten und die Durchseuchung voranzutreiben. Vor allem die vollständige Öffnung von Schulen und Kitas hat sie forciert, damit die Arbeitskraft der Eltern wieder in vollem Umfang abgeschöpft werden kann. Die Kitas sind im ganzen Bundesland offen. In 33 der 44 Stadt- und Landkreise findet bereits voller Präsenzunterricht in den Schulen statt. Die Landesregierung plant bald auch Ferienlager mit Übernachtungen für Kinder zuzulassen. Dafür soll die Corona-Verordnung Mitte Juni geändert werden.

Bei Kontaktbeschränkungen auf eine maximale Personenzahl werden Genesene und vollständig Geimpfte nicht mehr mitgerechnet. Touristische Übernachtungen in Hotels oder Ferienwohnungen sind ebenfalls wieder erlaubt, sowie das Betreiben von Reisebussen, Ausflugsschiffen und Seilbahnen. Freibäder, Badeseen und Mineralbäder wurden geöffnet.

Auch Veranstaltungen mit vielen Personen, die nachweislich ein weiterer Treiber der Pandemie sind, können inzwischen wieder stattfinden. So sind Kulturveranstaltungen im Freien mit bis zu 100 Besuchern und Profi- und Spitzensport mit bis zu 100 Zuschauern erlaubt.

Auch der Einzelhandel darf wieder Kunden empfangen, und zwar auch ohne Testkonzept, solange die Anzahl der Kunden pro Quadratmeter gegenüber den Geschäften mit Testkonzept halbiert wird. So ist z.B. in Sindelfingen das Besuchen von Einzelhandelsgeschäften seit anderthalb Wochen ohne Test, ohne Termin und ohne die Angabe von Daten zur Kontaktverfolgung zulässig.

Die Gastronomie wurde vielerorts zwischen 6 und 21 Uhr geöffnet, wobei eine Personenbeschränkung pro Quadratmeter nur in Innenräumen gilt. Auch die bislang noch geltende Sperrstunde ab 21 Uhr soll weiter aufgeweicht werden. Laut dpa-Informationen gibt es in der grün-schwarzen Landesregierung bereits Überlegungen, sie „der Lebensrealität“ anzupassen.

Mit ihrer aggressiven Öffnungspolitik führt die Landesregierung die Politik fort, die die Grünen schon während der gesamten Corona-Pandemie ausgezeichnet hat. Sie sind in den unterschiedlichsten Konstellationen an elf von 16 Landesregierungen beteiligt und gehörten von Anfang an zu den treibenden Kräften der Profite-vor-Leben-Politik.

Auf Bundesebene haben die Grünen bereits im März 2020 die milliardenschweren Corona-Notpakete der Großen Koalition unterstützt, die vor allem den Großunternehmen und Banken zugutekamen. Seitdem treiben sie die unsichere Öffnung der Betriebe und Schulen voran, um die Summen wieder bei den Arbeitern einzutreiben. Immer wieder standen die Grünen an der Spitze der Öffnungsoffensiven während der Pandemie. Hier nur einige Beispiele:

Der rot-rot-grüne Senat in Berlin hat Abiturienten im April 2020 zurück in die Schulen gezwungen. In Sachsen hat die schwarz-rot-grüne Landesregierung im Mai 2020 den Vollbetrieb an den Grundschulen und in Kitas wieder aufgenommen. Die Grünen bezeichneten die Schulöffnung als „wichtigen Schritt für mehr Bildungsgerechtigkeit“, weil die Coronakrise „vor allem Kinder aus sozial benachteiligten Familien“ treffe.

Vertreter der Grünen beteiligten sich auch an den von Rechtsextremen dominierten Corona-Demonstrationen, die ein sofortiges Ende aller Schutzmaßnahmen im Interesse der Wirtschaft forderten. So nahm etwa die Fraktionsvorsitzende der Grünen im sächsischen Landtag, Franziska Schubert, an einer Demonstration der Corona-Leugner in Zittau im Mai 2020 teil und erklärte auf einem umgehängten Schild, dass sie „gesprächsbereit“ sei.

Im selben Monat brachte der grüne Tübinger Bürgermeister Boris Palmer den menschenverachtenden Charakter der Politik der Grünen auf den Punkt: „Ich sag es Ihnen mal ganz brutal. Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“ Das gegenwärtige Parteiausschlussverfahren gegen Palmer nach dessen jüngsten rassistischen Ausfällen bedeutet keine Abkehr von dieser Politik, sondern ist lediglich ein durchschaubarer Versuch, sie zu kaschieren.

Der gesamte Wahlkampf der Grünen zur Bundestagswahl 2021 unterstreicht, dass die Grünen in jeder Hinsicht eine rücksichtslose Wirtschaftspartei sind und die imperialistischen Interessen der Wirtschafts- und Finanzeliten aggressiv nach innen und außen vertreten.

Auf ihrem Parteitag Ende November 2020 verabschiedeten sie ein neues Grundsatzprogramm, das sich klar für eine unabhängigere deutsch-europäische Außen- und Großmachtpolitik und für die massive Aufrüstung der Bundeswehr ausspricht.

Im März 2021 präsentierten sie dann ihr Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021 mit dem zynischen Titel „Deutschland. Alles ist drin“. Während im Programm für Arbeiter und Jugendliche außer den bekannten, verlogenen Phrasen von „mehr sozialer Gerechtigkeit“ und „einem klimagerechten Wohlstand“ nichts „drin“ ist, bekommen die wirtschaftlichen und militärisch-polizeilichen Eliten des Landes das, was sie verlangen: Mehr Geld für Aufrüstung und Krieg, einen stärkeren Unterdrückungsapparat im Inneren und wirtschaftliche „Reformen“, um den deutschen Kapitalismus gegen seine internationalen Kontrahenten zu stärken.

Im gesamten Wahlprogramm nennen die Grünen keine einzige Forderung oder konkrete Maßnahme zum Kampf gegen die Corona-Pandemie, die bis heute allein in Deutschland knapp 90.000 Tote gefordert hat. Auch aus diesem Grund werden die Grünen und ihre Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock von führenden Wirtschaftsvertretern wie Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser als „pragmatische Erneuerer“ gefeiert.

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